Landesärztekammer Hessen besteht auf hohen Nutzen von Digitalisierungsprojekten
„Die Ärzteschaft ist nicht digitalfeindlich“, bekräftigt Dr. Edgar Pinkowski, Präsident der Landesärztekammer Hessen, bei einem Pressegespräch. Mit Blick auf immer wieder auftretende Datenskandale wie jüngst etwa bei der App „Ada“ stellte er jedoch klar, dass Datenschutz wichtiger sei als eine schnelle Digitalisierung um jeden Preis. Sie dürfe kein Selbstzweck sein, sondern müsse Mediziner und Patienten entlasten. Diese Voraussetzungen berücksichtige Gesundheitsminister Jens Spahn nicht ausreichend, so Dr. Pinkowski. Die Landesärztekammer stellte einige Projekte vor, die den Alltag erleichtern sollen und nach eigenen Angaben verantwortungsvoll mit Daten umgehen.
Die technische Hochschule Mittelhessen entwickelt mit Förderung des hessischen Sozialministeriums eine App, die es Patienten ersparen soll, lange im Wartezimmer herumzusitzen. „Warts-Ab“ gibt pro Patient eine einmalige Ziffernfolge in Form eines Barcodes aus. Patienten können diesen mit dem Smartphone von einem Tablet abscannen und die Praxis dann verlassen. Sobald der Arzt Zeit hat, erhält der Betreffende eine Nachricht. Die App soll Patienten nicht nur vor Langeweile, sondern auch vor den Infektionskrankheiten im Wartezimmer schützen.
In den kommenden Monaten soll sie in die Testphase gehen. Künftig könnte die App überall eingesetzt werden, wo im öffentlichen Leben gewartet wird, heißt es.
Software so gestaltet, dass Hacker nur Ziffern sehen
Professor Dr. Thomas Friedl, Experte für Datensicherheit und Studiengangsleiter für Medizinische Informatik an der Technischen Hochschule Mittelhessen, legt großen Wert auf einen verantwortungsvollen Umgang mit Daten. „Warts-Ab“ ist so konzipiert, dass Hacker keinerlei personenbezogene Daten finden können.
Mit Blick auf „Ada“ betonte der Experte, dass Programmierer bewusst darüber entscheiden, ob Apps Daten an Unternehmen wie Facebook senden. Dies sei kein Unfall. Er kritisierte, dass es im Gesundheitswesen keine unabhängige Instanz gibt, die Gesundheits-Apps prüft und genehmigt.
In der Epilepsie-Versorgung beginnt man, auf die Telemedizin zu setzen. Die Epilepsiezentren Frankfurt und Marburg möchten ihre Expertise auf diesem Weg flächendeckend bereitstellen. Zwei Drittel der epileptischen Anfälle könnten vermieden werden, wenn die 30 verfügbaren Antiepileptika frühzeitig und richtig eingesetzt werden würden, so Professor Dr. Felix Rosenow. Bislang würde die Erkrankung oft erst verspätet diagnostiziert, teilweise mit schweren Folgen für die Betroffenen. Um dies zu vermeiden, sollen zunächst zehn Kliniken und neurologische Praxen telemedizinische Hilfe aus Frankfurt und Marburg erhalten. Bislang sei es für Mediziner noch schwer, sich über die Befunde von Epilepsie-Patienten auszutauschen, berichtet Prof. Rosenow. Vor allem für die Auswertung der Elektroenzephalographie würden Daten-Standards fehlen.
Initiator des Projekts ist die Goethe-Universität Frankfurt. Bis 2021 will man auswerten, welche Kosten und Nutzen die telemedizinische Epilepsieversorgung mit sich bringt und wie die Leistung vergütet werden müsste.
Das Institut der Kasseler Stottertherapie nutzt in seiner Software „flunatic“ einen Algorithmus, der den übenden Patienten Feedback geben kann, beispielsweise indem die Stimme in Form einer Kurve visualisiert wird. Die Software wird bereits seit 2004 eingesetzt und soll Patienten in der Nachsorge unterstützen. In dieser Phase kommt es häufig zu Rückfällen. Derzeit entwickelt das Institut eine neue Version der Software, mit der auch Drei- bis Sechsjährige therapiert werden können.
Pressegespräch Landesärztekammer Hessen