Thromboseabklärung Jenseits der Ultraschallmauer

Autor: Dr. Judith Lorenz

Nur 0,6 % der Patienten mit niedrigem Risiko
entwickelten eine TVT. Nur 0,6 % der Patienten mit niedrigem Risiko entwickelten eine TVT. © p6m5 – stock.adobe.com

Ein TVT-Verdacht kann zunächst auch ohne Sonographie abgeklärt werden. Mit einem neuen Algorithmus, der die Patienten anhand des individuellen Risikos vorselektiert, lassen sich Ultraschalluntersuchungen deutlich reduzieren.

Eine tiefe Venenthrombose (TVT) kann in vielen Fällen anhand der Klinik und des Labors ausgeschlossen werden. Sono-Untersuchungen sind dagegen häufig verzichtbar, berichten Prof. Dr. Clive Kearon von der McMaster University in Hamilton und Kollegen. Die TVT-Abklärung basiere auf drei Säulen: Die klinische Beurteilung, die D-Dimer-Bestimmung im Blut sowie die Venensonographie.

Die Sonographie werde dabei häufig bereits vor dem Vorliegen des D-Dimer-Befunds veranlasst. Bei einer unauffälligen Bildgebung müssen dann unter Umständen nach einigen Tagen Kontrolluntersuchungen erfolgen. Die Kollegen entwickelten daher den 4D-Algorithmus („Designer D-dimer DVD Diagnosis“), mit dessen Hilfe die Zahl der Sonographien reduziert werden kann.

Der Algorithmus sieht vor, dass bei TVT-Verdacht zunächst mithilfe des Wells-Scores die Vortestwahrscheinlichkeit für eine TVT und anschließend die D-Dimere bestimmt werden. Sowohl Personen mit geringer TVT-Wahrscheinlichkeit und einem D-Dimer-Befund < 1.000 ng/ml als auch solche mit mittlerem TVT-Risiko und D-Dimeren < 500 ng/ml erhalten keine Ultraschalldiagnostik und werden auch nicht antikoaguliert.

In allen anderen Fällen erfolgt eine Beinvenensonographie. Ein negativer Befund wird nach einer Woche kontrolliert, sofern bei geringer oder mittlerer TVT-Wahrscheinlichkeit die D-Dimer-Grenze von 3.000 ng/ml oder bei hohem Risiko die Grenze von 1.500 ng/ml überschritten wurde.

Die Wissenschaftler wendeten diese Untersuchungs-Strategie bei 1.508 Patienten (Durchschnittsalter 60 Jahre) an, die sich an zehn kanadischen Universitätskliniken notfallmäßig mit Verdacht auf eine TVT vorstellten. Von 1.275 Patienten, bei welchen mittels 4D-Algorithmus zunächst eine TVT ausgeschlossen worden war und die keine Antikoagulation erhalten hatten, entwickelten acht (0,6 %) im Verlauf der dreimonatigen Nachbeobachtungszeit eine symptomatische TVT oder Lungenembolie.

Zahl der Untersuchungen wird nahezu halbiert

Verglichen mit einer konventionellen Diagnosestrategie, die im Schnitt 1,36 Ultraschalluntersuchungen pro Patient bedeutet, fallen durch den Ausschluss von Menschen mit sehr niedrigem Risiko nur 0,72 Untersuchungen pro Patient an, lautet das Fazit der Wissenschaftler. Das entspricht einer relativen Abnahme um 47 %.

Quelle: Kearon C et al. BMJ 2022; 376: e067378; DOI: 10.1136/bmj-2021-067378