HR+/HER2- Brustkrebs Welche Patient:innen profitieren
Die AGO Mamma empfiehlt den Einsatz eines Genexpressionstests für Personen mit HR+/HER2- frühem Mammakarzinom, wenn anhand der klassischen klinischen Faktoren keine klare Entscheidung für oder gegen eine Chemotherapie möglich ist. Welche Vorteile der Test bietet und wann er tatsächlich zum Einsatz kommen sollte, diskutierten Expert:innen in einer Oxford-Debatte.
PRO: Seltener Chemotherapie und weniger Fehlbehandlung
Laut Prof. Dr. Ulrike Nitz, Mönchengladbach, sind die Informationen aus genomischen Signaturen wichtig, um Patient:innen besser zu selektieren, die eine Chemotherapie benötigen.1 Der Einsatz Letzterer lasse sich durch Genexpressionstests deutlich reduzieren, ohne dass sich die Prognose verschlechtere. Die MINDACT-Studie habe ergeben, dass bei genomisch niedrigem Risiko trotz klinischer High-Risk-Situation nicht zwingend eine Chemotherapie-Indikation bestehe.
Die bessere Selektion der Erkrankten reduziere nicht nur den Einsatz der Chemotherapie, sondern diene auch dazu, die „richtigen“ Personen auszuwählen und damit Fehlbehandlungen zu vermeiden, betonte Prof. Nitz. In der TAILORx-Studie beispielsweise wurden bei Patient:innen ohne axillären Lymphknotenbefall (N0) und ursprünglich intermediärem Risikoprofil 18 % „diskordante Fälle“ aufgedeckt. Diese gab es zu einem geringeren Prozentsatz auch in der Gruppe der Personen mit niedrigem bzw. hohem Rezidivrisiko (9 % bzw. 4 %).
Problematisch sei, dass derzeit bundesweit nur etwa 20 % der für einen Genexpressionstest geeigneten Erkrankten diesen auch erhalten, ergänzte Prof. Dr. Marcus Schmidt, Universitätsmedizin Mainz.2 Durch die Tests lasse sich der Anteil der Patient:innen mit HR+/HER2- frühem Brustkrebs und niedrigem Rezidivrisiko auf > 60 % erhöhen – im Wesentlichen deshalb, weil die Low-Risk-Personen aus der – nach klinischen Faktoren – intermediären Gruppe identifiziert werden. Bei etwa einem Drittel ändere sich die Therapieentscheidung als Folge der Testung, und zwar sowohl für als auch gegen die Chemotherapie.
Letztlich liege die Risikoeinschätzung immer auch im Auge der Betrachter:innen, betonte Prof. Schmidt. Genexpressionstests lieferten daher für Betroffene eine wichtige Entscheidungshilfe, welches Risiko sie eingehen möchten und welche Entscheidung daraus resultiere.
Ergebnis der Diskussion
Ein Genexpressionstest ist angezeigt, wenn eine klare Entscheidung für oder gegen eine Chemotherapie nicht getroffen werden kann. Dies ist in der Regel der Fall bei Erkrankten mit intermediärem Risikoprofil. Dem stimmten im Ergebnis alle Teilnehmenden der Oxford-Debatte zu. Einigkeit bestand, dass die von der AGO Mamma empfohlenen Genexpressionstests gut reproduzierbar sind und eine präzise Abschätzung der Prognose ermöglichen. Bemängelt wurde die fehlende Konkordanz.
KONTRA: Weitere Parameter für die Therapiesteuerung
Restriktiver waren die Plädoyers der Kontra-Diskutant:innen: „Mit der Genexpressionstestung befinden wir uns im Bereich der Präzisionsmedizin“, erläuterte Prof. Dr. Bernhard Wörmann, Charité – Universitätsmedizin Berlin.3 Die Grundidee sei, mit präziserer Diagnostik bzw. Diagnosesicherung zu einer besseren Behandlung zu kommen. Dazu gehöre, den Gebrauch der Chemotherapie einzuschränken, wenn diese nicht benötigt werde. Prof. Wörmann: „Wir brauchen Therapiesteuerung, müssen also von der Therapie her denken.“
Genexpressionstests seien hierfür ein wichtiges Tool bei HR+/HER2- frühen Mammakarzinomen, aber nicht für jede:n. Weitere (individuelle) Parameter spielten eine Rolle, zum Beispiel die klinischen Faktoren. Genau dies habe die AGO Mamma in ihrer Therapieempfehlung verankert.
„Bei vielen Patient:innen können wir die Entscheidung für bzw. gegen eine Chemotherapie auch ohne Genexpressionstest stellen“, ergänzte Prof. Dr. Nadia Harbeck, LMU Klinikum München, mit Verweis auf die AGO-Empfehlungen.4 Danach ist ein Test unnötig, wenn aufgrund der klinischen Risikofaktoren eine klare Entscheidung gegen bzw. für die Chemotherapie möglich ist.
Eine gute Evidenz für den Einsatz eines Genexpressionstests bestehe bei postmenopausalen Personen mit klinisch intermediärem Risikoprofil, so Prof. Harbeck. Für prämenopausale Erkrankte bringe der Test dagegen keine Erkenntnisse im Hinblick auf die Therapieentscheidung. Für junge Patient:innen sei eine kurze endokrine Induktionstherapie eine gute Option, um anhand des Ki-67-Abfalls die endokrine Sensitivität zu bestimmen.
Die Daten der Plan-B-Studie deuten darauf hin, dass der Ki-67-Abfall (≤ 10 %) unter kurzer endokriner Induktionstherapie den Genexpressionstest ersetzen kann. Auch die amerikanische Gesellschaft für klinische Onkologie und die europäische Krebsgesellschaft empfehlen zur Entscheidungsfindung sowohl das Ansprechen auf die kurze endokrine Induktionstherapie als auch einen Genexpressionstest, wenn die Situation anhand der klassischen klinischen Risikofaktoren nicht sicher bewertet werden kann. Welchem Vorgehen der Vorzug zu geben sei, müsse im Einzelfall entschieden werden, so Prof. Harbeck.
Quellen:
1. Nitz U. 43. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Senologie; Vortrag „Oxford-Debatte: Genexpressionstest für die Therapieentscheidung bei wirklich allen Patientinnen? Pro-Diskutant“
2. Schmidt M. 43. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Senologie; Vortrag „Oxford-Debatte: Genexpressionstest für die Therapieentscheidung bei wirklich allen Patientinnen? Pro-Sekundant“
3. Wörmann B. 43. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Senologie; Vortrag „Oxford-Debatte: Genexpressionstest für die Therapieentscheidung bei wirklich allen Patientinnen? Contra-Diskutant“
4. Harbeck N. 43. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Senologie; Vortrag „Oxford-Debatte: Genexpressionstest für die Therapieentscheidung bei wirklich allen Patientinnen? Contra-Sekundant“