Psychische Erkrankungen behandeln Therapie und Medikation mit App planen

Interview Autor: Joachim Retzbach

Die Patienten können zwischen den Terminen den Verlauf ihrer Erkrankung verfolgen, sie werden regelmäßig an ihren Medikationsplan und an die Therapieziele erinnert. Die Patienten können zwischen den Terminen den Verlauf ihrer Erkrankung verfolgen, sie werden regelmäßig an ihren Medikationsplan und an die Therapieziele erinnert. © fizkes – stock.adobe.com

Für schwerwiegende psychiatrische Störungsbilder wie Schizophrenie oder die bipolare Erkrankung gibt es bislang kaum digitale Therapieangebote. Die App „Recovery Cat“ soll Patienten und Ärzten bei der Behandlung dieser Krankheiten unterstützen.

Herr Dr. Kaminski, es gibt mittlerweile viele digitale Anwendungen für Patienten mit psychischen Störungen. Wie unterscheidet sich Ihre Software „Recovery Cat“ davon?

Zum einen haben wir die App für die Behandlung eher schwerer Störungsbilder konzipiert wie Schizophrenie, bipolare Störung und rezidivierende Depression. Diese Indikationen sind bei anderen Anwendungen meist ausgeschlossen. Zum anderen ist Recovery Cat keine Therapie-App im klassischen Sinn, wir bieten zum Beispiel keine verhaltenstherapeutischen Lektionen oder Übungen. Stattdessen wollen wir damit Psychiater und Patienten bei der Therapieplanung und der Medikamenteneinstellung unterstützen. Die App dient damit eher der Begleitung einer Behandlung und soll diese nicht ersetzen.

Wie funktioniert das konkret?

Zu Beginn der Nutzung vereinbaren Arzt und Patient, welche Therapieziele sie in der App festhalten möchten. Hierzu gibt es Vorlagen, aber besser ist natürlich die individuelle Ausarbeitung. Die Patienten erhalten dann regelmäßig Fragen wie: Hast du heute die Wohnung verlassen? Hast du etwas für dich gekocht? Daneben können sie täglich ihre aktuellen Krankheitssymptome und Nebenwirkungen der Medikation eintragen.

Inwiefern hilft das Ärzten und Patienten?

Im ambulanten psychiatrischen Setting vergehen zwischen den Terminen oft sechs oder acht Wochen. Das ist für beide Seiten eine lange Zeit. Die Patienten können mit der App währenddessen den Verlauf ihrer Erkrankung verfolgen, sie werden regelmäßig an ihren Medikationsplan und an die Therapieziele erinnert. Der Psychiater wiederum kann sich dann beim nächsten Termin die Einträge auf dem Smartphone der Patienten ansehen. Verläufe, etwa die Entwicklung der Symptome über die Zeit, lassen sich visualisieren. So kann man leicht Muster erkennen und drängende Probleme identifizieren.

Welche Erfahrungen gibt es bislang mit der App?

Aktuell führen wir eine Machbarkeitsstudie durch. Die quantitative Auswertung steht noch aus, aber das individuelle Feedback ist bislang sehr positiv. Die Patienten empfinden die Nutzung der App als zeitsparend. Eine Patientin meinte, dass die Anwendung sie vor der stationären Aufnahme in einer geschützten Station bewahrt habe. Sie hatte in der App ihre eigene Symptomverschlechterung verfolgt und sich daraufhin selbst in einem offenen Setting aufnehmen lassen. Das ist genau unser Anliegen: Frühzeitig gegensteuern können, bevor es zur Krise kommt.

Wer kann die Anwendung bereits nutzen?

Wir sind gerade dabei, Verträge mit Kliniken und Krankenkassen zu entwickeln. Wir freuen uns aber auch über individuelle Anfragen von Kollegen, die die App ausprobieren und uns Feedback geben möchten.

Experte: Dr. Jakob Kaminski; Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Charité – Universitätsmedizin Berlin Mitgründer von Recovery Cat
Interview: Dr. Joachim Retzbach