Vom Fortschritt ausgeschlossen Viele Menschen profitieren nicht von Diabetestechnologie

Autor: Nicole Finkenauer

Einigen Gruppen von Menschen mit Diabetes – insbesondere geriatrische Menschen und Menschen mit Behinderungen und Einschränkungen – bleibt der Zugang zu Diabetestechnologie wie CGM-Systemen oft verwehrt. Einigen Gruppen von Menschen mit Diabetes – insbesondere geriatrische Menschen und Menschen mit Behinderungen und Einschränkungen – bleibt der Zugang zu Diabetestechnologie wie CGM-Systemen oft verwehrt. © Igor Tichonow - stock.adobe.com (Generiert mit KI)

Die Diabetestechnologie hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Doch nicht alle Menschen mit Diabetes können daran teilhaben.  

Einigen Gruppen von Menschen mit Diabetes – insbesondere geriatrische Menschen und Menschen mit Behinderungen und Einschränkungen – bleibt der Zugang zu Diabetestechnologie wie CGM-Systemen oft verwehrt. Darauf wies Dr. Dorotha Reichert hin, Tagungspräsidentin der Diabetes Herbsttagung, Fachärztin für Innere Medizin und Diabetologin DDG in der Diabetesschwerpunktpraxis Drs. Reichert & Hinck in Landau und Fachliche Leitung der Diabetologie im Klinikum Landau.

Bei der Umsetzung der UN-Konvention hapert es 

Sie machte darauf aufmerksam, dass 2009 in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft getreten ist, die u. a. das Recht auf Barrierefreiheit beinhaltet. Aber: „Schaut man sich den Statusbericht 2023 an, wird recht schnell klar, dass wir bei der Umsetzung bisher nicht bei den in der Diabetologie täglich auflaufenden Problemen angekommen sind.“ Sie sieht mehrere Probleme:

  • Im Krankenhaus wird häufig das Basalinsulin nicht gegeben bzw. „die Insulinpumpe wird einfach abgenommen, was zu lebensbedrohlichen Ketoazidosen führt“. Sie fordert deshalb die Schulung und Weiterbildung des Pflegepersonals in Kliniken und auch z. B. in Altenheimen, damit Diabetes-technologie (weiterhin) genutzt werden kann. Solche Fort- und Weiterbildungen werden von der DDG angeboten, aber nicht ausreichend wahrgenommen.
  • CGM, Pumpen und AID würden vielen Menschen „eine zufriedenstellende Stoffwechselführung ermöglichen“. Aber, so Dr. Reichert, „es gibt weder barrierefreie Glukosesensoren noch barrierefreie Insulinpumpen“. Hier ist u. a. die Sprachausgabe für CGM-Systeme zu nennen, die z. B. blinde Menschen benötigen würden.
  • Wer darf CGM-Sensoren nutzen? Der G-BA, so Dr. Reichert, „trägt hier zur Exklusion von Menschen mit Behinderung bei“. Denn im Beschluss zur Sensornutzung zu Lasten der GKV fordere der G-BA, dass nur Patient*innen, die den Zeitpunkt und die Zusammensetzung der Mahlzeit selbst frei festlegen und die Dosierung des Mahlzeiteninsulins steuern, ein Anrecht auf die Kostenübernahme haben. „Das führt insbesondere bei Menschen mit Pflegebedarf dazu, dass sie die für sie teils so wichtige Möglichkeit zum Schutz vor schweren Hypoglykämien nicht erhalten.“
  • Menschen mit ADHS oder einer beginnenden Demenz würden enorm von moderner Diabetestechnologie profitieren, können aber „die vom Medizinischen Dienst geforderten Dokumentationen zu ihrem Alltag mit Erfassung von Essen, Zuckerhöhe, Insulinmenge, aber auch Faktoren wie Sport etc. nicht in der geforderten Qualität vorlegen“.
    Was tun? Dr. Reichert fordert politische Regelungen (s. Kasten) und „eine Überprüfung und Korrektur der Anforderungen, die an Menschen mit Behinderung oder im Bereich der Geriatrie gestellt werden“, um diese Menschen nicht vom medizinischen Fortschritt auszuschließen.

Quelle: Vorab-Pressekonferenz Diabetes Herbsttagung