Kommunikationsstörung Stress, Hungern und exzessiver Sport können die Menstruation versiegen lassen

Autor: Maria Weiß

Hat sich nach sechs- bis zwölfmonatiger Lebensstilintervention die Menstruation nicht normalisiert, wird für einen kurzen Zeitraum eine transdermale Östrogensubstitution mit zyklischer Progesterongabe empfohlen. (Argenturfoto) Hat sich nach sechs- bis zwölfmonatiger Lebensstilintervention die Menstruation nicht normalisiert, wird für einen kurzen Zeitraum eine transdermale Östrogensubstitution mit zyklischer Progesterongabe empfohlen. (Argenturfoto) © Malik/peopleimages.com – stock.adobe.com

Etwa bei jeder dritten Frau mit sekundärer Amenorrhö im reproduktiven Alter liegt eine funktionelle hypothalamische Amenorrhö vor. Mögliche Ursachen sind häufig verhaltensbedingt und müssen für eine effektive Therapie sorgsam abgeklärt werden.

Unter funktioneller hypothalamischer Amenorrhö (FHA) versteht man ein Ausbleiben der Menstruationszyklen, das durch Störungen in der Hypothalamus-Hypophysen-Ovar(HPO)-Achse be­dingt ist. Für eine Ovulation und einen regelmäßigen Menstruationszyklus ist eine pulsatile Freisetzung von Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) und luteinisierendem Hormon (LH) erforderlich. Diese kann durch verschiedene Faktoren gestört sein, schrei­ben Dr. ­Mariam ­Saadedine und ihre Kolleginnen von der Mayo Clinic in Rochester. Man unterscheidet im Wesentlichen drei Ursachen:

  • psychosozialer Stress
  • Essstörung bzw. restriktive Nahrungsaufnahme
  • exzessive sportliche Aktivität

Oftmals liegt eine Kombination aller drei Faktoren vor. Eine genetische oder epigenetische Disposition kann zusätzlich eine Rolle spielen.
Psychosozialer Stress führt zu einer verstärkten Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Neben­nieren-Achse mit vermehrter Ausschüttung von Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH) und Cortisol. Dadurch gibt es vermutlich eine negative Rückkopplung an die Kiss­peptin-Neurone im Hypothalamus, was die Ausschüttung von GnRH drosselt.

Bei einem Missverhältnis von Energieaufnahme und -verbrauch wird die HPO-Achse ebenfalls supprimiert. Sinkt die verfügbare Energie unter eine bestimmte Schwelle, kann es bei zuvor normal menstruierenden Frauen zur Unterbrechung der LH-Pulsatilität kommen. Vermutlich stellt der Körper so bei schlechter Versorgungslage die Reproduktion zugunsten anderer physiologischer Funktionen zurück, vermuten die Autorinnen. Auch Frauen, die trotz Bulimie oder restriktiven Essverhaltens (z.B. reduzierte Fettaufnahme) ein normales Gewicht auf die Waage bringen, können eine energetische Dysbalance aufweisen. Sind Hormonhaushalt und Energiemetabolismus gestört, kann dies ebenfalls direkt zu einer Suppression der Kisspeptid-Neurone und damit zur Unterdrückung der HPO-Achse führen.

Die Folgen einer FHA beschränken sich jedoch nicht auf ausbleibende Regelblutungen. Besonders gefürchtet sind negative Auswirkungen auf die Knochengesundheit. Dies gilt insbesondere für Frauen unter 20 Jahren, die regelmäßig nicht die maximale Knochenmasse (peak bone mass) erreichen. Neben der Hypoöstrogenämie können weitere Faktoren wie eine Resistenz gegen Wachstumshormone, erhöhte Cortisol- und verminderte IGF-1*-Spiegel den Knochenstoffwechsel beeinträchtigen.

Seelische Gesundheit und Kognition in Gefahr

FHA gefährdet zudem die psychische und kognitive Gesundheit. Im Vergleich zu normal menstruierenden Altersgenossinnen sind Frauen mit FHA oft sehr perfektionistisch und stets in großer Sorge, irgendwelche Fehler zu machen und persönliche Maßstäbe nicht zu erfüllen, was den Stress zusätzlich erhöhen kann. Darüber hinaus modulieren Östrogene die Synthese und Sekretion zahlreicher Neurotransmitter – eine mögliche Erklärung für die erhöhte Rate an Depression und Angststörungen bei FHA-Patientinnen.

Auch ein gesteigertes kardiovaskuläres Risiko muss bei länger anhaltendem Östrogenmangel befürchtet werden. So wurde gezeigt, dass eine hypothlamische Hypo­östrogenämie ein starker Prädiktor für eine KHK ist.

Der häufigste Grund, den Arzt zu konsultieren,  ist für Frauen mit FHA der unerfüllte Kinderwunsch. Auch Frauen ohne Amenorrhö können an einer hypothalamischen Dysregulation leiden und infolge dessen infertil sein. Bei allen ist das Anti-Müller-Hormon als Maß für die ovarielle Reserve normal oder nur leicht erhöht – ein Indiz für die Reversibilität der Störung. Durch eine pulsatile GnRH-Gabe lässt sich oft eine Ovulation erreichen und die Chance für eine Schwangerschaft erhöhen. Allerdings muss aufgrund des oftmals ungesunden Lebensstils der betroffenen Frauen mit Schwangerschaftskomplikationen gerechnet werden.

Eine funktionelle hypothalamische Amenorrhö ist immer eine Ausschlussdiagnose. D.h., andere mögliche Ursachen einer sekundären Amenorrhö wie polyzystisches Ovarsyndrom(PCOS), primäre Ovarialinsuffizienz, Schilddrüsenstörungen und Hyperprolaktinämie sollten anhand von Laborwerten (LH, FSH, TSH) und der typischen Symptomatik ausgeschlossen werden. Das gilt natürlich auch für eine Schwangerschaft. Ein Ultraschall der Beckenorgane dient vor allem dem Nachweis eines PCOS, wobei hin und wieder auch Frauen mit FHA polyzystische Ovarien aufweisen, betonen die Autorinnen. Deutet alles auf eine FHA hin, sollten eine Essstörung und/oder exzessive körperliche Betätigung sowie eine eventuelle Stressbelastung anhand geeigneter validierter Fragebogen evaluiert werden.

Kalorien rauf, körperliche Aktivitäten runter

Die Therapie der FHA besteht vor allem in der Ausschaltung der auslösenden Ursachen. Dazu gehört eine Normalisierung der Kalorienaufnahme und der körperlichen Aktivität. Vor allem bei erhöhtem Stressniveau kann zudem eine kognitive Verhaltenstherapie sinnvoll sein.

Hat sich nach sechs- bis zwölfmonatiger Lebensstilintervention die Menstruation nicht normalisiert, wird für einen kurzen Zeitraum eine transdermale Östrogensubstitution mit zyklischer Progesterongabe empfohlen. Nach sechsmonatiger Amenorrhö sollte man die Knochenmineraldichte messen und ggf. Vitamin D und Kalzium substituieren. Wie die Autoren berichten, sind Kisspeptin-Rezeptor­agonisten ein neuer Therapieansatz. Die Forschung dazu steht aber noch ganz am Anfang.

*insulin-like growth factor 1

Quelle: Saadedine M et al. Mayo Clin Proc 2023; 98: 1376-1385; DOI: 10.1016/j.mayocp.2023.05.027