Tuberkulose Die Milch macht’s

Autor: Sabine Debertshäuser

Die Patientin berichtete, dass sie in ihrer Jugend auf einem Bauernhof oft nicht pasteurisierte Milch getrunken hatte. Die Patientin berichtete, dass sie in ihrer Jugend auf einem Bauernhof oft nicht pasteurisierte Milch getrunken hatte. © Michael Verbeek - stock.adobe.com

Eine Frau, Landwirtin, Mitte 50, aus dem dörflichen England, litt an rechtsseitigem Unterbauchschmerz. Alles sprach für eine gewöhnliche bakterielle Appendizitis. Doch bei der OP kam eine Überraschung zutage.

Schon seit Monaten plagten die Patientin Appetitlosigkeit und Anorexie, die seit einem Jahr vorhandene Nachtschweißigkeit führte sie auf die Menopause zurück. Da sich nun auch noch Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen dazugesellten, stellte sie sich in der Klinik vor, berichten Esther Miles von der Royal Devon University und ihre Kollegen. Bei der körperlichen Untersuchung fanden die Ärzte eine Druckdolenz im rechten Unterbauch. Die Entzündungsmarker waren erhöht und das CRP lag bei 45, Fieber hatte die Frau jedoch nicht. Medikamente nahm sie bis auf eine Hormonersatztherapie keine ein. Anamnestisch war eine Herniotomie bekannt. Außerdem berichtete die Patientin, dass sie in ihrer Jugend auf einem Bauernhof oft nicht pasteurisierte Milch getrunken hatte. 

Differenzialdiagnostisch waren neben einer akuten Blinddarmentzündung auch eine gynäkologische Erkrankung oder Adhäsionen nach offener Herniotomie bis hin zum Ileus denkbar. Eine native CT von Abdomen und Becken sollte Aufschluss bringen. Aufgrund der Aufnahme stellten die Mediziner die Verdachtsdiagnose „akute perforierte Appendizitis“, starteten eine antibiotische Therapie und führten am nächsten Morgen eine notfallmäßige laparoskopische Appendektomie durch. 

Der intraoperative Befund war allerdings untypisch für eine Blinddarmentzündung. Stattdessen imponierte eine auffällige ausgedehnte Entzündung des Bauchraums. Teile der Dünndarmschlingen waren mit der rechten unteren Bauchdecke verklebt, nach Adhäsiolyse kam ein Abszess zum Vorschein. 

Der ungewöhnlich ausgedehnte Befund ließ an eine intestinale Tuberkulose denken. Die histologische Untersuchung des entnommenen Appendix bestätigte den Verdacht. Feingeweblich sah man in der Appendixschleimhaut eine ausgeprägte granulomatöse Entzündung mit zentralen Nekrosen und säurefesten Stäbchen, und die Kultur der Bauchflüssigkeit ergab Mycobacterium bovis

Die Patientin erhielt eine tuberkulostatische Therapie mit Rifampicin, Isoniazid und Ethambutol, Bauchschmerz und Appetitlosigkeit blieben aber bestehen. Sechs Monate später musste sie sich wegen intensiver abdomineller Schmerzen und Obstipation wieder einer Laparotomie unterziehen. Hierbei erfolgte eine Resektion von 60 cm ischämischem Ileum. Die Mediziner gingen von einem Zusammenhang zwischen vorheriger OP und der abdominalen Tuberkulose aus. 

Postoperativ erholte sich die Patientin rasch und konnte nach Hause entlassen werden. Im beschriebenen Fall war davon auszugehen, dass sich die Frau in ihrer Jugend durch das Trinken nicht pasteurisierter Milch mit Mycobacterium bovis infiziert hatte. Auch wenn die tuberkulöse Appendizitis mit einer Inzidenz von 0,1 – 0,3 % selten ist: Bei Patienten mit landwirtschaftlichem Hintergrund sollte man diese Erkrankung im Hinterkopf haben, so die Empfehlung der Autoren.

Quelle: Miles EL et al. BMJ Case Rep 2024; 17: e258798; DOI: 10.1136/bcr-2023-258798