Klärwerke Corona ist nah am Wasser gebaut
Mangelhafte Ausstattung der Gesundheitsämter, unzureichende Digitalisierung und eine hohe Dunkelziffer von asymptomatischen Infektionen – die Einschätzung der realen Infektionslage hat sich in der Corona-Pandemie als schwierig erwiesen.
Eine Möglichkeit zur Verbesserung könnte die sogenannte Abwasserepidemiologie sein, wie Tierärztin Oberstveterinär Dr. Katalyn Roßmann von der Abteilung Medical Intelligence & Information des Kommandos Sanitätsdienst der Bundeswehr in München und Kollegen erläutern. In der Umweltwissenschaft wurden Untersuchungen des Abwassers aus Privathaushalten bisher schon dazu eingesetzt, um z.B. den Gebrauch von Drogen oder Medikamenten in einem Siedlungsgebiet abzuschätzen. Die Verbreitung von Infektionserregern kann damit aber ebenfalls erfasst werden – einschließlich genotypischer Eigenschaften wie Mutationen oder Resistenzgene.
Dies gilt genauso für SARS-CoV-2, das von Infizierten auch über den Stuhl ausgeschieden wird. Im Abwasser erfasst man die Viren mittels PCR quantitativ. Im März 2021 hat die EU-Kommission allen Mitgliedstaaten ein flächendeckendes Abwassermonitoring als zusätzliches Instrument in der Pandemiebekämpfung empfohlen.
Im Berchtesgadener Land mit rund 106.000 Einwohnern geht man diesen Weg bereits seit Oktober 2020, als die Infektionszahlen rasant stiegen. Die zweimal in der Woche vorgenommene Probenentnahmen erfolgen in neun Klärwerken und an drei zusätzlichen Stellen der Kanalisation. Dadurch können 95 % der Gesamtbevölkerung erfasst werden.
Krisenmanagement proaktiv und effektiv anpassen
Um Verdünnungseffekte z.B. durch Regen- oder Tauwetter abzubilden, werden die SARS-CoV-2-Daten mit der Last von anderen Viren mit bekannter stabiler Konzentration im Abwasser abgeglichen. Eine Auswertung der Daten zeigt, dass durch die Abwasseruntersuchungen Änderungen im Infektionsgeschehen ca. zehn Tage vor dem Anstieg der offiziellen Fallzahlen zu erkennen sind.
Durch die Einzugsgebiete der Kläranlagen lassen sich die Infektionen einzelnen Gemeinden zuordnen. So habe man ein Frühwarnsystem und könne das Krisenmanagement proaktiv und effektiv anpassen, schreiben die Autoren. Ihrer Ansicht nach eignet sich dieses Vorgehen auch als Blaupause für andere Regionen in Deutschland.
Quelle: Roßmann K et al. Bundesgesundheitsbl 2021; DOI: 10.1007/s00103-021-03425-7