Tiere wie Spinne und Axolotl helfen bei der Wundversorgung
Vor allem anderen steht in der Therapie chronischer Wunden das Débridement, betonte Privatdozentin Dr. Cornelia Erfurt-Berge von der Hautklinik am Universitätsklinikum Erlangen. Mechanisch, autolytisch, enzymatisch, mittels Hydrotherapie oder Ultraschall: Vieles wurde und wird dabei probiert. Und beinahe regelmäßig kommt auch immer wieder die Biochirurgie ins Spiel.
In den USA sind Pansen- und Fischhautgewebe zugelassen
Eine bewährte Methode in diesem Geschäft sind steril gezüchtete Fliegenlarven. Im geschlossenen System oder als „Freiläufer“ kommen sie für drei Tage auf die Wunde. Mit ihrem Speichelsekret lösen sie nekrotische oder fibrinöse Beläge auf und schlucken sie weg. Außerdem haben sie eine antimikrobielle Wirkung. Zu den neueren Biomaterialien zählen zellfreie Gewebematrices aus Fischhaut oder Vormägen von Schafen. „Healing becomes a fishing business“, brachte es die Referentin auf den Punkt. Die Matrices enthalten eine Vielzahl bioaktiver Substanzen, die als Basis für Zellmigration und -proliferation dienen und sich z.B. auch für die Kombination mit einer Vakuumtherapie eignen.
Allerdings braucht man für die Anwendung einen sauberen, granulierenden Wundgrund. Die amerikanische Arzneimittelbehörde hat die Materialien bereits als Medizinprodukt zugelassen, vom Status einer Standardtherapie sind sie aber noch weit entfernt. Einen anderen vielversprechenden Ansatz bieten aus Adipozyten abgeleitete Stammzellen. Sie zeigten bereits in mehreren Studien gute Erfolge.
Spinnenseide bessert wohl die Neovaskularisation
Dr. Sarah Strauß von der Klinik für Plastische, Ästhetische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover widmete sich alten Ansätzen in neuer Erprobung. Beispiel Spinnenseide. Sie diente schon im Altertum zur Behandlung von Impetigo, Nagelbettentzündungen und chronischen Wunden. Heutzutage laufen viele Versuche damit im Bereich Tissue Engineering. Denn es ließ sich feststellen, dass Kapillaren in die Seide einwachsen können, und man geht davon aus, dass sie die Neovaskularisation günstig beeinflusst.
Laufente einer Mitarbeiterin erfolgreich geheilt
An Schafen und dem verletzten Haustier einer Mitarbeiterin – einer Laufente – zeigte sich unter der Behandlung mit Spinnenseide ein rascher Wundverschluss mit einer restitutio ad integrum. Dr. Strauß berichtete zudem von Eigenversuchen, in denen kleine Wunden durch die Therapie völlig ohne Narben heilten.
Ihre persönlichen Favoriten sind allerdings die Axolotl, die sie auch als Haustiere hält. Die Schwanzlurche besitzen tatsächlich die Fähigkeit, verlorengegangene Gliedmaßen wiederherzustellen. Außerdem schaffen sie ebenfalls eine narbenfreie Heilung. In Hannover läuft eine aufwendige Grundlagenforschung, über welche molekularen Mechanismen die kleinen Regenerationskünstler das machen und wie man sich das evtl. für den Menschen zunutze machen könnte.
Smart wird die Wunde
Gespendetes Gewebe aus der Hautbank
Darüber hinaus haben die Kollegen der Medizinischen Hochschule Hannover eine abteilungseigene Hautbank aus vitaler und kryokonservierter Spenderhaut angelegt. Mit Genehmigung des zuständigen Gewerbeaufsichtsamtes dürfen daraus seit Januar 2020 allogene Transplantationen erfolgen. Bei so vielen neuen Materialien sollte man meinen, dass es doch endlich klappen müsste mit der optimalen Wundversorgung. Doch Dr. Erfurt-Berge glaubt da eher an die Worte des ehemaligen Präsidenten der European Wound Management Association: „Nicht der Wechsel der Produkte, sondern die Organisation des richtigen Teams steigert die Chancen auf eine Heilung.“Quelle: 03. Nürnberger Wundkongress 2019