Ärztevertreter bewerten den Digitalisierungstrend zwiegespalten
Das deutsche Gesundheitssystem hinkt bei der Digitalisierung peinlich hinterher, meint Sabine Maur, Präsidentin der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz. Sie warnt aber auch: „Patienten sind kein Experimentierfeld.“ Bei allem Tatendrang müsse die gesundheitliche Versorgung das Ziel sein.
Steckt hinter der Digitalisierung nur ein Hype oder doch Substanz? Martin Schneider, Leiter der vdek-Landesvertretungen Rheinland-Pfalz und Saarland, bemerkt, dass das Thema in aller Munde ist, obwohl niemand genau weiß, wo die Entwicklung in Zukunft hingeht. Dr. Sebastian Kuhn, Oberarzt am Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie der Universitätsmedizin Mainz, sagt: „Patienten haben ein enormes Informationsbedürfnis, das unser Gesundheitssystem nicht stillt.“
Welche Gesundheitsapps sind empfehlenswert?
Technologieunternehmen setzten genau an dieser Nachfrage an und kämen somit den eigentlichen Akteuren des Gesundheitssystems zuvor. Doch mit anderen Zielen: Für sie stehe nicht die Versorgung an oberster Stelle, sondern der Erfolg ihres Geschäftsmodells.
Die neue Möglichkeit, Gesundheitsanwendungen zu verordnen, mache das Ganze nicht leichter, kritisiert Digitalisierungsexperte Dr. Kuhn. Im Gegenteil: Zwar kämen aktuell um die 84 Apps hierfür infrage, doch es mangele an Kriterien für die Hersteller. Was macht eine App gut und was schlecht? Darunter falle neben recht eindeutigen Kriterien wie „kein Facebook-Login in einer Gesundheitsapp“ auch die Klärung, wie Daten gespeichert und übermittelt werden.
Für Dr. Josef Mischo, Präsident der Ärztekammer des Saarlandes, ist klar, dass die Ärzte selbst die Digitalisierung gestalten müssen. Andernfalls leide die Arzt-Patienten-Beziehung nachhaltig unter den Entwicklungen. Doch wie bringt man die Ärzteschaft dazu, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen? Es ändere sich dann etwas, wenn die Ärzte die Vorteile der Digitalisierung selbst spüren, ist sich Dr. Mischo sicher. Das könnte z.B. bei einem verbesserten Informationsfluss und einer einfacheren Diagnostik der Fall sein.
Hierfür müssen jedoch erst Rahmenbedingungen geschaffen werden. Digitalisierung läuft nicht ohne digitale Erreichbarkeit. Dies gilt vor allem für den ländlichen Bereich, merkt Dr. Andreas Bartels, KV-Vize von Rheinland-Pfalz, an.
Absolute Sicherheit beim Datenverkehr ist nicht drin
Erschwerend komme die „deutsche Gründlichkeit“ bei Datenschutz und Sicherheit hinzu. Doch eine hundertprozentige Sicherheit sei nicht zu erreichen, so Dr. Bartels. Die Chancen des Wandels dürften darunter nicht leiden. Er vertraut auch auf nachfolgende Ärztegenerationen, die „affiner für Digitales“ seien. Bis sie die Versorgung dominieren, vergehen aber noch einige Jahre.
Quelle: vdek – Ersatzkassenforum „Gesundheit goes digital“