Myokarditis Von asymptomatisch bis fulminant

Autor: Dr. Andrea Wülker

Rechts im Bild: MRT des Herzens mit subepikardialer Signalanhebung der lateralen Wand als Zeichen einer Myokarditis. Rechts im Bild: MRT des Herzens mit subepikardialer Signalanhebung der lateralen Wand als Zeichen einer Myokarditis. © IHERPHOTO – stock.adobe.com; Science Photo Library/Cavallini, James

Viren, Bakterien, Schadstoffe sowie eine (Auto-)Aktivierung des Immunsystems können zu einer Entzündung des Herzmuskels führen. Therapeutisch stehen Komplika­tionen wie Herzinsuffizienz und Rhythmusstörungen im Vordergrund.

Zur globalen Inzidenz der Myo­karditis liegen nur Angaben aus der Zeit vor der COVID-19-Pandemie vor. Demnach lag sie geschätzt bei einem bis zehn Fälle pro 100.000 Personen und Jahr. Das höchste Risiko wies die Altersgruppe der 20- bis 40-Jährigen auf und Männer waren häufiger betroffen, schreibt Dr. ­­Cristina ­­Basso vom Department of Cardiac, Thoracic, and Vascular Sciences and Public Health der Universität Padua. Während der Pandemie bestand ein großes öffentliches Interesse an dem Zusammenhang zwischen Myokarditis und COVID-19 bzw. ­mRNA-Impfungen gegen SARS-CoV-2 (s. Kasten).

COVID-19 und der Herzmuskel

Während der Coronapandemie wurde berichtet, dass von 1.000 Patienten, die wegen COVID-19 hospitalisiert worden waren, 4,1 Fälle eine definitive, wahrscheinliche oder mögliche Myokarditis aufwiesen. Eine mit der mRNA-Corona-Impfung assoziierte Myokarditis wurde in den USA und Israel bei 0,3 bis 5,0 Fällen pro 100.000 Personen festgestellt. Die FDA und die EMA schätzen, dass etwa eine von 100.000 Personen, die gegen COVID-19 geimpft wurden, eine Myokarditis entwickelt, wobei junge Männer ein erhöhtes Risiko aufweisen.

Neben Virusinfektionen gibt es jedoch zahlreiche andere Ursachen für eine Entzündung des Herzmuskels. Für manche Personengruppen und in manchen Regionen spielen Erreger wie Corynebacterium diphtheriae, Borrelia burgdorferi oder Trypanosoma cruzi eine Rolle.

Eine Aktivierung des Immunsys­tems aus anderen Gründen kommt ebenfalls als Auslöser infrage, etwa Autoimmunität bei Sarkoidose oder Immunstimulation durch Impfungen. Daneben nennt Dr. Basso die Exposition gegenüber Toxinen oder schädlichen Substanzen als Einflussfaktor.

Myokarditis als Nebenwirkung einer Krebstherapie möglich

Auch verschiedene Medikamente wurden schon mit der Entstehung einer Myokarditis in Verbindung gebracht, darunter Antipsychotika, zytotoxische Substanzen, Impfstoffe und Salizylate. Immuncheckpoint-Inhibitoren, die zur Therapie fortgeschrittener Krebserkrankungen eingesetzt werden, können zu sys­temischen immunvermittelten Nebenwirkungen führen, darunter eine potenziell lebensbedrohliche Myokarditis. Heute weiß man zudem, dass bestimmte genetische Faktoren die Entwicklung der Herzmuskelentzündung begünstigen.

Klinisch kann sich die Myokarditis in vielen Formen äußern. Zu den Symptomen zählen:

  • Thoraxschmerzen
  • eine neu auftretende oder sich verschlechternde Herzinsuffizienz
  • chronische Herzinsuffizienz
  • lebensbedrohliche hämodynamische Störung (d.h. fulminante Myokarditis mit kardiogenem Schock und stark eingeschränkter linksventrikulärer Funktion)
  • schwere Rhythmus- oder Reizleitungsstörungen

Das klinische Erscheinungsbild erlaubt Rückschlüsse auf die Prognose. Bei reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion, Herzinsuffizienz, anhaltenden ventrikulären Arrhythmien oder kardiogenem Schock besteht ein erhöhtes Risiko für eine notwendig werdende Herztransplantation und Tod. Regis­terdaten von Patienten mit akuter Myokarditis zeigen jedoch, dass die meisten Fälle einen unkomplizierten Verlauf aufweisen.

Über viele Jahrzehnte galt die Endo­myokardbiopsie diagnostisch als Goldstandard. In den letzten 20  Jahren hat sich die Abklärungsroutine dank neuer Möglichkeiten (v.a. hochsensitives Troponin und kardiale MRT) jedoch verändert. Im klinischen Alltag genügt heute zur Dia­gnosestellung in den meisten Fällen eine Kombination aus Symptomatik, Labortests und Bildgebung.

In der Therapie der Myokarditis steht das leitlinienkonforme Management von Arrhythmien und Herzinsuffizienz im Vordergrund. Eine hämodynamisch stabile Herzinsuffizienz sollte mit Diuretika, ACE-Hemmern oder Angiotensinrezeptorblockern und Betablockern behandelt werden. Persistiert das Pumpversagen trotz adäquater Therapie, ist die zusätzliche Gabe von Aldosteronantagonisten zu erwägen, schreibt Dr. Basso.

Patienten mit hämodynamisch instabiler Herzinsuffizienz benötigen inotrope Substanzen, wobei die Behandlung auf einer Intensivstation erfolgen und die Verlegung in ein Zentrum der Tertiärversorgung erwogen werden sollte. Erkrankte, die in den kardiogenen Schock kommen und eine schwere, nicht auf Medikamente ansprechende ventrikuläre Dysfunktion aufweisen, brauchen unter Umständen eine mechanische Kreislaufunterstützung mit einem ventrikulären Herzunterstützungssystem oder eine extrakorporale Membranoxygenierung.

Begleitarrhythmien gemäß der Leitlinie behandeln

Für begleitende Rhythmus- oder Reizleitungsstörungen gibt es keine spezifischen Empfehlungen. Nach der Akutphase sollten sie entsprechend der aktuell dafür vorhandenen Leitlinien behandelt werden. Für einige Formen der Entzündung stehen krankheitsspezifische Therapien zur Verfügung, beispielsweise eine Immunsuppression bei Myokarditis im Rahmen einer Sarkoidose.

Quelle: Basso C. N Engl J Med 2022; 387: 1488-1500; DOI: 10.1056/NEJMra2114478