Digitale Versorgung Start-Ups helfen bei digitaler Dermatologie
Insgesamt sind es 14 Start-ups, die sich vorstellen. An Ideen fehlt es den Gründern beim 3. Digi Derma Start-up Café nicht. Die einen versuchen das Praxispersonal über einen Online-Check-in zu entlasten, andere wollen eine appgesteuerte, sichere UV-Therapie zu Hause ermöglichen oder die Versorgung bei Akne inversa verbessern. Einige Start-ups haben sich der Patientenaufklärung gewidmet, z.B. bei Akne oder Neurodermits – so muss der Arzt nicht immer das Gleiche erzählen und der Patient sich nicht auf Google oder Werbeversprechen verlassen. Das Spektrum wird u.a. ergänzt durch Apps für teledermatologische Beratungen, Behandlungen und neue, einfach zugängliche Testmöglichkeiten, z.B. um Zytokinprofile zu erstellen.
Dass sich die Start-ups in unterschiedlichen Entwickungphasen befinden, stört nicht; im Vordergrund steht der persönliche Austausch – egal ob fachlich, unter Kollegen oder was die Finanzierung betrifft. So verschieden Phasen und Ideen sind, in einigen Punkten ist man sich einig: Neue Entwicklungen müssen z.B. hohe Anforderungen an den Datenschutz erfüllen und sollen für Ärzte und Patienten einen Vorteil bringen.
„Wenn es nur für einen von beiden einen Nutzen hat, dann ist es aus meiner Sicht schon tot“, betont Dr. Ralph von Kiedrowski, Präsident des BVDD. „Start-ups können eine große Bedeutung haben, wenn sie in die Therapiealgorithmen und in die Praxisabläufe von vornherein eingebunden sind.“ Um entsprechende Ideen zu würdigen, kürt eine vierköpfige Jury unter den teilnehmenden Start-ups einen Gewinner.
Verliert man ältere, weniger onlineaffine Patienten?
Wie passen neue Entwicklungen in das bestehende System und wie lässt sich der Status quo der Versorgung weiterentwickeln? Darauf achtet auch Dr. Max Tischler, Jurymitglied und selbst Medical Director eines ursprünglichen Start-ups. Sein Unternehmen, OnlineDoctor, hat den Sprung zum „Grown-up“ geschafft und ist jetzt Kooperationspartner des BVDD für dieses Start-up Café.
Die Gefahr, dass ältere und weniger smartphoneaffine Patienten auf der Strecke bleiben, besteht nach Meinung von Dr. von Kiedrowski nicht. „Das Einzige, was sich bei Älteren ändern muss, ist das Device. Die kommen vielleicht nicht mit einem Handy zurecht, dafür mit einem Tablet.“ In seiner Praxis gebe es kein Papier mehr. „Auch der 70-Jährige, der das erste Mal in die Praxis kommt, meldet sich über ein Tablet an.“ Zu Hause können den Patienten z.B. Kinder oder Enkel beim Umgang mit den Online-Anwendungen helfen.
Eine Online-Plattform in der Praxis
Wie gut lässt sich die teledermatologische Beratung und Behandlung in den Arbeitsalltag einbinden? Organisation und Prozesse müssen angepasst werden, erläutert Dr. Tischler. „Ich kann natürlich nicht sagen, ich mache weiterhin wie bisher meine 30 Stunden Sprechstunde mit der gleichenAnzahl Patienten und lade den Rest noch obendrauf“, beschreibt der Dermatologe den Spagat zwischen Online- und Analogversorgung. Man könne die Präsenzsprechstunde z.B. um 20 % reduzieren und schauen, für wie viele Patienten die Onlineversorgung ausreicht. Diejenigen, die „live“ gesehen werden müssen, kann man in die Praxis einbestellen. „Etwa 15%der OnlineDoctor-Patienten müssen wir in der Praxis noch mal sehen, weil sie z.B. eine Biopsie oder eine Laboruntersuchung brauchen.“ Patienten, für die der digitale Arztkontakt genügt, entlasten die Praxissprechstunde. So bleibt im Idealfall mehr Zeit für komplexere Fälle. „Ich glaube, die Patienten profitieren davon, dass ich mir für diejenigen, die die Zeit brauchen, sie auch nehmen kann.“ Ideale Online-Kandidaten sind für ihn z.B. Patienten aus der Notfallsprechstunde, deren Probleme sich für den Arzt schnell als Bagatellerkrankung herausstellen.
Schubweise auftretende chronische Erkrankungen wie Psoriasis oder atopische Dermatitis lassen sich gut online versorgen, da beispielsweise im akuten Schub schneller reagiert werden kann. Schlechter eignen sich dagegen Patienten mit „zehn Problemen auf einmal“. Bei OnlineDoctor sind für die Anamnese drei Bilder vorgesehen, die man in das Portal hochladen kann. Auf diesen mehrere Probleme richtig abzubilden ist schwierig, erklärt Dr. Tischler. Die Hautkrebsdiagnostik gehört laut der teledermatologischen Leitlinie ebenfalls in die Praxis, genauso wie die Erstdiagnose einer Systemerkrankung. Das steht allerdings nicht im Widerspruch dazu, Patienten online vorzuselektieren, betont der Dermatologe. Für unverdächtig aussehende Muttermale reicht vielleicht der nächste reguläre Termin für ein Hautkrebsscreening in drei oder vier Monaten: „Das ist die normale Wartezeit.“
Ein BVDD-Prüfsiegel für Apps ist nicht geplant. „Ein Stück weit müssen diese Apps ihre Qualität selbst darstellen“, fügt Dr. von Kiedrowski hinzu. Und dann gebe es ja noch das BfArM und entsprechende andere Organe. Der BVDD sehe sich eher als Berater und Gesprächspartner. „Eine App kann noch so gut sein, sie muss in die Versorgung passen. Wir versuchen frühzeitig schon beim Start-up anzusetzen und nicht erst, wenn das Produkt bereits als Diga verordnet werden kann“, erklärt er.
Allerdings ist zu erwarten, dass eine von einem Berufsverband empfohlene App, die in therapeutische Algorithmen integriert ist, auf Dauer die größte Akzeptanz hat. „Wenn wir als BVDD eine App in unseren Rundschreiben thematisieren, d.h. empfehlen oder für gut befinden, kann man schon davon ausgehen, dass wir auch von den grundsätzlichen Qualitätskriterien überzeugt sind.“ Das sei zwar kein Siegel, aber zumindest ein Wettbewerbsvorteil für das Start-up und ein Anhaltspunkt für Anwender.
Einen solchen Vorteil erhält auch der gekürte Gewinner des Start-up Cafés, LENICURA. Das Unternehmen entwickelt für Patienten mit Akne inversa ein digital gestütztes Versorgungskonzept inkusive einer nicht-invasiven Lichttherapie. Dr. Katharina Hennig, geschäftsführende Gesellschafterin, und ihre Kollegen können sich nun auf die Unterstützung des BVDD freuen.
Aus der Not eine Tugend gemacht
Der digitale Fortschritt in der Dermatologie – immerhin hat man als einzige Berufsgruppe eine telemedizinische Leitlinie – ist ein bisschen der Not geschuldet: Der freie Zugang zu den Dermatologen – „so erfreulich er auch ist“ – führt letztlich zu einer Terminknappheit und zu einer Verdrängung der objektiv gesehen wirklich Kranken, erläuterte Dr. von Kiedrowski. Gleichzeitig zwinge die Budgetierung die Ärzte dazu, in die Masse zu gehen. In seiner Praxis gebe es mittlerweile nur noch quartalweise Termine, der Rest sei geblockt, um unverhältnismäßige Wartezeiten zu vermeiden. Ab dem 15. November gab es die Termine für das nächste Quartal. „Wie bei einem Konzert“, so Dr. von Kiedrowski. Die Triage bzw. Priorisierung im Hinblick auf Kranke, die wirklich fachärztliche Expertise brauchen, könne z.T. durch Apps abgemildert werden. Ein Patient mit dringendem Anliegen kann z.B. über OnlineDoctor direkt den Facharzt kontaktieren und bekommt schneller Hilfe oder, wenn aus ärztlicher Sicht die Notwendigkeit besteht, schneller einen Termin.
Digitalisierung als Tool sehen, nicht als Gefahr
Ob App-Anbieter künftig mit den Niedergelassenen konkurrieren werden? Bei OnlineDoctor praktizieren teilnehmende Ärzte weiterhin in einer Praxis. „Ich bin bei vielen Diagnosen froh, den Patienten anbieten zu können, in drei oder vier Monaten in die normale Sprechstunde zu kommen. Obwohl ich ihnen online akut helfen konnte“, erklärt Dr. Tischler.
Auch für Dr. von Kiedrowski ist die Situation klar: „Nein, die ganze Digitalisierung ist ein Tool und die Apps sind ein Baustein, die der Dermatologe der Zukunft bzw. der Gegenwart einfach nutzt.“ Natürlich stelle sich die Frage, wie sich der Gesundheitsmarkt insgesamt ändern werde, z.B. durch den Einfluss von Großkonzernen. Deshalb beteilige sich der BVDD in diesem Feld. „Damit wir als Player nicht übergangen werden.“
Quelle: 3. Digi Derma Start-up Café