Corona Rückenschmerzen statt Erkältung
Die Klinik von COVID-19 ist sehr variabel: Das Spektrum reicht von asymptomatischen Verläufen bis zum fulminanten Multiorganversagen. Doch auch Lumbalgien können auf eine COVID-19-Pneumonie hindeuten, berichten Julia Jaeger vom Thonbergklinik MVZ-Notfallzentrum in Leipzig und Kollegen. Sie schildern den Fall eines 49-jährigen Mannes, der sich in der chirurgischen Notfallsprechstunde mit seit neun Tagen progredienten Thorakolumbalgien vorstellte.
Außer einem medikamentös eingestellten Hypertonus war der Patient gesund. Insbesondere litt er weder an respiratorischen Infektzeichen noch an Kopf-, Muskel- oder Gliederschmerzen oder gastrointestinalen Beschwerden. Er hatte jedoch innerhalb weniger Tage deutlich an Gewicht verloren und bei der körperlichen Untersuchung fiel eine leichte Dyspnoe auf. Es stellte sich heraus, dass die Kurzatmigkeit etwa gleichzeitig mit den Rückenschmerzen begonnen und ebenfalls an Stärke zugenommen hatte, den Patienten subjektiv aber nicht sehr beeinträchtigte.
Patient kam auf die Intensivstation
Laborchemisch waren Entzündungsparameter, Kreatinin, Kreatinkinase (CK), Laktatdehydrogenase (LDH) und D-Dimere erhöht. Das Thoraxröntgenbild zeigte basal betonte, aber ubiquitär verteilte feinfleckige Verschattungen im Sinne einer ausgeprägten Pneumonie. Eine PCR aus einem Nasenrachenabstrich fiel positiv für SARS-CoV-2 aus. Aufgrund einer raschen Verschlechterung des klinischen Zustands musste der Patient im Universitätsklinikum Leipzig intensivmedizinisch behandelt werden. Nach 13 Tagen konnte er wieder aus der Klinik entlassen werden, seine Rückenschmerzen waren im Verlauf ohne besondere Therapie verschwunden.
Als Ursache der Rückenschmerzen kamen verschiedene Möglichkeiten in Betracht, wobei die Autoren in diesem Fall Inaktivität oder unspezifische Myalgien ausschlossen. Eine weitere Option wäre eine pleuritische Reizung durch die basal betonte Pneumonie gewesen – wogegen jedoch die fehlende Atemabhängigkeit der Schmerzen sprach. Stattdessen vermutete man einen direkten Einfluss durch SARS-CoV-2. Es wird diskutiert, dass das Virus auch in Skelettmuskelzellen eindringen und diese schädigen kann. Durch nachfolgende Hypoxie, vermehrte Glykolyse und LDH-Anstieg sinkt der pH-Wert im Zytosol. Ein niedriger intrazellulärer pH-Wert in der Muskulatur wird mit der Entstehung von Rückenschmerzen in Zusammenhang gebracht, z.B. über die Reizung von Nervenwurzeln oder einen erhöhten Muskeltonus. Zu dieser Theorie passen den Autoren zufolge auch die erhöhten LDH- und CK-Werte des Patienten.
Rückenschmerzen kommen im ärztlichen Alltag außerordentlich häufig vor. Um so wichtiger ist es, differenzialdiagnostisch auch an seltene bzw. ungewöhnliche Ursachen wie z.B. COVID-19 zu denken. Anamnese und klinische Untersuchung sind in diesem Fall das wichtigste Handwerkszeug des Klinikers, betonen sie.
Quelle: Jaeger J et al. Dtsch Med Wochenschr 2021; 146: 1571-1575; DOI: 10.1055/a-1668-8539