Phlebothrombose

Definition

Unter einer Phlebothrombose versteht man eine Stenose oder einen vollständigen Verschluss einer tiefen Vene mit Beeinträchtigung des venösen Abflusses. Häufigste Form ist die tiefe Beinvenenthrombose (TVT; etwa 10x häufiger als die tiefe Armvenenthrombose).

Bei der Entstehung der Phlebothrombose spielen Veränderungen der Blutzusammensetzung (Hyperkoagulation), der Strömungsverhältnisse (Stase) und Endothelschädigungen (entzündlich oder traumatisch) eine wichtige Rolle (Virchow-Trias).

Wichtige Risikofaktoren sind:

  • Immobilisation
  • operative Eingriffe (vor allem größere orthopädische, abdominelle und neurochirurgische Eingriffe)
  • höheres Lebensalter
  • maligne Erkrankungen
  • hormonelle Faktoren (z.B. Kontrazeptivaeinnahme, Schwangerschaft und Wochenbett, Hormonersatztherapie)
  • angeborene und erworbene Koagulopathien (z.B. Faktor-V-Leiden-Mutation, Faktor-VIII-Erhöhung, Prothrombinmutationen)

Außerdem gehen zahlreiche chronische Erkrankungen mit einem erhöhten Thromboserisiko einher. Dazu gehören z.B. Infektionen, Nierenerkrankungen, Herzinsuffizienz und Erkrankungen mit erhöhter Blutviskosität (z.B. essenzielle Thrombozytopenie, Polyzythaemia vera oder auch Exsikkose und Hypovolämie).

Wichtigste Komplikation ist die Lungenembolie, die eine Mortalität von etwa 10 % aufweist (→ siehe dort).

Die Inzidenz der Erstmanifestation einer TVT beträgt in der Gesamtbevölkerung etwa 5 pro 10.000 Patientenjahre – mit dem Alter nimmt sie deutlich zu (20 auf 10.000 Patientenjahre im Alter von 70 bis 79). Die tiefe Beinvenenthrombose beginnt meist am Unterschenkel und kann sich dann über die V. poplitea und V. femoralis bis zu den Ileakalgefäßen ausbreiten.

Sonderformen:

Phlegmasia coerulea dolens:

  • Maximalvariante einer Phlebothrombose mit Verschluss aller Venen einer Extremität und sekundärer Kompression des arteriellen Flusses
  • Symptome starke Schwellung und Ödem, starke Schmerzen, kalte zyanotische Extremität, Pulse nicht tastbar

Tiefe Armvenenthrombose (inkl. Paget-von-Schroetter-Syndrom)

  • primäre Form im Rahmen eines Thoracic-Inlet-Syndroms
  • sekundäre Formen z.B. nach übermäßiger Armbelastung, nach ZVK oder Einführen von Schrittmachersonden
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Symptomatik

Die typische Trias sind Schwellung, dumpfer Schmerz und Zyanose im betroffenen Bein (findet man aber in klassischer Ausprägung nur in 10 % der Fälle).

Weitere Symptome können sein:

  • Überwärmung
  • Schweregefühl, Spannungsgefühl
  • verstärkte Venenzeichnung

Insgesamt ist die klinische Symptomatik nicht besonders zuverlässig. Plötzlich auftretende Luftnot, Schwindel und Schwächegefühle können auf eine Lungenembolie weisen (→ siehe dort).

Wells-Score (validierter klinischer Score zur Ermittlung der klinischen Wahrscheinlichkeit einer Venenthrombose):

Klinische CharakteristikaPunkte
Aktive Tumorerkrankung1
Lähmung oder kürzliche Immobilisation der Beine 1
Bettruhe (> 3 Tage); große Chirurgie (< 12 Wochen) 1
Schmerz/Verhärtung entlang der tiefen Venen 1
Schwellung ganzes Bein 1
Unterschenkelschwellung > 3 cm gegenüber Gegenseite 1
Eindrückbares Ödem am symptomatischen Bein1
Kollateralvenen1
Frühere, dokumentierte TVT1
Andere Diagnose mindestens ebenso wahrscheinlich-2

Score ≥ 2: Wahrscheinlichkeit für TVT hoch
Score < 2: Wahrscheinlichkeit für TVT nicht hoch

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Untersuchung
  • seitendifferenter Beinumfang > 3 cm
  • Wadenkompressionsschmerz (Meyer-Zeichen)
  • Wadenschmerz bei Dorsalextension des Fußes (Homans-Zeichen)
  • Fußsohlenschmerz bei Druck auf mediale Fußsohle (Payr-Zeichen)
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Thromboseabklärung

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Labor

D-Dimer-Test

Ein D-Dimer-Test soll nur nach vorheriger Einschätzung der klinischen Wahrscheinlichkeit durchgeführt werden: Bei nicht hoher (niedriger/mittlerer) klinischer Wahrscheinlichkeit und normalen D-Dimeren ist keine weitere Thrombose-Diagnostik erforderlich.

Ein positives Ergebnis kann viele Ursachen haben und ist nicht beweisend für eine Thrombose. Bei hoher klinischer Wahrscheinlichkeit soll kein D-Dimer-Test durchgeführt werden, sondern gleich eine weiterführende Diagnostik erfolgen.

Farb-Duplex-Kompressionssonographie

  • diagnostischer Goldstandard zur Bestimmung des Ausmaßes und der Lokalisation der Thrombose
  • für die Diagnostik der Beckenvenen
  • Ableitung des Flusssignales der Vena femoralis communis im Seitenvergleich
  • bei Flussbehinderung der symptomatischen Seite ergänzende farbkodierte Duplexsonografie der Beckenvenen erforderlich

Phlebographie

  • nur als nachgeordnetes Verfahren bei speziellen Indikationen oder bei sonographisch nicht eindeutiger Rezidiv-TVT Schnittbildverfahren (CT, MRT)
  • evtl. zur Ausdehnungsdiagnostik bei Beckenvenen- und/oder V. cava-Thrombosen und ggf. vor geplanten invasiven Therapieverfahren

Thrombophiliediagnostik

Die Abklärung einer Thrombophilie hat keine Bedeutung für die Diagnostik und initiale Therapie einer akuten TVT und eher selten therapeutische Konsequenzen. Eine Testung gesunder Personen ist nicht indiziert.

Tumorsuche

Das Risiko bei Patienten mit TVT für ein bisher nicht bekanntes Malignom liegt bei 3–15 %. Bei ätiologisch ungeklärter Venenthrombose sollte daher die Abklärung auf ein möglicherweise zugrunde liegendes Malignom erfolgen. Bei der Auswahl der dafür erforderlichen diagnostischen Maßnahmen richtet man sich dabei am besten nach der Anamnese und alters- und geschlechtsspezifischen Risikokonstellationen.

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Differenzialdiagnostik

Wichtige Differenzialdiagnosen bei einseitiger Schwellung des Beins sind u.a.:

  • Zysten
  • Synovitiden
  • Blutungen
  • Muskelfaserrisse
  • Aneurysmen
  • Tumoren
  • Kompartmentsyndrome
  • Lymphödem
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Pharmakotherapie und nichtinvasive Therapie

Initiale Antikoagulation

Sofort nach Diagnosestellung soll eine Antikoagulation in therapeutischer Dosierung begonnen werden (bei hoher klinischer Wahrscheinlichkeit auch bereits vor Sicherung der Diagnose durch Bildgebung). Bei asymptomatischer bestätigter Thrombose wird dabei genauso vorgegangen wie bei symptomatischen Formen.

Ziele der Initialtherapie sind:

  • Verhinderung einer Lungenembolie (LE)
  • Verhinderung eines appositionellen Thrombuswachstums
  • Aktivierung der körpereigenen Fibrinolyse zur Verringerung eines postthrombotischen Syndroms

Zu Beginn jeder Antikoagulanzientherapie sollten ein Basisgerinnungsstatus inklusive Thrombozytenzahl und die Nierenfunktionsparameter bestimmt werden. Die Initialbehandlung erfolgt entweder mit demselben Medikament wie in der späteren Erhaltungsphase (jedoch in höherer Dosis), oder mit einem parenteralen Antikoagulans (NMH oder Fondaparinux). Sie erfolgt je nach eingesetztem Antikoagulanz über 7–21 Tage.

Eingesetzt werden können dazu:

Niedermolukulare Heparine (NMH)

  • Certoparin
  • Dalteparin
  • Enoxaparin
  • Nadroparin
  • Reviparin
  • Tinzaparin

Pentasaccharid

  • Fondaparinux (FDX)

Unfraktionierte (UF) Heparine

Direkte orale Antikoagulanzien

  • Dabigatran (zuerst mindestens 5 Tage NMH, UF oder FDX)
  • Rivaroxaban
  • Apixaban
  • Endoxaban (zuerst mindestens 5 Tage NMH, UF oder FDX)

Vitamin-K-Antagonisten

  • Phenprocoumon (NMH, UF oder FDX parallel bis INH ≥ 2,0)
  • Warfarin (NMH, UF oder FDX parallel bis INH ≥ 2,0) 

Erhaltungstherapie

An die initiale Antikoagulation soll sich eine in der Regel orale Erhaltungstherapie von 3–6 Monaten anschließen. Ziel ist die Verhinderung eines frühen Rezidivs einer TVT bzw. LE. Sie wird üblicherweise mit einer geringeren Dosis desselben oder mit einem anderen Antikoagulans als in der Akutphase durchgeführt.

Früher waren hier Vitamin-K-Antagonisten (VKA) einziger Therapiestandard. Heute werden zunehmend direkte orale Antikoagulanzien (DOAKs) eingesetzt, die mit einem geringeren Risiko für schwere (vor allem intrakranielle) Blutungen einhergehen. Weitere Vorteile der DOKAS sind fehlende Notwendigkeit zur Gerinnungskontrolle und Dosisadjustierung sowie fehlendes Risiko einer Heparin-induzierten Thrombozytopenie Typ II.

NMH sind zur Erhaltungstherapie bei Tumorpatienten zugelassen und gelten hier als Therapiestandard.

Verlängerte Erhaltungstherapie

Nach 3 bis 6 Monaten sollte über eine Fortführung/Verlängerung der antikoagulativen Erhaltungstherapie entschieden werden. Dabei muss das Rezidivrisiko immer gegen das geschätzte Blutungsrisiko abgewogen werden.

Faktoren, die für eine verlängerte Erhaltungstherapie sprechen können z.B. sein:

  • fortbestehende Risikofaktoren (z.B. dauerhafte Bettlägerigkeit, Paresen)
  • Rezidivthrombosen
  • erhöhte D-Dimere nach Therapieende
  • Residualthrombus
  • männliches Geschlecht
  • langstreckige Thrombusausdehnung
  • proximale Thrombuslokalisation
  • schwere Thrombophilie (z.B. Antiphospholipid-Syndrom)

Kompressionstherapie

Um Häufigkeit und Schwere des postthrombotischen Syndroms zu reduzieren, sollte frühzeitig mit einer Kompressionstherapie am betroffenen Bein begonnen werden. Ein Kompressionsverband nach Fischer und ein angepasster Kompressionsstrumpf Klasse II sind dabei gleichermaßen wirksam.

Eine Unterschenkelkompression (Strumpflänge A–D) reicht in der Regel aus.

Bei fortbestehendem venösem Funktionsdefizit ist eine Fortsetzung der Kompression auch nach 3–6 Monaten sinnvoll.

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Invasive und Interventionelle Therapie

Rekanalisierende Maßnahmen:

Primär rekanalisierende Maßnahmen kommen bei ilio-femoraler Thrombose in Frage und sollten dann so früh wie möglich eingesetzt werden.

Behandlung wie Thrombektomie, kathetergestützte Verfahren und Thrombolyse sollten möglichst in spezialisierten Zentren mit ausreichender Erfahrung durchgeführt werden.

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Prävention

In vielen klinischen Situationen mit erhöhtem Risiko für eine venöse Thromboembolie ist eine Thromboseprophylaxe sinnvoll, die vor TVT und Lungenembolien schützen soll. Dazu gehören z.B. größere operative Eingriffe oder auch krankheitsbedingte Immobilisation bei Akuterkrankungen und Verletzungen.

Zur Thromboseprophylaxe gehören

  • Frühmobilisation und Anleitung zu Bewegungsübungen
  • physikalische Maßnahmen (z.B. medizinische Thromboseprophylaxestrümpfe, intermittierende pneumatische Kompression)
  • bei mittlerem und hohen Risiko medikamentöse Prophylaxe mit Antikoagulanzien
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Leitlinien

Deutsche Gesellschaft für Angiologie - Gesellschaft für Gefäßmedizin e.V. (DGA):
Venenthrombose und Lungenembolie: Diagnostik und Therapie

 

AWMF S3-Leitlinie Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE) Stand 2015

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