Wegen Windpocken auf der Intensivstation Verpasste Impfung vor Biologikatherapie hatte für Crohn-Patienten schwerwiegende Folgen

Viszeralmedizin 2024 Autor: Friederike Klein

Ob ein ausreichender Schutz vor Varizellen und anderen Viruskrankheiten besteht, muss vor dem Biologikastart geklärt werden. Ob ein ausreichender Schutz vor Varizellen und anderen Viruskrankheiten besteht, muss vor dem Biologikastart geklärt werden. © Science Photo Library/Marazzi, Dr. P.

Biologika sind oft schon initial heilsbringend bei einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung. Trotzdem sollte man die Therapie nicht überstürzt einleiten, sondern vorher in jedem Fall den Infektionscheck machen.

Vor Beginn der Therapie einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung mit Biologika sollten Impf- und Infektionsstatus überprüft werden. Geht das in der Hektik der klinischen Routine unter, kann das dramatische Folgen haben. Das zeigt der Fall eines 25-jährigen Patienten. Er stellte sich vor, weil er seit sechs Monaten regelmäßig im rechten Unterbauch Schmerzen und drei- bis fünfmal täglich nicht-blutige Durchfälle hatte. Er gab an, dass er vor acht Monaten eine neue Stelle angetreten habe und täglich eine halbe Schachtel Zigaretten rauche. Das Labor zeigte einen leicht verminderten Hb von 11,2 mg/dl und ein erhöhtes CRP von 1,2 mg/dl (Normwert ≤ 0,5 mg/dl). In der Sonografie war die Darmwand am ileozökalen Übergang verdickt, berichtete PD Dr. Wolfgang Reindl, II. Medizinische Klinik, Universitätsklinikum Mannheim.

Nach früherer Infektion wurde nicht gefragt

Es wurde ein Morbus Crohn diagnostiziert. Die daraufhin initiierte Therapie mit dem gegen TNF-α gerichteten Antikörper Adalimumab führte rasch zu einer Besserung, 18 Monate später wurde der Patient wegen schwerer respiratorischer Insuffizienz auf die Intensivstation der Universitätsklinik aufgenommen. Die Diagnostik ergab eine beatmungspflichtige Varizellen-Pneumonie bei Erstinfektion. Niemand hatte den Patienten vor Therapiebeginn nach einer früheren Varizellenimpfung oder -erkrankung gefragt und so wurde die fehlende Impfung auch nicht vor Behandlungsbeginn nachgeholt. Weil der Patient laut dem Referenten auch nicht auf Zeichen der Windpocken hingewiesen worden war, wartete er nach Auftreten der ersten Bläschen lange, bis er zum Arzt ging. Dadurch wurde die Therapie verzögert gestartet und es kam zur beatmungspflichtigen Pneumonie.

Vor der Therapie mit immunsupprimierenden Therapeutika sollten bei allen Betroffenen der Impfstatus und die Infektionshistorie überprüft werden, betonte Dr. Reindl. Bei nicht vollständig dokumentierten Immunisierungen empfahl er die serologische Testung auf Masernvirus, Varizellen, Cytomegalie-Virus, Epstein-Barr-Virus, Hepatitis-Viren und HIV. Bei Patientinnen und Patienten, die sich länger in Ländern mit hoher Tuberkuloseprävalenz aufgehalten haben, muss man auch an diese Infektion denken.

Dr. Reindl erinnerte zudem an die entsprechenden Empfehlungen bei chronisch-entzündlicher Darmerkrankung und Biologikatherapie. Dazu gehören Impfungen gegen Pneumokokken, HPV (bei Kindern und Jugendlichen), Influenza und SARS-CoV-2. Lebendimpfungen können unter laufender Therapie mit Biologika nicht nachgeholt werden. Dann kann als Schutzmaßnahme zumindest das Umfeld immunisiert werden. 

Quelle: Viszeralmedizin 2024