Vom Chaos zum Takt Vorhofflimmern behandeln und Komplikationen vorbeugen
Wer braucht gerinnungshemmende Medikamente zur Schlaganfallprävention; welche anderen Maßnahmen sind wann indiziert?
Schätzungen zufolge waren 2021 über 52 Millionen Menschen von Vorhofflimmern (VHF) und -flattern betroffen– Tendenz steigend. Männer leiden etwas häufiger unter der Herzrhythmusstörung als Frauen. Mit dem Alter erhöht sich das Risiko bei beiden Geschlechtern, schreibt ein Forscherteam um Dr. Darae Ko von der Harvard Medical School in Boston, USA.
Als weitere Risikofaktoren gelten Rauchen, Übergewicht, Hypertonie, Diabetes, Herzinsuffizienz und ein Myokardinfarkt. Auch Alkoholkonsum (mehr als ein Standardgetränk pro Tag oder Rauschtrinken), Schlafapnoe und Hyperthyreose erhöhen die Wahrscheinlichkeit für VHF. Körperliche Aktivität vermindert die Gefahr im Vergleich zur sitzenden Lebensweise, auch wenn männliche Ausdauersportler eher ein erhöhtes Risiko haben. VHF ist mit Komplikationen wie Schlaganfall, Herzinsuffizienz, Herzinfarkt und einer erhöhten Mortalität assoziiert.
Zu den typischen Symptomen des Vorhofflimmerns zählen Palpitationen, Dyspnoe, Brustschmerzen, Belastungsintoleranz und Fatigue. 10 bis 40 % der Betroffenen gelten jedoch als asymptomatisch; das VHF wird zufällig entdeckt beispielsweise mittels EKG oder Wearables. Ein zunächst asymptomatischer Verlauf tritt eher bei Männern und älteren Menschen auf.
Bei neu diagnostiziertem VHF sollte eine Echokardiografie erfolgen, um mögliche Ursachen wie Herzklappenerkrankungen zu ermitteln und potenzielle Folgeerscheinungen z. B. eine ventrikuläre Funktionsstörung nachzuweisen. Die Labordiagnostik umfasst u. a. die Analyse der Schilddrüsenwerte.
Bei fehlenden oder leichten Symptomen und Personen ohne Herzinsuffizienz, Ischämie oder ventrikulären Rhythmusstörungen kann das Management in der Regel ambulant erfolgen. Eine notfallmäßige Einweisung kann bei hämodynamischer Instabilität oder stark symptomatischem VHF erforderlich sein.
Man unterscheidet zwischen vier Stadien:
- Stadium 1: Vorliegen möglicher Risikofaktoren wie Adipositas oder VHF in Familienanamnese
- Stadium 2: Vorstufe, bei der z. B. Vorhofpathologien vorliegen oder es zu nicht-anhaltenden Rhythmusstörungen kommt (z. B. atriale Hochfrequenzepisoden (AHRE) oder Vorhofflattern)
- Stadium 3: Vorhofflimmern
3a: paroxysmal (konvertiert innerhalb von sieben Tagen)
3b: persistierend (besteht länger als sieben Tage)
3c: langanhaltend persistierend (besteht länger als ein Jahr)
3d: nach erfolgreicher Ablation - Stadium 4: permanentes Vorhofflimmern
In den Stadien 1 und z. T. auch 2 wird eine alleinige Primärprävention mit Lebensstiländerungen wie Gewichtsabnahme, Rauchstopp, Reduktion des Alkoholkonsums und mehr Bewegung sowie eine Optimierung der Therapie von Hypertonie und Diabetes empfohlen. Bei länger anhaltenden AHRE (≥ 24 h) und Risiko einer Thromboembolie von mindestens 2 % pro Jahr kann im Stadium 2 bereits eine orale Antikoagulation in Erwägung gezogen werden.
Im Stadium 3 wird eine orale Antikoagulation empfohlen, wenn das jährliche Risiko für ein thromboembolisches Ereignis ≥ 2 % im Jahr liegt. Dies entspricht einem CHA2DS2-VASc-Score von ≥ 2 bei Männern und ≥ 3 bei Frauen. Auch nach einer erfolgreichen Ablation sollte die orale Antikoagulation über mindestens weitere drei Monate erfolgen. Direkte orale Antikoagulanzien (DOAC) sollten gegenüber Vitamin-K-Antagonisten bevorzugt werden – außer bei moderater bis schwerer Mitralstenosen und mechanischen Herzklappen. Eine ASS-Monotherapie ist keine Alternative.
Von der Rhythmuskontrolle profitieren eher jüngere Menschen sowie Personen mit einer kürzeren VHF-Vorgeschichte oder moderater Symptomlast sowie Patientinnen und Patienten, bei denen die Frequenzkontrolle nur einen geringen Effekt hatte. Die Rhythmuskontrolle kann mittels Antiarrhythmika wie Dofetilid, Dronedaron, Propafenon, Flecainid und Amiodaron oder mit einer Katheterablation erfolgen.
Eine Frequenzkontrolle erreicht man mit Betablockern oder Kalziumantagonisten (z. B. Diltiazem oder Verapamil). Sie bietet sich vor allem für ältere Menschen, bei chronischem VHF, bei geringer Symptomlast sowie beim Versagen der Rhythmuskontrolle an.
Quelle: Ko D et al. JAMA 2024; doi: 10.1001/jama.2024.22451