Turbo-Muskelschwund auf Intensivstation Vibrationsplatte im Bett soll das verhindern
Immobilität führt zum Verlust von Muskelmasse – und zwar drastisch: In der ersten Woche nach Aufnahme auf eine Intensivstation verringert sich die Muskelmasse um 40 %, berichtete Dr. Dr. Tobias Böselt von der Klinik für Pneumologie der Philipps-Universität Marburg. Kein Wunder also, dass sich die meisten Patienten nach Entlassung von der Intensivstation schwach fühlen. Aber auch noch ein Jahr später bestehen häufig Muskelatrophie und Belastungsintoleranz, die Lebensqualität ist eingeschränkt. Nur 49 % der Überlebenden im werktätigen Alter kehren nach einem Jahr zur Arbeit zurück, sagte Dr. Böselt.
Eine frühe Mobilisierung auf der Intensivstation ist möglich. So können selbst mechanisch beatmete Patienten bei kurzfristig reduzierter Sedierung aufgerichtet und bewegt werden. Wie die Ergebnisse einer randomisiert-kontrollierten Studie belegen, führte ein entsprechendes Vorgehen – verglichen mit der Standardbehandlung – zu einer Verbesserung der Funktion bei Entlassung, zu weniger Delir und zu mehr beatmungsfreien Tagen. Im Alltag ist diese Maßnahme aber sehr personalintensiv und kaum routinemäßig zu leisten.
Durch ein Ganzkörpertraining mit einer Vibrationsplatte, die am Ende des leicht abwärts geneigten Intensivbettes unter den Füßen des Patienten platziert wird, lässt sich wesentlich ressourcenschonender ein guter Erhalt der Muskelmasse erreichen, berichtete Dr. Böselt. Das Gerät kann problemlos auch bei intubierten Patienten eingesetzt werden. Es genügt, ab dem zweiten Intensivtag zweimal täglich für drei mal drei Minuten mit 20 bis 30 Hz zu trainieren. In einem noch nicht publizierten randomisierten Vergleich mit einer Standardintensivtherapie ohne Vibrationsplatte erwies sich das Vibrationstraining in mehrfacher Hinsicht als vorteilhaft, erläuterte der Pneumologe: Die Muskelmasse konnte vollständig erhalten werden, während sie in der Kontrollgruppe deutlich abnahm. Und die Patienten konnten etwa vier Tage früher die Intensivstation verlassen. „Wir brauchen eine SOP in der Frührehabilitation dafür“, forderte Dr. Böselt.
Kongressbericht: 63. Kongress der Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin