Kapillarmikroskopie deckt Durchblutungsstörungen an den Akren auf
Wenig Aufwand und kein Risiko: Mit diesen Faktoren kann die Kapillarmikroskopie punkten. Sie erlaubt die Untersuchung großer Populationen sowie die Schulung vieler Anwender. Außerdem gibt es inzwischen standardisierte Begriffe und Zuordnungen, die den breiten Einsatz des Verfahrens und eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse ermöglichen, schreiben Dr. Oliver Sander, Poliklinik und Funktionsbereich für Rheumatologie am Universitätsklinikum Düsseldorf, und Professor Dr. Cord Sunderkötter, Universitätsklinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in Halle/Saale.
Als klassische Indikation gilt das Raynaud-Phänomen, vor allem, wenn es neu auftritt. Dabei geht es darum, eine zugrunde liegende Kollagenose aufzuspüren. Haben mehr als 95 % der Kapillaren in der Nagelfalz einen schmalen Scheitel (Haarnadel oder torquiert) und liegen sie normal dicht (> 7 pro Millimeter), ist die Wahrscheinlichkeit dafür sehr gering und es reicht eine Kontrolle nach zwei Jahren. Bleibt der Befund unauffällig, muss keine weitere Untersuchung mehr folgen.
Megakapillaren deuten auf frühe systemische Sklerose hin
Megakapillaren, Kapillarverlust und Blutungen (ohne vorangegangene mechanische Belastung) sprechen dagegen für ein sekundäres Raynaud-Phänomen. Büschelkapillaren zeigen ebenfalls eine Schädigung der Mikrozirkulation an, sind aber einfach Zeichen einer Neoangiogenese und damit unspezifisch.
Gerade Megakapillaren mit mehr als 50 µm Durchmesser deuten auf eine frühe systemische Sklerose als Grunderkrankung hin, vor allem, wenn gleichzeitig spezifische Antikörper z.B. gegen Zentromer (ACA) oder Topoisomerase (Scl-70-Antikörper) vorliegen. In diesen Fällen sollte die Untersuchung regelmäßig wiederholt werden. Sinkt die Kapillardichte ab, muss man mit einem baldigen klinischen Ausbruch rechnen.
Wie geht das?
Automatisiertes Verfahren für das Screening geeignet
Die Dichte der Kapillaren als solidester Prädiktor lässt zudem Rückschlüsse auf drohende digitale Ulzerationen, Organkomplikationen und Mortalität zu. Nach einer Stammzelltransplantation bessert sich der Befund, die Technik eignet sich damit ebenso zur Verlaufskontrolle nach der Intervention. Auch andere Kollagenosen führen zu pathologischen Kapillarmorphologien, allerdings in bunter Vielfalt. Daraus ließen sich bisher noch keine klaren Muster ableiten, auffällige Befunde sollten aber immer Anlass zur weiteren Diagnostik geben. Mithilfe einer automatisierten Erfassung und Auswertung kann man die Kapillarmikroskopie in den nächsten fünf Jahren sicherlich als Screeninginstrument für (alle) Kollagenosen verwenden, spekulieren die Autoren. Möglicherweise gelingt es dann auch, eine systemische Sklerose früher zu erkennen und die Prognose zu bessern.Quelle: Sander O, Sunderkötter C. „Kapillarmikroskopie – wann, wie und wofür?“, Akt Dermatol 2020; 46: 143-147; DOI: 10.1055/a-1072-6739 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart, New York