Genexpressionstest-Beschluss zu Brustkrebs trifft auf Skeptiker

Gesundheitspolitik Autor: Anouschka Wasner

Ein Gentest soll helfen, den Nutzen einer Chemotherapie einzuschätzen. Ein Gentest soll helfen, den Nutzen einer Chemotherapie einzuschätzen. © iStock/Natali_Mis

Nach G-BA-Beschluss können Patientinnen mit Brustkrebs im frühen Stadium, bei denen das Rückfallrisiko nicht sicher bestimmt werden kann, künftig einen Biomarker-Test auf Kosten der Krankenkassen in Anspruch nehmen. Die Einzelheiten des Beschlusses sind jedoch umstritten.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat im Juni nach fast sechs Jahren Beratung den Genexpressionstest Oncotype DX® als einzigen dieser Art für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen. Der Biomarker-Test kann beim hormonrezeptor-positiven, HER2/neu-negativen Brustkrebs ohne Lymphknotenbefall, also bei frühem Brustkrebs, anhand einer genetischen Analyse der Tumorzellen Informationen zum Rückfallrisiko geben.

Zuvor hatte das unabhängige Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in Köln aus den Ergebnissen einer internationalen Studie mit mehr als 10 000 Patientinnen (TAILORx) konkrete Anhaltspunkte für den Nutzwert des Tests gewonnen. Zu anderen auf dem Markt erhältlichen Tests konnte dagegen kein Nutzen bestätigt werden, da keine entsprechenden prospektiven Studien vorliegen. Der Biomarker-Test kann aus Gewebe erfolgen, das bereits entnommen wurde.

Die Patientenvertretung im Gemeinsamen Bundesausschuss spricht von einer unbefriedigenden Bewertungssituation und hat sich bei der Entscheidung enthalten. Die momentane Versorgungssituation sei undurchsichtig. Durch den Beschluss würde nur ein Test in den Leistungskatalog aufgenommen, während bereits weitaus mehr Tests in Deutschland eingesetzt würden, sowohl in der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) als auch im Rahmen von Selektivverträgen. Außerdem kritisiert die Patientenvertretung die fehlende CE-Kennzeichnung des Tests, da daraus folgere, dass Leistungsfähigkeit und Messsicherheit des Tests nicht den europäischen Vorgaben nach überprüft wurden. Wie sich das auf die Erstattungsfähigkeit auswirke, sei ungewiss. Weiterer Kritikpunkt der Patientenvertretung ist die Datensicherheit, schließlich würden sensible Gesundheitsdaten in den USA verarbeitet.

Beschluss noch nicht in Kraft, Kassen erstatten bereits

Auch der Bundesverband Deutscher Pathologen (BDP) wünscht sich eine rasche Nachbesserung des noch nicht in Kraft getretenen G-BA-Beschlusses. Wichtig sei, dass im Rahmen der ASV und in dem hersteller­unabhängigen Selektivvertrag des BDP die Genexpressionsdiagnostik mit anderen Methoden erstattungsfähig bleibt. Den Patientinnen müssten auf der Basis der Entscheidung der Tumorboards alle methodisch standardisierten und klinisch validierten Multigentests zugänglich sein. Das entspreche der gültigen S3-Leitlinie Mammakarzinom. Außerdem sorge sich der BDP um die ärztliche Freiheit der Wahl der richtigen Methode, wenn auch in Zukunft nur die von großen Pharma- oder Diagnostikfirmen angebotenen Tests zuge­lassen würden, die dann noch wie in diesem Fall im Ausland durchgeführt würden.

Bei der Knappschaft versicherte Frauen mit invasivem Brustkrebs im Frühstadium I bis IIIA, welcher Hormonrezeptor-positiv und gleichzeitig HER2-negativ ist, können schon seit Anfang 2017 kostenfrei den Genexpressionstest nutzen. Grundlage hierfür ist ein Selektivvertrag mit Hersteller und Pathologen. Die Krankenkasse und der Testentwickler begrüßen die Anerkennung des Tests durch den Gemeinsamen Bundesausschuss.

Die Ergebnisse der TAILORx-Studie hätten gezeigt, dass der Test klare Informationen über den Nutzen der Chemotherapie liefert und somit Über- und Unterbehandlungen reduzieren hilft. Die Studie identifiziere die große Mehrheit der Frauen mit Brustkrebs im Frühstadium, denen eine Chemotherapie keinen zusätzlichen Nutzen bringt – das sind rund 80 % der Patientinnen – sowie die wichtige Minderheit von Frauen, für die eine Chemotherapie lebensentscheidend sein kann.

Die AOK Nordost übernimmt die Kosten von Biomarker-Tests bei frühem Burstkrebs seit der jetzt erfolgten G-BA-Entscheidung. Bei der AOK Nordost waren 2017 etwa 1700 Patientinnen erstmals mit der Diagnose Brustkrebs konfrontiert. In ganz Deutschland erkranken nach Angaben des GB-A jährlich rund 70 000 Frauen an frühem Brustkrebs.

Medical-Tribune-Bericht