Syphilis: Okuläre Lues wird im Praxisalltag häufig verzögert erkannt
Ein 65-jähriger Pensionär sucht wegen einer therapierefraktären Uveitis die Augenklinik auf. Er gibt an, seit acht Wochen an einer beidseitigen Sehverschlechterung zu leiden, die sich trotz mehrwöchiger Therapie mit Prednisolonacetat-Augentropfen nicht gebessert hat. Die weitere Anamnese ist unauffällig. Der Rentner fühlt sich fit, nur eine „allergische“ Hautreaktion im Nackenbereich macht ihm seit einiger Zeit zu schaffen.
Lues-Serologie gehört bei unklarer Uveitis zur Routine
Professor Dr. Uwe Pleyer von der Universitäts-Augenklinik, Campus Virchow Klinikum, Berlin, beschreibt den Augenbefund wie folgt:
- Visus (mit Korrektur) rechts 0,8, links 0,63
- leichte konjunktivale Injektion beidseits (s. Abb. 1)
- Irispigmentreste auf der Linsenvorderfläche
- granulomatöse Hornhautendothelpräzipitate sowie vereinzelte Zellen in der Vorderkammer als Hinweis auf einen intraokulären Reizzustand
- weitgehend runde Pupillen nach gelösten Synechien
- leicht erhöhter Augeninnendruck (vermutlich sekundär durch die Medikation)
Bei einer unklaren Uveitis gehört die Lues-Serologie zum Routinelabor der Augenklinik. Und der Befund ist letztlich positiv. Zudem bestätigt ein Dermatologe, dass die Hautveränderungen zu einer Syphilis passen (s. Abb. 2). Die Behandlung erfolgt systemisch mit Benzathinpenicillin G und Prednisolon, woraufhin sich die Beschwerden allmählich bessern. Auch der Visus nimmt wieder zu.
Immer im Blick
Mittlerweile kommt es zu über 5000 Neuinfektionen pro Jahr
Fälle wie dieser sind im Klinikalltag keine Seltenheit. Vor allem in Großstädten hat die Zahl der Lues-Infektionen in letzter Zeit wieder deutlich zugenommen. Während es in Deutschland zwischen 2004 und 2008 bis zu 3500 Neuerkrankungen pro Jahr waren, stieg seit 2010 die Zahl kontinuierlich auf aktuell über 5000 an. Zwar erkranken nach wie vor hauptsächlich homosexuelle Männer, aber auch immer mehr Heterosexuelle infizieren sich. Die Syphilis gilt über alle Fachbereiche hinweg als Chamäleon und wird deshalb im Praxisalltag häufig verzögert diagnostiziert – so wie die okuläre Lues. Wie im Fall des 65-jährigen Patienten deutet anamnestisch oftmals nichts darauf hin, dass hinter einer Uveitis ausgerechnet Treponema pallidum stecken könnte. Die möglichen Manifestationen am Auge umfassen darüber hinaus Konjunktivitis, Keratitis sowie alle Formen der intraokulären Entzündung bis hin zur Neuritis. Nach Erfahrung von Prof. Pleyer weisen Betroffene häufig eine extraokulare Beteiligung auf wie Haut- und/oder Schleimhautveränderungen. Da viele Patienten vergessen, diese zu erwähnen, sollte man immer gezielt danach fragen.Quelle Text und Abb.: Pleyer U. Z. prakt. Augenheilkd. 2018; 39: 419-423 © Dr. Reinhard Kaden Verlag GmbH & Co KG, Heidelberg