Vorhofflimmern Unterwegs im Vorhof
Rhythmus- und Frequenzkontrolle wurden in der Therapie des Vorhofflimmerns (VHF) lange als gleichwertige Optionen betrachtet. Doch nicht zuletzt die EAST-AFNET-4-Studie trug dazu bei, dass sich diese Sichtweise inzwischen ändert, schreiben Dr. Leonard Bergau vom Herzzentrum Göttingen und Prof. Dr. Philipp Sommer vom Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen. In der Untersuchung schnitt die frühe Therapie mit Antiarrhythmika oder Katheterablation bei kürzlich diagnostiziertem VHF signifikant besser ab als die Frequenzkontrolle, was harte klinische Endpunkte betraf.
Ablation und Antikoagulation
Viele Ablationskandidaten nehmen dauerhaft ein orales Antikoagulans ein. Absetzen muss man das Präparat meist nicht. Stattdessen lautet die Empfehlung, NOAK oder Vitamin-K-Antagonisten (Ziel-INR am Tag des Eingriffs: 2,0–2,5) unverändert fortzuführen. Falls die morgendliche Gabe am Tag der Prozedur pausiert wird, sollte die Medikation postinterventionell schnellstmöglich wieder angesetzt werden – spätestens am Abend. Ein Heparin-Bridging gilt als obsolet.
Wer keinen Gerinnungshemmer in der Dauermedikation hat, muss nach der Katheterablation unabhängig vom CHA2DS2-VASc-Score für acht Wochen ein OAK erhalten. Die Einahme empfiehlt sich schon ab zwei Wochen vor dem Eingriff, um Verträglichkeit und potenzielle Nebenwirkungen zu klären. Im weiteren Verlauf richtet sich die Indikation für Antikoagulanzien dann wieder nach dem Risikoscore, auch wenn die Ablation langfristig zur Rhythmusstabilität geführt hat.
Vor allem bei VHF-Patienten mit Herzinsuffizienz und eingeschränkter Pumpfunktion ist die Katheterablation die Therapie der Wahl, betonen die Autoren. Eine erfolgreiche Intervention reduziert u.a. das Remodeling im Ventrikelmyokard. Darüber hinaus beeinflusst sie die Prognose: In der CASTLE-AF-Studie gingen Todesfälle und herzinsuffizienzbedingte Klinikeinweisungen gegenüber der medikamentösen Behandlung (Frequenz- oder Rhythmuskontrolle) deutlich zurück.
Radiofrequenz eignet sich für komplexe Prozeduren
Zur Pulmonalvenenisolation kommen im Alltag drei Techniken zum Einsatz. Am weitesten verbreitet ist die Radiofrequenzablation. Dabei sorgt ein hochfrequenter Wechselstrom dafür, dass sich die Metallspitze des Katheters erhitzt. An den Verödungspunkten entlang der Isolationslinie bilden sich Nekrosen im Zielgewebe. Dieses Verfahren eignet sich wegen des flexibel einsetzbaren Katheters besonders für komplexe Prozeduren wie Rezidiveingriffe oder bei begleitendem Vorhofflattern.
Ebenfalls thermisch wirkt die Kryoablation. Während der Behandlung verschließt ein Ballonkatheter selektiv das Ostium der jeweiligen Pulmonalvene. Häufig genügt ein einziger Kälteimpuls, um ein Gefäß elektrisch zu isolieren (Single-Shot-Technologie). Die Erfolgsrate lässt sich mit der des radiofrequenzbasierten Verfahrens vergleichen. Bei Patienten mit paroxysmalem VHF ergaben bereits mehreren Studien, dass die Kryoablation als First-Line-Therapie der Antiarrhythmikagabe überlegen ist.
Als jüngste und daher noch nicht so oft verwendete Technik steht die Elektroporation oder pulsed-field ablation (PFA) zur Verfügung. Hierbei schädigen wiederholte hochenergetische elektrische Impulse die Zellwand der Myozyten irreversibel. Umliegende Strukturen bleiben verschont. Der kürzlich veröffentlichten ADVENT-Studie zufolge kann dieses nicht thermische Verfahren bei paroxysmalen VHF mit den beiden thermischen mithalten.
Obwohl die PFA als gewebespezifisch gilt, ist sie nicht nebenwirkungsfrei. Wird z.B. in anatomischer Nähe zu den Koronarien verödet, kann es dort zu passageren Spasmen kommen. Die prophylaktische i.v. Gabe von Nitroglyzerin beugt dem aber effektiv vor. Zudem gibt es Fallberichte über transiente (Sekunden bis Minuten) Lähmungen des N. phrenicus. Phrenikusläsionen treten insbesondere durch die Kryoablation auf. Laut einer Erhebung liegt die jährliche Inzidenz bei 4,2 %, wobei etwa die Hälfte der Lähmungen nur während der Prozedur feststellbar ist. In den meisten Fällen erholt sich die Nervenleitung binnen eines Jahres und die Läsion bleibt ohne klinische Konsequenz.
Typische Komplikationen der Pulmonalvenenisolation (jährliche Inzidenz)
- Leistenkomplikationen (prolongierte Nachblutung, Hämatom etc.): 1,31 %
- Perikarderguss/Tamponade (meist mit transseptaler Punktion assoziiert, tendenziell seltener bei single-shot-devices als bei Tip-Kathetern): 0,78 %
- Schlaganfall/transitorische ischämische Attacke: 0,17 %
- permanente Läsion des N. phrenicus: 0,08 %
- atrioösophageale Fistel: 0,04 %
Eine schwerwiegende Komplikation der Radiofrequenz- und Kryoablation ist die atrioösophageale Fistel, die durch eine thermische Mitreaktion der Ösophagusschleimhaut entsteht.
Keine TEE bei Verdacht auf atrioösophageale Fistel!
In der Folge drohen Sepsis und Luftembolien bis hin zum Tod. Bei unklarem Fieber und einer Verschlechterung des Allgemeinzustands innerhalb der ersten sechs Wochen nach dem Eingriff sollte man an die Fistel als mögliche Ursache denken. Die Diagnose wird über eine Dünnschicht-CT mit Kontrastmittel gesichert, auf Gastroskopien oder ein transösophageales Echo sollte man unbedingt verzichten. Insgesamt ereignen sich Komplikationen aber selten, so die Autoren (siehe Kasten). Schließlich zähle die Katheterablation heutzutage zu den Routineeingriffen in der klinischen Elektrophysiologie.
Quelle: Bergau L, Sommer P. Innere Medizin 2024; 65: 29-37; DOI: 10.1007/s00108-023-01636-5