Digitalisierungspolitik macht den Ärzten zu schaffen
Zwei Wörter, die KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister von Vertretern des Gesundheitsministeriums öfter zu hören bekommt, lauten „agil“ und „iterativ“. In einem agilen Umfeld müsse man agile Gesetze machen, heißt es. Und die Digitalisierung sei ein „iterativer Prozess“, es gehe also schrittweise voran, doch so schnell wie möglich. „Das klingt für mich in etwa so, als würde man sich im Laufen die Schuhe zubinden“, sagte Dr. Hofmeister bei der Vertreterversammlung. „Man kann bei dieser Vorgehensweise auch leicht über die eigenen Füße stolpern.“
Bestes Beispiel: der Anschluss der Ärzte an die Telematik-Infrastruktur. Dass die Techniker an „der einen oder anderen Stelle schlampig gearbeitet“ haben bzw. wichtige Vorgaben fehlen, werde jetzt den Ärzten angekreidet. Doch diese müssten sich „darauf verlassen können, dass die von ihnen beauftragten IT-Fachleute korrekt arbeiten, und sie müssen dafür einen Nachweis erhalten, und zwar mit befreiender Wirkung“.
KBV: Verantwortung der Ärzte endet beim Konnektor
Bis Mitte 2020 muss die KBV im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik eine IT-Sicherheits-Richtlinie erstellen. Darin sollen die Anforderungen klar definiert werden, erklärt KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel: Was müssen die Praxen technisch und organisatorisch tun, damit bei ihnen IT und Informationen sicher sind? Wie müssen sie die Geräte installieren lassen, um Gefahren und Störungen auszuschließen?
Aus Sicht der KBV reicht die Verantwortung der Ärzte nur bis zum Konnektor. Für diesen sei die Gematik verantwortlich und für die korrekte Installation die IT-Dienstleister. „Zertifizierte Techniker wären hier der richtige Weg“, meint Dr. Kriedel. Dabei entstehende Zusatzkosten dürften jedoch nicht auf die Praxen abgewälzt werden. Er moniert auch eine inkonsequente Digitalisierungspolitik mit mehr Bürokratie. So seien AU und Rezept künftig sowohl zu drucken als auch elektronisch zu versenden.
Eine Klarstellung fordert die KBV vom Gesetzgeber bezüglich der Videosprechstunde, nämlich dass Praxen dafür keine Datenschutz-Folgenabschätzung durchführen und keinen Datenschutzbeauftragten ernennen müssen. Dies sei perspektivisch auch für weitere telemedizinische Anwendungen wichtig.
Die KBV wartet auch schon auf die Fortsetzung des Digitale-Versorgung-Gesetzes. Denn die elektronische Patientenakte (ePA) wird sich, so wie sie derzeit konzipiert ist, für den interkollegialen Austausch medizinischer Daten kaum eignen. „Alle, die an der Behandlung beteiligt sind, müssen verlässlich alle vorhandenen relevanten Fakten kennen“, betont Dr. Kriedel. „Der durchschnittliche Patient ist mit der Frage überfordert, welche Informationen für seine Behandlung entscheidend sind.“
Deshalb werde eine interkollegiale Lösung benötigt – „mit vorheriger Zustimmung des Patienten im Sinne der DSGVO“. Sie sei auch für die Patienten notwendig, die ihre ePA nicht selbst verwalten wollen oder können. Das betrifft mindestens jeden sechsten Patienten schätzt Dr. Kriedel.
„Eher ein Untercodieren und kein Upcoding“
Vom Gesetzgeber verlangt Dr. Hofmeister noch eine weitere Klarstellung, nämlich dass „Diagnosen die Grundlage zur Ermittlung der notwendigen Versorgung sein müssen“. Er wendet sich gegen den Vorwurf, Ärzte würden Diagnosen so verschlüsseln, dass die Kassen zu viel Geld bezahlen müssten. „Wenn man uns überhaupt den Vorwurf einer ungenauen Kodierung machen kann, dann ist es eher ein Untercodieren und kein Upcoding.“
Die KBV muss bis Mitte 2020 Regeln zur Diagnosekodierung erstellen, damit vergleichbare ambulante Fälle in Praxen und Kliniken gleich kodiert werden. Das wird dann in der Praxissoftware umgesetzt und im Januar 2022 in Kraft treten.
KBV-Vertreterversammlung