GU-Tumoren Von PCa-Biomarkern bis hin zur Stellung der TURBT
Prostatakarzinom
„Zur PSMA-PET-Bildgebung haben wir mittlerweile eine ganze Reihe hochakkurater Tracer verfügbar“, sagte Prof. Dr. Ken Herrmann vom Uniklinikum Essen.1 Neben drei Liganden mit FDA-Zulassung gebe es einen, der ausschließlich von der EMA zugelassen wurde. Für fünf weitere Tracer sind Phase-3-Studien in Planung oder laufen bereits. „Sie werden alle sehr gut vom Tumor aufgenommen und haben wenig Hintergrund“, erläuterte Prof. Herrmann.
Gegenüber dem konventionellen Imaging erzielte die PSMA-PET in der Phase-3-Studie ProPSMA signifikant akkuratere Ergebnisse. Und das nicht nur im Hinblick auf die Sensitivität (85 % vs. 38 %), sondern auch bei der Spezifität (98 % vs. 91 %), betonte der Referent. Als Fallstricke nannte er neben einem Bedarf an Standardisierung, dass es beim Tracer 18F-PSMA-1007 in gut der Hälfte der Fälle zu einer unspezifischen Aufnahme in die Knochen kommt. Ein weiteres Problem sei die klinische Interpretation der PSMA-PET-Befunde.
Aktuell fehlt es dazu an Daten– die gängigen Klassifikationen und Therapieempfehlungen basieren auf konventionellem Imaging. Prof. Herrmann rief dazu auf, molekulare Bildgebung in alle neuen Studien zu integrieren.
Wie per PSMA-PET als M1a eingestufte Personen behandelt werden sollten, diskutierten Prof. Dr. Christopher Sweeney vom South Australian Immunogenomics Cancer Institute in Adelaide und Dr. Henk van der Poel vom Netherlands Cancer Institute in Amsterdam. Prof. Sweeney riet, die Erkrankung als „M1“ aufzufassen und mit Androgendeprivation (ADT) plus AR-Signalhemmern (ARSI) zu behandeln.2 Wenn Patient:innen das wünschten, zusätzlich noch per Bestrahlung der Prostata. In diesem frühen Stadium sei der Krebs noch besser behandelbar und möglicherweise heilbar, lautete seine Argumentation.
Laut Prof. van der Poel sollte die Krankheit als „M0“ angesehen und möglichst nicht-systemisch angegangen werden.3 Je nach Lokalisation komme ggf. auch ein metastasengerichtetes Vorgehen in Betracht. Durch die PSMA-PET gebe es deutliche Verschiebungen bei der Diagnostik, mit teils mehr als verdreifachten Inzidenzen. Das Gros der Studienergebnisse stamme aus der Prä-PSMA-Ära. „Die ADT-Daten aus PEACE-1 oder SEER besitzen für den M1a-Status im Prinzip keine Aussagekraft.“
Über Biomarker für die klinische Einordnung von Prostatakrebs sprach Prof. Dr. Brian F. Chapin vom MD Anderson Cancer Center in Houston.4 Zwar sei mittlerweile ein großes Spektrum an Markern für verschiedene Krankheitsstadien beschrieben, den derzeitigen EAU-Richtlinien zufolge sollten sie jedoch nicht routinemäßig angeboten werden; nur wenn im Einzelfall z.B. in Bezug auf Risikogruppe und aktive Überwachung klinisch umsetzbare Informationen erhoben werden sollen. „Die neuen NCCN-Richtlinien enthalten eine übersichtliche Tabelle zu Biomarkern, in der u.a. gelistet ist, ob sie prädiktiv oder prognostisch sind“, erklärte der Referent.
Es sei viel über genetische Tests zur Früherkennung gesprochen worden, erläuterte Prof. Chapin. „Für mich stellt sich aber vor allem die Frage, welchen Nutzen sie zur Bewertung der Patient:innenpopulationen mit mittlerem und hohem Risiko haben könnten.“ Für das PCa mit intermediärem Risiko sei z.B. der 22-Gen-Classifier Decipher beschrieben worden, der prognostisch für distale Metastasen und das PCa-spezifische Überleben war. Um zu klären, ob die laut Classifier als Niedrigrisiko-Patient:innen eingestuften Personen neben der Radiatio von einer zusätzlichen ADT profitieren, wurde eine prospektive, randomisierte Folgeuntersuchung initiiert. Ebenso läuft für das sogenannte Artera-AI-Modell, das ebenfalls eine Vorhersage zur Notwenigkeit einer ADT liefert, eine prospektive Validierung.
Mit der GUNS*-Studie untersuchen Forschende für das Hochrisiko-PCa außerdem, ob mit zielgerichteten Therapien zusätzlich zu LHRHa + ARPI synthetische Lethalitäten genutzt werden können. Bis die laufenden Validierungen abgeschlossen sind, sei „skeptischer Optimismus“ angebracht, sagte Prof. Chapin.
Technik der Zukunft
Interessante technische Entwicklungen gebe es sowohl in den Bereichen MRT, CT wie auch TURBT, so Prof. Panebianco: MRT-Bilder würden mit digitaler Pathologie und KI kombiniert; TURBT mit photodynamischer Diagnose und die Photon-counting-CT erlaube eine gute Gewebecharakterisierung.
Blasenkrebs
Die größte Kontroverse beim Blasenkarzinom betraf die Stellung der transurethralen Blasen-resektion (TURBT). Prof. Dr. Valeria Panebianco von der Sapienza Universität Rom vertrat die Ansicht, für das Staging solle auf den eher problematischen Eingriff komplett verzichtet werden.5 „Mein Vorschlag: Die TURBT sollte einzig mit therapeutischer Absicht erfolgen.“ Für diagnostische Zwecke liefere das Vi-RADS-Staging per MRT alle nötigen Informationen.
Dass vorrangig die MRT genutzt werden sollte, spiegelt sich auch in Empfehlungen verschiedener Fachkommissionen wider, betonte die Referentin; etwa dem Delphi-Konsensus oder den neuen EAU-Richtlinien. „Angenommen wir machen für das Staging zuerst eine MRT. Bei Vi-RADS 1 oder 2 kommt die TURBT nur thera-
peutisch zum Einsatz, bei Vi-RADS 3 und 4 nur, wenn das Staging bestätigt werden soll. Und bei Vi-RADS 5 erfolgt zur Sicherung der Diagnose eine Biopsie. Wie viele TURBT haben wir dann eingespart?“, fragte sie. Natürlich habe auch die MRT-Bildgebung ihre Grenzen, räumte Prof. Panebianco ein.
Als Befürworter der TURBT sprach Prof. Dr. Antoine van der Heijden vom Radboud University Medical Center in Nijmegen.6 Er wies darauf hin, dass mit der meistgenutzten Methode, der CT, nicht zwischen Stadium T1 bis T3a differenziert werden könne. Ein direkter Vergleich zwischen TURBT und mpMRT plus Biopsie beim MIBC werde aktuell in den Niederlanden randomisiert untersucht. Für die Studie wird bis 2028 rekrutiert. Zu den Endpunkten zählen das PFS nach zwei Jahren, Zeit bis zur definitiven Therapie, QoL und Kosteneffektivität. „Bis weitere Ergebnisse vorliegen, ist es essenziell, die TURB durchzuführen“, mahnte er.
Nierenkarzinom
In der Diskussion zum Nierenkrebs sprachen sich je ein Referent für ein konventionelles bzw. molekulares Imaging aus. Prof. Dr. Jean-Christophe Bernhard vom Universitätsklinikum Bordeaux beschrieb als Vorteil der herkömmlichen Bildgebung ihre Verlässlichkeit und bessere Verfügbarkeit gegenüber neuen Modalitäten.7 Als Defizit nannte er das ungenaue Staging zweier eher seltener Klassifikationen: N1 und pT3a. Diese Schwäche könne durch neue, auf Künstlicher Intelligenz basierende Vorhersagemodelle ausgeglichen werden. Auch könnten aus CT-Bildern generierte „Augmented Reality“-Darstellungen bei der Operation eingeblendet werden.
Trotz dieser technischen Entwicklungen sah Prof. Dr. Dr. Peter Mulders vom Radboud University Medical Centre in Nijmegen einen ungedeckten Bedarf bei der Einschätzung, ob kleine Nierenmassen gut- oder bösartig sind.8 Der gegen den ccRCC-Marker CAIX gerichtete molekulare PET-Tracer 89Zr-DFO-Girentuximab erreichte in einer internationalen Studie bei knapp 300 Patient:innen eine Sensitivität von 85,5 %, die Spezifität betrug 87 %. „Wenn dieser Test positiv ausfällt, kann man sicher sein, dass es Krebs ist“, fasste Prof. Mulders die technischen Daten zusammen.
* Genomic Umbrella Neoadjuvant Study
Quellen:
1. Herrmann K. 39th Annual EAU Congress; Vortrag: „Advantages and pitfalls of molecular imaging“
2. Sweeney C. 39th Annual EAU Congress; Vortrag: „Treat as M1“
3. Van der Poel HG. 39th Annual EAU Congress; Vortrag: „Treat as M0“
4. Chapin BF. 39th Annual EAU Congress; Vortrag: „Are biomarkers better?“
5. Panebianco V. 39th Annual EAU Congress; Vortrag: „No need for TURB, Vi-RADS makes the diagnosis“
6. Van der Heijden A. 39th Annual EAU Congress; Vortrag: „TURB is mandatory before any treatment“
7. Bernard JC. 39th Annual EAU Congress; Vortrag: „Evaluation with conventional imaging is enough“
8. Mulders P. 39th Annual EAU Congress; Vortrag: „Evaluation with molecular imaging is the way to go“