Voreingenommenheit verursacht jeden dritten ärztlichen Fehler
Eine Voreingenommenheit (Bias) im diagnostischen Prozess kann gravierende Schäden verursachen, schreiben der in Hamburg niedergelassene Internist Dr. Andreas Klinge und seine Kollegen. Eine typische Fehlerquelle ist beispielsweise, dass man zuerst oder besonders schnell an etwas denkt, was man gerade erlebt oder gesehen hat. Im schlimmsten Fall kann es dadurch passieren, dass die eine Diagnose nur gestellt wird, weil die Symptome der vorangegangenen stark ähneln. Ein anderes Beispiel sind Fehler, die entstehen, weil die Prävalenz nicht berücksichtigt wird. So ist ein Pankreaskarzinom bei einem 60-jährigen Patienten eine wahrscheinlichere Erstdiagnose als ein Typ-1-Diabetes.
In ihrer Analyse betrachtete das Team Berichte der Norddeutschen Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen genauer und prüfte, auf welche kognitiven Verzerrungen sich die Fehler zurückführen ließen. In 85 % der Sachverhalte bei dem ein „Denkfehler“ identifiziert werden konnte – insgesamt 34 der 100 Fälle – schlossen Kollegen den diagnostischen Prozess zu früh ab, waren sich einer Diagnose ohne hinreichende Evidenz zu sicher oder handelten überstürzt, statt weitere Informationen zu sammeln oder abzuwarten.
Irrtümern kann man oft entgegenwirken
In anderen Fällen wurden Befunde, die den eigenen Verdacht bestätigten, stärker gewichtet als solche, die diesen unwahrscheinlicher machen – eine häufige Tücke z.B. in der Inneren Medizin. Manche Ärzte hingegen suchten die Schuld beim Patienten.
Häufig kann man Fehlern durch Voreingenommenheit entgegenwirken. Und zwar, indem man ein Bewusstsein dafür entwickelt, dass alle Informationen am Ende durch kognitive Verzerrungen verfälscht werden (können), schreiben die Autoren. Für die ärztliche Entscheidungsfindung bedeute das, gegebenenfalls den analytischen statt den schnellen Weg des Denkens zu wählen.
Kurse für Internisten und Allgemeinmediziner sinnvoll
Allerdings müssen hierfür Existenz und Relevanz dieser Verzerrungen, die kaum Teil des Medizinstudiums oder der ärztlichen Fort- und Weiterbildung sind, bekannter werden, fordern Dr. Klinge und Kollegen. Insbesondere in den konservativen Fächern, wie der Inneren- und Allgemeinmedizin, auf die in der Auswertung 62 % der Fehler durch kognitive Verzerrungen fielen, seien Kurse, wie es z.B. das UKE in Hamburg anbietet, diesbezüglich sinnvoll.
Quelle: Klinge A et al. Hamburger Ärzteblatt 2019; 12: 30-32