Abwarten oder gleich ins MRT? Wann Rückenschmerzen bilddiagnostisch abgeklärt werden müssen

Autor: Angelika Bischoff

Zu den red flags gehören u. a. ein vorangegangenes Trauma, eine Osteoporose und eine laufende Steroidtherapie. Zu den red flags gehören u. a. ein vorangegangenes Trauma, eine Osteoporose und eine laufende Steroidtherapie. © deagreez - stock.adobe.com

Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten Beschwerden in der ärztlichen Praxis. Studien haben gezeigt, dass „Red Flags“ entscheidend sind, um gefährliche Ursachen wie Tumoren, Infektionen oder Frakturen frühzeitig zu erkennen. Bildgebung wird nur bei klaren Hinweisen eingesetzt.

In der Praxis vergeht kaum ein Tag, ohne dass sich eine Patientin oder ein Patient mit Rückenschmerzen vorstellt. Von einer Bildgebung sollte man zunächst absehen, es sei denn, „Red Flags“ sind vorhanden. Sie erfordern eine zügige Abklärung.

Beim Erstkontakt mit Rückenschmerzleidenden geht es darum, durch eine eingehende Anamnese und gezielte klinisch-neurologische Untersuchung zwischen somatoformen, spezifischen und unspezifischen Rückenschmerzen zu unterscheiden, schreiben Dr. Martin Nüssel und PD Dr. Thorsten Klink vom Medizincampus Oberfranken der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen. Einige „Red Flags“ weisen auf eine potenziell gefährliche Ursache hin (siehe Kasten) und erfordern eine bilddiagnostische Abklärung

Zu den red flags gehören u. a. ein vorangegangenes Trauma, eine Osteoporose und eine laufende Steroidtherapie. In diesen Fällen muss eine Wirbelkörperfraktur ausgeschlossen werden. Zunächst genügt dafür ein konventionelles Röntgen der LWS in zwei Ebenen. Komplexere Verletzungen sollten auch mittels MRT untersucht werden. Damit lassen sich auch Bandscheiben, Ligamente und Myelopathien beurteilen. Außerdem braucht man MRT-Bilder zur Planung einer eventuellen Operation

Rote Flaggen beim Rückenschmerz

  • sensible Defizite, Paresen, Blasen- oder Mastdarmschwäche,
  • Hinweise auf eine Tumorerkrankung, Wirbelsäulendeformitäten,
  • Osteoporose,
  • kurz zurückliegende Wirbelsäulenverletzungen,
  • Langzeittherapie mit Steroiden oder Immunsuppressiva,
  • Drogenabusus,
  • allgemeine Infektionssymptome,
  • Schmerz, der sich in Ruhe verstärkt,
  • Verschlechterung unter konservativer Therapie,
  • Alter unter 20 oder über 55 Jahre.

Auch spinale Infektionen gehen mit Rückenschmerzen einher. Unter anderem bergen infiltrative Therapien an den Wirbelgelenken ein Risiko dafür. Seltener gelangen Erreger auf hämatogenem Weg in die Wirbelsäulenstrukturen. Fieber, Schüttelfrost, eine kurz zurückliegende bakterielle Infektion, intravenöser Drogenabusus und starke nächtliche Schmerzen sind Hinweise auf eine spinale Infektion als Ursache von Rückenschmerzen. Zur Bildgebung am besten geeignet ist in diesem Fall das MRT, das auch epidurale Abszesse gut sichtbar macht. 

Dermatombezogene Schmerzen, die z. B. in ein Bein ausstrahlen, müssen rasch mittels MRT abgeklärt werden. Noch dringlicher ist dies, wenn ein Cauda-equina-Syndrom mit plötzlichen Blasen- oder Mastdarmstörungen und perinealen Gefühlsstörungen auftritt. Am häufigsten werden Radikulopathien durch Bandscheibenprotrusionen oder -extrusionen ausgelöst. 

Auf Tumoren an der Wirbelsäule weisen höheres Lebensalter und B-Symptomatik hin. Auch wenn der Schmerz in Rückenlage zunimmt oder nachts besonders stark wird, sollte dies ein Anlass für eine Bildgebung zum Tumorausschluss sein. Die häufigsten Tumoren im Bereich der Wirbelsäule sind Metastasen oder ein multiples Myelom, selten handelt es sich um primäre Knochentumoren. Schmerzen verursachen dabei vor allem Höhenminderungen von Wirbelkörpern und pathologische Wirbelkörperfrakturen. Wenn das Rückenmark durch Fragmente komprimiert oder durch Tumorweichteile infiltriert wird, treten neurologische Ausfälle auf. Am besten darstellbar sind solche Prozesse mittels MRT. Neoplasien lassen sich mit CT oder PET-CT erkennen. 

Besteht ein Verdacht auf eine ankylosierende Spondylitis, sollte ein Becken-MRT veranlasst werden, das auch ein spezielles Protokoll zur Untersuchung des Iliosakralgelenks einschließt. Denn bevor die typischen axialen knöchernen Veränderungen auftreten, fallen im MRT entzündliche Prozesse am Iliosakralgelenk und der Wirbelsäule auf. 

Bei einem Großteil der Patientinnen und Patienten mit Rückenschmerzen liegen jedoch keine „Red Flags“ vor, betonen die Autoren. Eine bildgebende Diagnostik sollte bei unspezifischen Rückenschmerzen erst durchgeführt werden, wenn diese länger als sechs Wochen persistieren. Behandelt werden unspezifische Rückenschmerzen mit einer adäquaten konservativen Schmerztherapie und Physiotherapie. Auch psychosoziale Faktoren, die auf die Schmerzsymptomatik erheblichen Einfluss haben, sind in das therapeutische Konzept mit einzubeziehen.

Quelle: Nüssel M, Klink T. MMW Fortschr Med 2024; 166: 56-62; DOI: 10.1007/s15006-024-4302-8