Varikosis
Bei der Krampfadererkrankung (Krampfaderleiden, primäre Varikosis) handelt es sich um eine degenerative Erkrankung der Venenwand im oberflächlichen Venensystem der Beine. Sind die oberflächlichen Venen dann nicht mehr in der Lage, das Blut zurückzutransportieren, entstehen die typischen erweiterten, geschlängelten Krampfadern (Varizen).
Man unterscheidet:
- Primäre Varikosis (ca. 70 %): idiopathische Insuffizienz der Venenklappen des oberflächlichen Venensystems (vermutlich bei zugrundeliegender genetischer Disposition)
- Sekundäre Varikosis (ca. 30 %): erworbene Abflussbehinderung der tiefen Venen mit Ausbildung von Kollateralen (häufig nach tiefer Beinvenenthrombose bei postthrombotischem Syndrom)
Hauptursache ist neben Bewegungsmangel, Ernährungsgewohnheiten und hormonellen Einflüssen eine angeborene Bindegewebsschwäche.
Die Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung ist mit bis zu 80 % Betroffener sehr hoch, wobei die Inzidenz mit höherem Alter ansteigt. Frauen sind etwa dreimal häufiger betroffen als Männer (vor allem jüngere Frauen durch hormonelle Einflüsse und Schwangerschaften).
Die Erscheinungsformen werden eingeteilt in:
- Stammvarizen
- Seitenastvarizen
- Perforansvarizen
- pelvine Varizen
- retikuläre Varizen
- Besenreiservarizen
Risikofaktoren für Varizen:
- Stehberufe
- überwiegend sitzende Tätigkeit
- Schwangerschaft
- Übergewicht
- Tragen enger Kleidung
Typische Beschwerden sind:
- nächtliche Wadenkrämpfe
- Schweregefühl der Beine
- Schwellneigung/Ödeme
- Juckreiz/Dysästesien
- Pigmentstörungen/trophische Hautstörungen
- seltener Schmerzen nach längerem Stehen oder Sitzen
In der Regel tritt eine Besserung bei Hochlagerung der Beine ein. Bei Hitze nehmen die Beschwerden oft zu.
Komplikationen:
- Ulcus cruris venosum
- Varizenblutung (spontan oder traumatisch durch Ruptur der dünnen Venenwand)
- Varikophlebitis
- tiefe Beinvenenthrombose
Einteilung der klinischen Ausprägung einer Varikosis (modifiziert nach Marshall):
Grad 1: asymptomatische Varizen, keine Komplikationen
Grad 2: Varizen mit Symptomen (Dysästhesien, Juckreiz, Schweregefühl, Spannungsgefühl, leichte Schwellneigung, Wadenkrämpfe, Schmerzen usw.), keine Komplikationen
Grad 3: Varizen mit Symptomen (wie Grad 2, stärker ausgeprägt), mit Komplikationen (trophische Hautstörungen , Narbe eines Ulcus cruris, Varikophlebitis)
Grad 4: symptomatische Varizen (wie Grad 3), mit Komplikation in Form eines floriden Ulcus cruris
Die Untersuchung sollte möglichst im Stehen erfolgen. Bei der Inspektion muss auf sichtbare Varizen im Bereich von Ober- und Unterschenkeln, sowie auf Ödeme und Hautveränderungen wie Hyperpigmentierung, Ekzem, Dermatoliposklerose, Atrophie blanche oder abgeheilte und floride Ulcera cruris geachtet werden.
Bei der Palpation ist auf strangartige subkutane Verhärtungen zu achten, die auf eine akute oder abgelaufene oberflächliche Venenthrombose hinweisen können.
Eingeteilt werden können die Befunde nach der internationalen CEAP-Klassifikation:
- C0: Keine sichtbaren Zeichen einer Venenkrankheit
- C1: Besenreiser und retikuläre Varizen
- C2: Varikose ohne Zeichen einer chronisch venösen Insuffizienz (CVI)
- C3: Ödem
- C4: Hautveränderungen
- C4a: Pigmentierung, Ekzem
- C4b: Dermatoliposklerose, Atrophie blanche
- C5: abgeheiltes Ulcus cruris
- C6: florides Ulcus cruris
Bei der Diagnostik geht es darum, die Durchgängigkeit und Funktion des Klappenapparates in den epifaszialen Venen, den Perforansvenen (transfaszial) und den tiefen Venen zu überprüfen und die beteiligten Venenäste sowie die Höhenausdehnung eines Refluxes darzustellen.
Venenfunktionstests (haben heute an Bedeutung verloren)
- Trendelenburg-Test
- Perthes-Test
Apparative Diagnostik:
Duplex-Sonographie
- Goldstandard der Diagnostik zur Darstellung der Venen und Flussverhältnisse
- Testung der Durchgängigkeit der tiefen Venen
- Testung auf Insuffizienzen der Perforansvenen und der oberflächlichen Venen
- Grundlage für die differenzierte Indikationsstellung vor der Sanierung der Varikose
Zusatzuntersuchungen:
Photoplethysmographie (Syn. Lichtreflexionsrheographie)
- als Screeningmethode oder zur Verlaufskontrolle zur Quanitfizierung der venösen Funktionsstörung
Venenverschlussplethysmographie (VVP)
- Verfahren zur Messung der druckabhängigen venösen Kapazität, des venösen Ausstroms und der aktiven Volumenabschöpfung
- gibt Auskunft über Funktionssituation der tiefen Beinvenen
CW-Doppler-Sonographie
- erste Screeningmethode, wenn keine Duplex-Sonographie zur Verfügung steht
- nicht als alleinige Untersuchung zur Indikationsstellung einer Operation
- Ausschluss einer begleitenden PAVK
Phlebographie
- gehört heute nicht mehr zur Routinediagnostik (keine Anwendung in der primären Diagnostik der Varikosis)
- bei unklarem Duplexbefund und speziellen Fragestellungen
CT- und MR-Phlebographie
- nicht in der Routinediagnostik
- nur bei speziellen Fragestellungen (z.B. venöse Malformation)
Phlebodynamometrie (PD)
- blutige Messung des peripheren Venendruckes und dessen Änderung bei Lagerungsproben und unter normierter Belastung
- nur bei speziellen Fragestellungen
Wichtige Differenzialdiagnosen sind Thrombophlebitis, tiefe Beinvenenthrombose und postthrombotisches Syndrom.
Kompressionstherapie
Die Kompressionstherapie kann in allen Stadien der Varikose und der chronischen venösen Insuffizienz eingesetzt werden (alleine oder in Kombination). Eingesetzt werden können Kompressionsverbände, medizinische Kompressionsstrümpfe, Medizinische adaptive Kompressionssysteme (MAK) oder die intermittierende pneumatische Kompression.
Am ödematösen Bein sollte die Kompressionstherapie in zwei Phasen erfolgen (Entstauungsphase / Erhaltungstherapie). Bei gering ausgeprägten Ödemen kann die Kompressionstherapie auch unmittelbar mit medizinischen Kompressionsstrümpfen begonnen werden.
Medikamentöse Therapie
Ist die Sanierung einer symptomatischen Varikose nicht möglich (oder nicht gewünscht) oder bleiben nach invasiver Therapie Schwellungen und Schweregefühle bestehen, kann der Einsatz von wirksamkeitsgeprüften oralen Venenmedikamenten in Erwägung gezogen werden. Dazu stehen in Deutschland folgende Substanzen zur Verfügung:
- standardisierter Roter Weinlaubextrakt (AS 195)
- standardisierter Rosskastanienextrakt
- Oxerutin
Mit der vollen Wirkung der pflanzlichen Venenmittel ist erst nach zwei bis vier Wochen zu rechnen.
Physikalische Therapie:
- manuelle Lymphdrainage (wenn bei Phlebödemen und Varikose andere Methoden nicht erfolgreich waren)
- Balneotherapie
- Gefäßsport
- ausreichende körperliche Bewegung
Keins der genannten konservativen Verfahren kann Varizen zum Verschwinden bringen, es werden nur Symptome gelindert, das Fortschreiten oder Komplikationen verhindert.
Operative Verfahren:
- stammvenenausschaltende Verfahren
- stammvenenerhaltende Verfahren
Endovenöse thermische Verfahren
- endovenöse Lasertherapie
- endovenöse Radiofrequenztherapie
- endovenöse Heißdampf-Therapie
Endovenös chemische Verfahren
- Sklerosierungstherapie
- Cyanoacrylatkleber
Welches Verfahren für welchen Patienten am besten geeignet ist, muss im Einzelfall entschieden werden. In der Regel ist eine Kombinationen verschiedener Methoden erforderlich.
Die meist durch tiefe Beinvenenthrombose bedingte sekundäre Varikosis lässt sich durch eine entsprechende Thromboseprophylaxe verhindern.
Dazu gehören in Situationen mit erhöhtem Thromboserisiko (z.B. Immobilisierung, Operationen):
- Frühmobilisation und Anleitung zu Bewegungsübungen
- physikalische Maßnahmen (z.B. medizinische Thromboseprophylaxestrümpfe, intermittierende pneumatische Kompression)
- bei mittlerem und hohen Risiko medikamentöse Prophylaxe
Deutsche Gesellschaft für Phlebologie (DGP):
Sklerosierungsbehandlung der Varikose
S2k - Leitlinie Diagnostik und Therapie der Varikose
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