Myokarditis Von asymptomatisch bis fulminant
Zur globalen Inzidenz der Myokarditis liegen nur Angaben aus der Zeit vor der COVID-19-Pandemie vor. Demnach lag sie geschätzt bei einem bis zehn Fälle pro 100.000 Personen und Jahr. Das höchste Risiko wies die Altersgruppe der 20- bis 40-Jährigen auf und Männer waren häufiger betroffen, schreibt Dr. Cristina Basso vom Department of Cardiac, Thoracic, and Vascular Sciences and Public Health der Universität Padua. Während der Pandemie bestand ein großes öffentliches Interesse an dem Zusammenhang zwischen Myokarditis und COVID-19 bzw. mRNA-Impfungen gegen SARS-CoV-2 (s. Kasten).
COVID-19 und der Herzmuskel
Während der Coronapandemie wurde berichtet, dass von 1.000 Patienten, die wegen COVID-19 hospitalisiert worden waren, 4,1 Fälle eine definitive, wahrscheinliche oder mögliche Myokarditis aufwiesen. Eine mit der mRNA-Corona-Impfung assoziierte Myokarditis wurde in den USA und Israel bei 0,3 bis 5,0 Fällen pro 100.000 Personen festgestellt. Die FDA und die EMA schätzen, dass etwa eine von 100.000 Personen, die gegen COVID-19 geimpft wurden, eine Myokarditis entwickelt, wobei junge Männer ein erhöhtes Risiko aufweisen.
Neben Virusinfektionen gibt es jedoch zahlreiche andere Ursachen für eine Entzündung des Herzmuskels. Für manche Personengruppen und in manchen Regionen spielen Erreger wie Corynebacterium diphtheriae, Borrelia burgdorferi oder Trypanosoma cruzi eine Rolle.
Eine Aktivierung des Immunsystems aus anderen Gründen kommt ebenfalls als Auslöser infrage, etwa Autoimmunität bei Sarkoidose oder Immunstimulation durch Impfungen. Daneben nennt Dr. Basso die Exposition gegenüber Toxinen oder schädlichen Substanzen als Einflussfaktor.
Myokarditis als Nebenwirkung einer Krebstherapie möglich
Auch verschiedene Medikamente wurden schon mit der Entstehung einer Myokarditis in Verbindung gebracht, darunter Antipsychotika, zytotoxische Substanzen, Impfstoffe und Salizylate. Immuncheckpoint-Inhibitoren, die zur Therapie fortgeschrittener Krebserkrankungen eingesetzt werden, können zu systemischen immunvermittelten Nebenwirkungen führen, darunter eine potenziell lebensbedrohliche Myokarditis. Heute weiß man zudem, dass bestimmte genetische Faktoren die Entwicklung der Herzmuskelentzündung begünstigen.
Klinisch kann sich die Myokarditis in vielen Formen äußern. Zu den Symptomen zählen:
- Thoraxschmerzen
- eine neu auftretende oder sich verschlechternde Herzinsuffizienz
- chronische Herzinsuffizienz
- lebensbedrohliche hämodynamische Störung (d.h. fulminante Myokarditis mit kardiogenem Schock und stark eingeschränkter linksventrikulärer Funktion)
- schwere Rhythmus- oder Reizleitungsstörungen
Das klinische Erscheinungsbild erlaubt Rückschlüsse auf die Prognose. Bei reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion, Herzinsuffizienz, anhaltenden ventrikulären Arrhythmien oder kardiogenem Schock besteht ein erhöhtes Risiko für eine notwendig werdende Herztransplantation und Tod. Registerdaten von Patienten mit akuter Myokarditis zeigen jedoch, dass die meisten Fälle einen unkomplizierten Verlauf aufweisen.
Über viele Jahrzehnte galt die Endomyokardbiopsie diagnostisch als Goldstandard. In den letzten 20 Jahren hat sich die Abklärungsroutine dank neuer Möglichkeiten (v.a. hochsensitives Troponin und kardiale MRT) jedoch verändert. Im klinischen Alltag genügt heute zur Diagnosestellung in den meisten Fällen eine Kombination aus Symptomatik, Labortests und Bildgebung.
In der Therapie der Myokarditis steht das leitlinienkonforme Management von Arrhythmien und Herzinsuffizienz im Vordergrund. Eine hämodynamisch stabile Herzinsuffizienz sollte mit Diuretika, ACE-Hemmern oder Angiotensinrezeptorblockern und Betablockern behandelt werden. Persistiert das Pumpversagen trotz adäquater Therapie, ist die zusätzliche Gabe von Aldosteronantagonisten zu erwägen, schreibt Dr. Basso.
Patienten mit hämodynamisch instabiler Herzinsuffizienz benötigen inotrope Substanzen, wobei die Behandlung auf einer Intensivstation erfolgen und die Verlegung in ein Zentrum der Tertiärversorgung erwogen werden sollte. Erkrankte, die in den kardiogenen Schock kommen und eine schwere, nicht auf Medikamente ansprechende ventrikuläre Dysfunktion aufweisen, brauchen unter Umständen eine mechanische Kreislaufunterstützung mit einem ventrikulären Herzunterstützungssystem oder eine extrakorporale Membranoxygenierung.
Begleitarrhythmien gemäß der Leitlinie behandeln
Für begleitende Rhythmus- oder Reizleitungsstörungen gibt es keine spezifischen Empfehlungen. Nach der Akutphase sollten sie entsprechend der aktuell dafür vorhandenen Leitlinien behandelt werden. Für einige Formen der Entzündung stehen krankheitsspezifische Therapien zur Verfügung, beispielsweise eine Immunsuppression bei Myokarditis im Rahmen einer Sarkoidose.
Quelle: Basso C. N Engl J Med 2022; 387: 1488-1500; DOI: 10.1056/NEJMra2114478