Digitale-Versorgung-Gesetz: eRezept, ePA und Telemedizin sollen kommen

Gesundheitspolitik Autor: Ruth Bahners

Der Bundestag hat sich in diesem Jahr mit etlichen Gesetzen für das Gesundheitswesen zu beschäftigen. Der Bundestag hat sich in diesem Jahr mit etlichen Gesetzen für das Gesundheitswesen zu beschäftigen. © Deutscher Bundestag/Werner Schüring

Nach 15 Jahren Stillstand bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen soll nun das Digitale-Versorgung-Gesetz Wunder wirken. Anwendungen wie die elektronische Patientenakte, Apps und Telemedizin halten Einzug in den Alltag.

Wir müssen endlich machen.“ Mit diesem Leitspruch will das Bundesgesundheitsministerium (BMG) das deutsche Gesundheitswesen digital nach vorne bringen. Weg von Platz 16 im internationalen Vergleich von 17 Staaten, „wie beim Eurovision Song Contest“, verkündet Christian Klose, Leiter der Unterabteilung gematik, Telematikinfrastruktur und eHealth im BMG.

Es komme dabei nicht auf den einen großen Wurf an, sondern es gelte auszuprobieren, was gehe. Dabei setze das Ministerium jetzt klar auf die Nutzerperspektive. Der Stammdatenabgleich sei das Gegenteil davon. Klose: „Dass da keiner Lust drauf hat, ist klar.“ Trotzdem sollen in Nord­rhein-Westfalen bereits 90 % der Praxen an die Telematik-Infrastruktur angeschlossen sein.

Elektronische Patientenakte hat die höchste Priorität

Auch die Gesetzgebung werde „nicht den Ewigkeitswert eines kaiserlichen Dekrets haben“, sagt Klose. Vielmehr seien „iterative gesetzgeberische Maßnahmen“ notwendig. Das bedeutet: Dem Digitale-Versorgung-Gesetz, wie es vom Bundestag vergangene Woche in erster Lesung besprochen wurde, werden absehbar weitere Regelungen folgen.

Die elektronische Patientenakte (ePA) „steht ganz oben auf der Agenda“, betont Klose. Sie werde ab Januar 2021 für jeden der 72 Millionen gesetzlich Versicherten zur Verfügung stehen. Neben allen Daten, die der Patient zu speichern wünscht, könnten auch Impfausweis, Mutterpass, das Kinder-U-Heft und das Zahnbonusheft digital verwaltet werden. Die Ärzte werden verpflichtet, auf Wunsch des Patienten Daten sowohl der vertragsärztlichen wie auch der statio­nären Behandlung zu übertragen. Das Anlegen und Verwalten der ePA wird vergütet.

„Die ePA ist grundsätzlich zu begrüßen“, sagt KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel. Doch aufgrund der Freiheit des Patienten, selbst zu entscheiden, welche Inhalte in der ePA gespeichert bzw. einem Arzt zugänglich gemacht werden, sei die Akte als Information für die Mediziner nicht ausreichend. Diese bräuchten vollständige und tiefer gehende Informationen.

Dem kann die elektronische Fall­akte dienen. Denn die ePA sei für die intersektorale Kommunikation nicht geeignet, meint Jan Neuhaus, Geschäftsführer eHealth der Deutschen Krankenhausgesellschaft. „In der Fallakte steht drin, was für einen Versorgungsvorgang sinnvoll ist.“

Eine neue Rolle werden künftig ärztlich verordnete Apps spielen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird in einem beschleunigten Verfahren für die Zulassung von Medizinprodukten der Risikoklassen I und IIa sorgen, erläutet Klose. Innerhalb von zwölf Monaten müsse der Hersteller dann den Patientennutzen nachweisen. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe dazu keine Einwände.

Damit Ärzte Apps kompetent verordnen können, verlangt Dr. Kriedel für diese Produkte „Waschzettel“: „Wie sonst sollen sich Ärzte darüber informieren, was so eine App kann?“ Ungeklärt ist noch, ob ein Arzt verpflichtet ist, Daten aus einer App auszulesen. Auch die Haftungsfragen sind noch unbeantwortet. Klose kündigte eine Rechtsverordnung an, die die Rahmenbedingungen klären soll.

Ungelöst sei auch das Problem der Zweitdatenverwertung durch App-Anbieter wie Apple oder Google, erklärt der Hauptgeschäftsführer der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. Michael Schwarzenau. Laut Klose gibt es dazu „Gespräche mit Apple und Google“. Das BMG setze auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im nächsten Jahr, um bei diesem Problem weiterzukommen.

Erleichterungen für die Videosprechstunde

Das DVG soll auch die Telemedizin erleichtern. Ärzte, die Videosprechstunden anbieten, dürfen künftig darüber auf ihrer Internetseite informieren. Die Aufklärung durch den Arzt und das Einverständnis des Patienten sollen auch während der Onlinesprechstunde digital möglich werden. Telekonsile werden erleichtert und extrabudgetär vergütet.

„Der game changer aber wird das eRezept werden“, ist Klose überzeugt. Das dauere allerdings noch. Zunächst kommt der elektronische Medikationsplan. Er wird 2020 in Westfalen-Lippe erprobt, genauso wie der Notfalldatensatz.

Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl Josef Laumann (CDU) will, dass sinnvolle Innovationen schneller in die Regelversorgung und so allen Patienten zugute kommen. „Telnet“, das die Unterstützung von erfahrenen Intensivmedizinern in der Fläche ermög­licht, habe sich genauso bewährt wie der „Telenotarzt“. Deshalb sollten diese Angebote in die Regelversorgung aufgenommen werden. Auch die telemedizinische Vernetzung von Praxen mit Altenheimen erfordere keine weitere Erprobung.

Laumann warnt allerdings davor, die Telemedizin vor allem als Lösung für die Versorgungsprobleme auf dem Land zu sehen. Die Auffassung, die ländliche Bevölkerung könne mit Telemedizin versorgt und die Städter mit dem Arzt vor Ort, gefährde die Akzeptanz. „Telemedizin ist für die Stadt genauso sinnvoll wie fürs Land.“

eHealth.NRW