Raynaud-Syndrom

Definition

Das Raynaud-Syndrom bezeichnet episodisch auftretende Vasospasmen und Ischämien der Extremitäten als Reaktion auf Kältereize oder emotionale Auslöser.

Das Raynaud-Syndrom kann isoliert primär oder sekundär im Zusammenhang mit verschiedenen Erkrankungen auftreten. In 10 bis 20 % aller Fälle stellt es die Erstmanifestation einer Bindegewebserkrankung oder Mischkollagenose dar.

Bei folgenden Erkrankungen kann ein sekundäres Raynaud-Phänomen ausgelöst werden:

Rheumatologische Erkrankungen

  • systemische Sklerose (Raynaud-Phänomen bei bis zu  90 % der Betroffenen, bei 30 % führendes Symptom)
  • gemischte Bindegewebserkrankungen (85 %)
  • systemischer Lupus erythematodes (40 %)
  • Dermatomyositis oder Polymyositis (25 %)
  • rheumatoide Arthritis (10 %)
  • Sjögren-Syndrom
  • Vaskulitis

Hämatologische Erkrankungen

  • Polycythaemia rubra vera
  • Leukämie
  • Thrombozytose
  • Kälte-Agglutinin-Krankheit (Mykoplasmeninfektionen)
  • Paraproteinämien
  • Protein-C-Mangel, Protein-S-Mangel, Antithrombin-III-Mangel
  • Faktor-V-Leiden-Mutation
  • Hepatitis B und C (assoziiert mit Kryoglobulinämie)

Arterielle Verschlusskrankheiten

  • externe neurovaskuläre Kompression, Karpaltunnelsyndrom, Thorax-Outlet-Syndrom
  • Thrombose
  • Thrombangiitis obliterans (M. Bürger)
  • Embolie
  • Arteriosklerose (häufigste Ursache bei Männern über 50)

Weitere prädisponierende Faktoren können sein:

  • Arbeit mit vibrierenden Maschinen (Kettensäge, Presslufthammer)
  • Stromverletzungen oder Erfrierungen der Hand
  • Rauchen

Auch verschiedene Medikamente können zur Prädisposition beitragen oder das Phänomen verschlimmern. Dazu gehören:

  • Betablocker
  • Chemotherapeutika
  • Ergot-Derivate
  • Östrogene
  • Clonidin
  • Sympathomimetika
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Symptomatik

Bei einer Raynaud-Attacke kommt es nach einem Kältereiz oder emotionalem Stress zu einem charakteristischen dreiphasigen Farbwechsel von Weiß (Ischämie) über Blau (Sauerstoffmangel) zu Rot (Wiederherstellung der Blutversorgung). Dies kann mit Schmerzen einhergehen.

Mit Abstand am häufigsten sind die Finger betroffen. Auslöser ist oft eher der plötzliche Temperaturwechsel von warm zu kalt als ein absoluter Temperaturwert. Auch im Sommer kann das Phänomen somit ausgelöst werden – z.B. beim Betreten klimatisierter Räume oder bei Anfassen einer kalten Flasche.

Folgende Faktoren sprechen eher für ein primäres Raynaud-Syndrom:

  • jüngeres Alter (< 30 Jahre)
  • weibliches Geschlecht
  • positive Familienanamnese (bei ca. 30 %)
  • keine Hinweise auf eine verursachende Erkrankung
  • keine Gewebsnekrosen oder Gangrän
  • normale BSG und negative Antineutrophilen-Antikörper

Hinweise auf ein sekundäres Raynaud-Syndrom sind:

  • höheres Alter
  • Hinweise auf eine zugrundeliegende Erkrankung
  • gespannte Haut an den Fingern, stärkere Schmerzen
  • digitale Ischämie (Gangrän, Nekrosen)
  • abnorme Nagelfalzkapillaren
  • erhöhte BSG
  • positive Antineutrophilen-Antikörper oder nukleäre Antikörper
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Untersuchung

Bei der Anamnese sollten nach Häufigkeit der Attacken, auslösenden Ursachen, Medikamenteneinnahme und weiteren betroffenen Familienmitgliedern gefragt werden.

Die erweiterte Anamnese dient vor allem dazu, Hinweise auf möglicherweise auslösende Erkrankungen zu erhalten. Dazu gehören z.B. Fragen nach Hautauschlägen, Lichtsensibilität, Migräne, Gelenkschmerzen, Geschwüren, Dysphagie und Xerostomie.

Auch bei der körperlichen Untersuchung sollte auf mögliche Anzeichen für auslösende Erkrankungen mit sekundärem Raynaud-Phänomen geachtet werden.

Labor

Beim primären Raynaud-Syndrom ist in der Regel keine Blutuntersuchung erforderlich.

Bei Verdacht auf sekundäre Formen:

  • komplettes Blutbild zum Ausschluss von Anämie und Lymphopenie
  • antinukleärer Antikörper (ANA), extrahierbarer nukleärer Antikörper (ENA), Anti-Scl-70-Antikörper, Anti-Ro-Antikörper (SS-A) und Anti-LA-Antikörper (SS-B)
  • Entzündungsmarker

Negative Ergebnisse der Laboruntersuchungen können eine sekundäre Ursache des Raynaud-Phänomens jedoch nicht ausschließen.

Bei Patienten mit einseitigem Raynaud-Phänomen sollte mittels Röntgenthorax eine Zervikalrippe mit Gefäßkompression ausgeschlossen werden. Bei Verdacht auf ein Thoracic-Outlet-Syndrom wird ein MRT empfohlen.

Weitere Untersuchungen bei sekundärem Raynaud-Syndrom sind:

  • Infrarotthermografie
  • Laser-Doppler-Flowmetrie
  • Radiometrie
  • digitale Plethysmografie
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Differenzialdiagnostik

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Pharmakotherapie und nichtinvasive Therapie

Die meisten Patienten mit primärem Raynaud-Syndrom sprechen gut auf Allgemeinmaßnahmen an und benötigen oft keine weitere Therapie.

Dazu können gehören:

  • Vermeidung auslösender Kältereizen und Nässe (Handschuhe, Handwärmer etc.)
  • Vermeidung von emotionalem Stress (evtl. Entspannungsmethoden, Biofeedback)
  • während der Attacke windmühlenartiges Schwenken der Arme oder warmes Wasser
  • kein Tragen von Taschen mit Henkeln
  • Rauchverzicht

Medikamentöse Therapien sollten schweren Fällen vorbehalten werden und umfassen:

  • Kalziumkanalblocker
  • Alphaadrenerge Antagonisten (Prazosin, Doxazosin, Terazosin)
  • topische Nitrate (limitiuerte Evidenz)
  • Phosphodiesterase-5-Inhibitoren (bei sekundären Formen)
  • Prostaglandine ( (Iloprost i.v. über 5 Tage, bei schwerem sekundärem Syndrom)
  • Losartan
  • evtl. Bosentan (bei ansonsten refraktären Formen)
  • evtl. Statine
Invasive und Interventionelle Therapie

In Einzelfällen mit schweren behindernden Symptomen können chirurgische Eingriffe wie arterielle Konstruktion, periphere Sympathektomie, Embolektomie oder Debridement von Ulcera (auch in Kombination) indiziert sein.

Von einer zervikalen Sympathektomie wird heute abgeraten.

Prävention

Eine spezielle Prävention ist nicht bekannt.

Quellen

1. Goundry Beth, Bell Laura, et al.: Diagnosis and management of raynaud’s phenomenon, BMJ 2012;344:e289

2. Harrissons Innere Medizin, 20. Auflage 2020; ISBN 978-3-13-243524-7

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