Vibrationsbedingte Durchblutungsstörungen Was Schwingungen am Arbeitsplatz anrichten können
Etwa 1,5 Millionen Werktätige in Deutschland sind an ihrem Arbeitsplatz Schwingungen ausgesetzt. Diese können auf verschiedenen Wegen die Durchblutung der Hände beeinträchtigen, erklärte Prof. Dr. Stephan Letzel vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Mainz. Die akuten Wirkungen hängen neben der Frequenz auch von Schwingungsrichtung, Amplitude, Greifkraft, Andruckkraft und Umgebungstemperatur ab.
Prof. Letzel stellte einen 29-jährigen Steinmetz bzw. Steinbildhauer vor. Er arbeitete mit Werkzeugen, die hochfrequente Schwingungen auslösen, z.B. Schleif-, Polier- und Bohrmaschinen. Seit fünf Jahren litt er unter einer zunehmenden Raynaud-Symptomatik, inzwischen ganzjährig unabhängig von der Arbeit unter Kälteeinfluss. Feinmotorische Tätigkeiten, z.B. ein Hemd zuknöpfen, bereiteten ihm immer mehr Probleme. „Das ist ein klassisches Beispiel für ein vibrationsbedingtes vasospastisches Syndrom“, so Prof. Letzel. Als Berufskrankheit heißt es offiziell „vibrationsbedingte Durchblutungsstörungen an den Händen“.
Die Hälfte der Fälle wird als Berufskrankheit anerkannt
Pathophysiologisch vermutet man eine vibrationsbedingte Hypertrophie der Gefäßmuskulatur, unter Kälteeinfluss kommt es dann zur Vasokonstriktion. Wurde früher nur etwa jede Fünfte dieser Durchblutungsstörungen nach der Anzeige als Berufskrankheit anerkannt, ist es inzwischen fast die Hälfte.
Am Arbeitsplatz verursachte Durchblutungsstörung können aber auch auf mechanischer Gewalteinwirkung beruhen. Prof. Letzel berichtete über einen 52-jährigen Dreher mit einer seit Jahren bestehenden Raynaud-Symptomatik an D IV und V rechts. Der Mann setzte nach dem Beginn der Beschwerden gehäuft die linke Hand ein, ein paar Jahre später begannen dort an D III und IV die gleichen Veränderungen. Fünfzehn Jahre nach den ersten Krankheitszeichen trennte sich der Mann beim Schleifen eine Fingerkuppe ab. Die Wundheilung verlief nur zögerlich, was zur angiologischen Abklärung und schließlich zu der Diagnose eines Hypothenar-Hammer-Syndroms (HHS) führte.
Das HHS entsteht durch einmalige oder wiederholte stumpfe Gewalt auf Hohlhand, Handkante, Kleinfinger (Hypothenar), z.B. durch vibrierende Arbeitsgeräte. Beschädigt wird die distale A. ulnaris im Bereich des Hakenfortsatzes des Os hamatum. Es kommt zu Intimaläsionen, Aneurysmata, Dissektionen und thrombotischen Verschlüssen. Bei Schädigung der distalen A. radialis über dem Os scaphoideum resultiert entsprechend ein Thenar-Hammer-Syndrom (THS). Je nachdem, welche individuellen Anastomosen bestehen, machen sich die Durchblutungsstörungen an unterschiedlichen Stellen bemerkbar.
Berufsgruppen, die das (Hypo-)Thenar-Hammer-Syndrom treffen kann*: | |
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Beide Syndrome sind als Berufskrankheit anerkannt, die Definition lautet: Gefäßschädigung der Hand durch stoßartige Krafteinwirkung. Und auch in diesen Fällen wird heutzutage die Hälfte aller Anzeigen anerkannt. Eine Dosis-Wirkungs-Beziehung besteht nicht, vielmehr hängt die Entwicklung von Faktoren wie der individuellen Disposition, der Stärke der Gewalt oder der ergonomischen Gestaltung des Arbeitsplatzes ab. „Schon ein einziger Schlag kann als Auslöser genügen“, betonte Prof. Letzel.
Zur Sicherung der Diagnose sollte sono- bzw. angiografisch ein Aneurysma oder Verschluss der betroffenen Arterie nachgewiesen werden. Zudem gilt es, Krankheiten mit ähnlicher Symptomatik (z.B. Vaskulitiden, Weichteiltumore, vibrationsbedingte Vaskulopathien) auszuschließen.
Für lokale Lyse und Prostanoide fehlen Wirksamkeitsdaten
Therapeutisch muss in der Akutphase umgehend eine Heparinisierung eingeleitet werden, erklärte Dr. Peter Klein-Weigel von den Kliniken für Angiologie und Diabetologie am Helios Klinikum Berlin-Buch. Über die Effektivität einer lokalen Lyse via Katheter gibt es nur Einzelfallberichte. Gegen die Durchblutungsstörungen können Prostanoidinfusionen (z.B. Ilomedin) eingesetzt werden, wenngleich auch hierzu Wirksamkeitsdaten fehlen. Eine adäquate Schmerzlinderung gelingt mit NSAR und Opioiden, ggf. über einen Plexuskatheter. In Einzelfällen kann man eine mikrochirurgische Versorgung, z.B. einen mikrovaskulären Bypass, erwägen.
In der chronischen Phase brauchen die Patienten Schutz vor mechanischen Belastungen und Kälte, u.a. durch Handschuhe/-wärmer. Medikamentös kommen Vasodilatatoren, Kalziumkanalblocker, PDE-5-Hemmer, repetitive Prostanoidinfusionen, Plättchenhemmer sowie Antikoagulantien bei persistierender Emboliequelle infrage. Außerdem muss vonseiten der Berufsgenossenschaft die Berufsfähigkeit geprüft werden.
Quelle: Kongressbericht 51. DGA*-Jahrestagung
*Deutsche Gesellschaft für Angiologie