Screening Chancen, Risiken und ethische Aspekte in der Diskussion

Autor: Redaktion diabetes zeitung

Wie treffsicher ist das Screening auf Typ-1-Diabetes? Wie treffsicher ist das Screening auf Typ-1-Diabetes? © Syda Productions – stock.adobe.com

Mittlerweile lässt sich durch ein Antikörperscreening bei Kindern ein künftiges Erkrankungsrisiko identifizieren. Doch welchen Nutzen hat die Früherkennung? Sind ein Screening auf Typ-1-Diabetes und eine verzögernde Therapie wirklich sinnvoll? Das war ein Thema während der Vorab-Pressekonferenz des ­Diabetes Kongresses. Auch ein Symposium beschäftigt sich mit Chancen, Nutzen und Risiken eines Screenings.  

Rund 300.000 Menschen mit Typ-1-Diabetes leben in Deutschland. Etwas mehr als 30.000 davon sind Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren. Jährlich erkranken etwa 3.000 junge Menschen neu an Typ-1-Diabetes. „Typ-1-Diabetes ist nicht heilbar, lässt sich aber mit den modernen Methoden der Insulintherapie gut behandeln“, sagt Professor Dr. med. Andreas Neu, Präsident der DDG und Kommissarischer Ärztlicher Direktor der Abteilung Neuropädiatrie, Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie an der Kinderklinik Tübingen.

„Dennoch bleibt für die Betroffenen die Belastung durch eine chronische Erkrankung. Nicht nur für die Erkrankten selbst, auch für deren Familien verändert sich mit der Diagnose das Leben oft massiv.“ In den letzten Jahren habe die Diagnostik, aber auch die Therapie des Typ-1-Diabetes bedeutende Fortschritte gemacht, erläutert Prof. Neu. Auch eine Früherkennung ist mittlerweile möglich: „Durch ein in Studien bereits durchgeführtes Antikörperscreening besteht die Möglichkeit, bei Kindern ein künftiges Erkrankungsrisiko zu identifizieren, lange bevor erste Sym­ptome auftreten und die Krankheit ausbricht. 

Es müssen noch viele offene Fragen geklärt werden 

Seit Kurzem in den USA zugelassen und in Europa beantragt ist die Gabe des monoklonalen Antikörpers Teplizumap, der in Studien die Manifestation der Erkrankung nicht verhindern, aber um einige Jahre verzögern konnte.“ 

Doch welchen Nutzen die Früherkennung für die betroffenen Kinder und deren Familien tatsächlich hat und ob ein Screening auf Diabetes Typ 1 wirklich sinnvoll sein könnte, sei derzeit unklar. „Dazu müssen noch viele offene Fragen geklärt werden – sowohl medizinisch als auch ethisch“, betont der Kinderdiabetologe. „So beispielsweise, wie treffsicher das Screening tatsächlich ist und wie mit etwaigen falsch-positiven Befunden von Betroffenen umgegangen wird, die dann mit der Belastung eines nicht vorhandenen Risikos leben.

Zum anderen sollte nicht unterschätzt werden, dass das Wissen um eine künftige Erkrankung schon im Vorfeld ihrer Entstehung eine jahrelange Bürde sein kann. Und ist der Einsatz von Teplizumap zur Krankheitsverzögerung ein Gewinn, wenn wir dafür den Einsatz einer Immunintervention mit möglichen Nebenwirkungen bei einem noch gesunden Kind in Kauf nehmen müssen? Ist eine Intervention gerechtfertigt bei einer heute gut behandelbaren Erkrankung und modernen Therapie-Optionen, die in vielen Bereichen ein nahezu normales Leben ermöglichen?“ Besonders die ethischen Aspekte müssten intensiv diskutiert werden. 

Klar ist, dass Diabetes Typ 1 bei vielen Kindern und Jugendlichen immer noch zu spät erkannt wird – häufig erst mit einer schweren und potenziell tödlichen Stoffwechselentgleisung (diabetische Ketoazidose). „Hier ist unverzichtbar, die Aufklärung von Eltern, aber auch bei Kita- und Schulpersonal zu verbessern, wie wir es mit der Kampagne zur Früherkennung des Typ-1-Diabetes machen“, sagt Prof. Neu.