Kiefernprozessionsspinner Von Eichen, Kiefern und Nachtschwärmern
Hierzulande ist der Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processionea) der am weitesten verbreitete Verursacher einer Raupendermatitis. Regional begrenzt kommt auch der Kiefernprozessionsspinner (Thaumetopoea pinivora) als „Täter“ infrage. Er ist überwiegend entlang der Ostseeküste sowie zunehmend auch in Regionen mit intensiver Kiefernbewirtschaftung in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern anzutreffen.
Während der Eichenprozessionsspinner seine Nester nahe am Stamm und an starken Ästen von Eichen positioniert, findet man die Nester des Kiefernprozessionsspinners an peripheren, sonnenexponierten kronennahen Ästen von Kiefern. Ein weiterer Unterschied ist der Ort der Verpuppung. Der Eichenprozessionsspinner verlässt sein Nest nicht, der Kiefernprozessionsspinner geht in den Boden und vepuppt sich in einer Tiefe von 8 bis 20 cm.
Die Raupen und Larven der beiden Nachfalterarten sind von April bis Juli aktiv. Sie besitzen Brennhaare (Toxophore), die ein Protein enthalten, das bei Kontakt mit der Haut eine Raupendermatitis (Erucismus) auslösen kann. Sie äußert sich als mechanisch irritative und pseudo-allergische Hautreizung mit Papeln und Erythemen. Hinzu kommt ein Juckreiz, der bei mechanischer oder thermischer Hautreizung (z.B. Duschen) zunimmt. Selten kommt es zu anaphylaktischen Reaktionen bis hin zum Schock. Zu den wichtigen Differenzialdiagnosen gehören Exantheme aufgrund anderer allergische, toxischer, viraler und insektenübertragener Ursachen sowie ein Pemphigoid im Frühstadium.
Oberfeldarzt Dr. Ingo Teufelhart vom Sanitätsunterstützungszentrum Berlin veranschaulichte die Raupendermatitis anhand eines Falles im Rahmen einer militärischen Übung in einem bewaldeten Areal in Brandenburg, bei der die Teilnehmer zu Fuß unterwegs waren. Bei etwa 90 der rund 250 eingesetzten Soldaten trat innerhalb von vier Tagen eine Raupendermatitis durch Haare des Kiefernprozessionsspinners auf. „Das Krankheitsbild einer Raupendermatitis ist rein medizinisch betrachtet keine große Herausforderung.“, fasst er grob zusammen. Es kommt in der Regel nicht zu schweren lebensbedrohlichen Zuständen. Die Schwere der Reaktion erfolgt durch eine orientierende Untersuchung und Expositions- bzw. Patientenanamnese (gezielt nach allergischer Disposition).
Die medikamentösen Behandlungsoptionen umfassen orale Antihistaminika und topische Kortikoide. Um den Juckreiz zu lindern, setzte Dr. Teufelhart im beschriebenen Fall zunächst auf ein nebenwirkungsarmes Antihistaminikum Desloratadin. Bei Betroffenen mit schwerem und ausgeprägtem Juckreiz schwenkte er auf Fexofenadin um. Die medikamentöse Therapie kann nach Bedarf um Dosieraerosole und systemische Glukokortikoide erweitert werden, fügt er hinzu.
Zusätzlich gilt es, die weitere Exposition bei diesen Personen zu minimieren. Darüber hinaus sind weitere hygienische Maßnahmen sinnvoll. Hierzu zählt es, nach einer Exposition die Kleidung zu wechseln, zu duschen und die Haare zu waschen. Die kontaminierten Kleidungsstücke sollten beispielsweise in einer Plastiktüte separiert und später bei 60 Grad getrennt gewaschen werden.
„Hautreaktionen führen beim Betroffenen und der Umgebung schnell zur Stigmatisierung“, warnte Dr. Teufelhart. Bei Hautjuckreiz gehen Personen im Umfeld oft unterschwellig von einer Ansteckungsgefahr aus. Zudem sei eine an den Patienten angepasste Kommunikation bei der Patientenbehandlung unbedingt erforderlich, da Symptome über etwa drei bis zehn Tage bestehen bleiben können.
Quelle: Teufelhart I. Wehrmedizinische Monatsschrift 2024; 68: 88-94; DOI: 10.48701/opus4-259 © Beta Verlag & Marketinggesellschaft mbH, Bonn