Zoonosen Tierisch infektiös
Aufgabe der öffentlichen Gesundheitsdienste ist es unter anderem, die Bevölkerung vor bakteriellen Zoonosen zu schützen, weshalb einige der Infektionen meldepflichtig sind. PD Dr. Hendrik Wilking, Abteilung für Infektionsepidemiologie am Robert Koch-Institut in Berlin, und seine Kollegen stellen die Bedeutung und gängige Transmissionswege von Zoonosen anhand einiger Beispiele vor.
Salmonellose durch kontaminierte Lebensmittel
Salmonellen befinden sich v.a. in Hühnereiern bzw. eihaltigen Produkten, die nicht ausreichend erhitzt wurden (z.B. Plätzchen, roher Kuchenteig). Auch unzureichend gegartes oder gänzlich rohes Fleisch von infizierten Hühnern oder Schweinen (z.B. Mett, Tartar) stellt eine Gefahr dar.
Meist handelt es sich um Verunreinigungen mit Salmonella enteritidis und S. typhimurium. Während die Bakterien bei den tierischen Wirten häufig keine Symptome hervorrufen, entwickeln Menschen Übelkeit, Bauchkrämpfe, Durchfälle und Fieber. Doch gibt es auch asymptomatische Infizierte, die den Erreger weiterverbreiten können. Die Diagnose gelingt über den Nachweis von Salmonella spp. im Stuhl, bei schwerer Allgemeinerkrankung auch im Blut.
Salmonellosen können große Ausbrüche verursachen, wenn Produkte von infizierten Tieren auf den Markt gelangen. Mittlerweile haben staatliche Kontrollprogramme die Häufigkeit der gramnegativen Stäbchen im tierischen Reservoir gesenkt, trotzdem war 2020 im Einzelhandel noch fast jede 20. Geflügelfleischprobe belastet. Der direkte oder indirekte Nachweis von Salmonella spp. ist bei akuten Infektionen namentlich meldepflichtig.
Lyme-Borreliose via Vektoren
Das klassische Beispiel für eine vektorübertragene Infektionskrankheit ist hierzulande die Borreliose. Spirochäten der Borrelia-burgdorferi-Gruppe befallen Zecken, die dann Menschen stechen. Kommt es zur Infektion, sind verschiedene Formen möglich: Die früh lokalisierte Infektion (Inkubationszeit 3–30 Tage) manifestiert sich in einem Erythema migrans. Eine früh disseminierte Borreliose führt nach wenigen Wochen zu Entzündungen der spinalen Meningen und Spinalnervenwurzeln oder zu einer Lyme-Karditis. Arthritiden und Dermatitiden treten als späte Manifestationen oft erst nach Monaten bis Jahren auf. Die späte Neuroborreliose ist eine ausgesprochene Seltenheit.
Nachweisbar sind spezifische Antikörper im Serum, die aber nicht unmittelbar nach der Infektion auftreten müssen. Umgekehrt gelten vorhandene Antikörper nicht zwingend als Nachweis einer akuten Erkrankung. Die Inzidenz der Lyme-Borreliose ist jährlichen und regionalen Schwankungen unterworfen. Klimatisch bedingt breiten sich Zecken und somit auch die Erkrankung immer weiter in den Norden und in höhere Lagen aus.
Eine Meldepflicht besteht nicht. Die Aufgaben des öffentlichen Gesundheitswesens umfassen:
- Dokumentation des Einflusses eines sich wandelnden Klimas auf das Infektionsgeschehen
- Versorgung der Bevölkerung und Ärzteschaft mit objektiver Information zum Thema Borreliose
- Aufklärung von Risikogruppen über Prävention (ein erhöhtes Risiko haben Personen, die sich häufig im Freien aufhalten, v.a. Kinder und Jugendliche ≤ 17 und Erwachsene > 55 Jahre), korrekte Entfernung von Zecken und arztpflichtige Symptome der Borreliose.
Ornithose nach Kontakt mit infizierten Vögeln
Patienten, die mit Lungenentzündung und grippalen Symptomen in die Praxis kommen, sollte man nach gefiederten Haustieren fragen. Denn Papageien, Sittiche und Tauben sind die Hauptwirte von Chlamydia psittaci (resp. Chlamydophila p.). Ansteckend sind die Exkremente und Sekrete infizierter Vögel. Allerdings verlaufen viele Infektionen leicht und unspezifisch und fallen somit nicht auf. Diagnostiziert wird die Ornithose anhand spezifischer Antikörper im Serum. Ausbrüche in Geflügelzuchtbetrieben sind eher selten, Mensch-zu-Mensch-Übertragungen ebenfalls. Zur Prävention sollte man bei Kontakt mit vermutlich infizierten Tieren Schutzkleidung einschließlich Mund-Nase-Maske tragen. Meldepflichtig ist der Nachweis von C. psittaci bei akuten Infektionen.
Diese Zoonosen sind nur eine kleine Auswahl der möglichen Krankheitsbilder. Ebenfalls relevant sind v.a. durch den Urin von infizierten Nagetieren übertragene Leptospirosen. Verursacher des Q-Fiebers ist wiederum das Bakterium Coxiella burnetii, das von landwirtschaftlichen Nutztieren (Schafe, Ziegen) an den Menschen weitergegeben wird.
Besondere Sorgen machen sich die Experten über zunehmende Antibiotikaresistenzen der Erreger. Die Problematik betrifft nicht nur menschliche Patienten, sondern auch erkrankte Nutztiere. Hinzu kommt, dass die Erreger zwischen Mensch und Tier hin- und herspringen: Im Jahr 2019 lag nach Schätzungen internationaler Fachgesellschaften ein guter Teil der 1,3 Mio. Todesfälle, die direkt auf das Konto von resistenten Bakterien gingen, eine Übertragung dieser Erreger durch Zoonosen zugrunde. Beispiele umfassen den methicillinresistenten Staphylococcus aureus, gegen Carbapenem resistente Escherichia coli und über Lebensmittel weitergetragene Salmonellen und Campylobacter. Wenn hier nicht Human- und Veterinärmediziner sowie Lebensmittelkontrolleure eng zusammenarbeiten, sind einer weiteren Verbreitung dieser Bakterien kaum Grenzen gesetzt, mahnen die Autoren. Die Bundesregierung fördert die Kooperation z.B. im Rahmen der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie.
Quelle: Wilking H et al. Bundesgesundheitsbl 2023; 66: 617-627; DOI: 10.1007/s00103-023-03703-6