Lymphödem Wenn Flüssigkeit für Beulen sorgt

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Nach einer Brustoperation kann es zum Lymphstau kommen mit der Folge eines solchen Lymphödems. Nach einer Brustoperation kann es zum Lymphstau kommen mit der Folge eines solchen Lymphödems. © Science Photo Library/ Tanielian, Dr. Harout

Gegen ein Lymphödem gibt es eine ganze Reihe wirksamer Optionen, die je nach Stadium zum Einsatz kommen. Sie reichen von der physikalischen Entstauung über die Lymphknotentransplantation bis zur Ablation.

Von einem lymphatischen Ödem spricht man, wenn das dritte Gefäßsystem geschädigt ist, sodass ein Ungleichgewicht der interstitiellen Flüssigkeiten resultiert. Es handelt sich um eine entzündliche Erkrankung mit chronischer Progredienz. Sie manifestiert sich in zwei Formen: Die seltene primäre Störung (1–2 %) ist genetisch bedingt. Der wesentlich häufigere sekundäre Typ (98–99 %) wird z.B. durch (maligne) Erkrankungen, operative Eingriffe, Infektionen oder Verletzungen verursacht. Die Patienten klagen zunächst über ein Spannungs- oder Schweregefühl. Später kommt es zu einer irreversiblen Fibrose mit asymmetrischer Volumenzunahme des Fettgewebes, so Noëlle Bürgle vom Sana Klinikum Offenbach und Koautoren.

Anhand von Anamnese und körperlicher Untersuchung lassen sich Ätiologie, Ausprägung und Leidensdruck ermitteln. Die Inspektion ermöglicht eine Einschätzung von Erscheinungsbild, Symmetrie und Lokalisation der Schwellung. Zudem ist der Hautzustand im Liegen und Stehen zu beurteilen. Die Palpation der befallenden Areale im Seitenvergleich liefert Informationen zu Konsistenz und Dellbarkeit der Schwellungen. Je nach Stadium ist das Gewebe weich bis fibrotisch hart (nicht mehr eindrückbar). Auch die umliegenden Lymphknoten sollten abgetastet und auf Druckdolenz und Verschieblichkeit geprüft werden. Einen Hinweis liefert das Stemmer-Zeichen. Es ist positiv, wenn sich die Haut über dem zweiten Zeh nicht mehr anheben lässt.

Stadieneinteilung

Stadium 0: Übergangsphase, noch keine Schwellungen sichtbar
Stadium 1: weiche teigige Schwellung (besonders abends)
Stadium 2: harte Schwellung mit Bindegewebsvermehrung (Fibrose)
Stadium 3: Elephantiasis

Bildgebung entscheidet über das Therapieverfahren

Die Planung prognostisch relevanter Therapieansätze erfordert eine bildgebende Diagnostik. Bewährt hat sich dafür die Magnetresonanz-Fluoreszenzlymphografie. Durch die Injektion von Kontrastmittel in der Peripherie können oberflächliche und tiefe Lymphbahnen und Abflussstörungen dargestellt werden. Mithilfe der Fluoreszenzlymphangiografie lassen sich die Abflussbahnen in Echtzeit darstellen, allerdings gelingt dies nur bis zu einer Tiefe von 1 cm. Deshalb beschränkt sich die Aussagekraft meist auf Unterschenkel und Unterarm. Zur Ergänzung eignet sich die kontrastmittelgestützte MR-Lymphografie. Sie stellt die pathologischen Veränderungen mit einer Genauigkeit von mehr als 90 % dar. Über eine dreidimensionale Rekonstruktion ermöglicht sie die Lokalisation von Lymphgefäßen, die günstig zu einer anastomosierbaren Vene liegen. Auch tiefere Abflussbahnen (> 1 cm) lassen sich einschätzen. Außerdem ermöglichen MRT (ggf. CT) und Sonografie eine Beurteilung benachbarter Strukturen wie Lymphknoten oder lymphatische Malformationen. Aufgrund der chronisch progredienten Natur des Lymphödems ist eine konsequente Behandlung erforderlich. Die Basis bildet die komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE). Sie besteht aus fünf Komponenten:

  • Hautpflege
  • manuelle Lymphdrainage
  • Kompression
  • Entstauung
  • psychosoziale Selbstbehandlung

Die Therapie kann den Abfluss verbessern, fibrotische Veränderungen auflösen und die Lymphangiogenese aktivieren. In der ersten Phase soll das interstitielle Ungleichgewicht der Flüssigkeiten normalisiert werden, in der zweiten gilt es den Erfolg zu erhalten. Außerdem müssen Komplikationen und neu aufgetretene Kontraindikationen für die KPE rechtzeitig erkannt werden. Dazu gehören z.B. die dekompensierte Herzinsuffizienz und das Erysipel.

Wenn sich die Symptome nach sechs Monaten konsequenter konservativer Behandlung nicht verbessert haben, sollte man den Patienten in einem Zentrum für Lymph­chirurgie vorstellen. Zur Verfügung stehen rekonstruktive und ablative, d.h. gewebereduzierende Operationsverfahren. Bei den wiederherstellenden Methoden wird die angestaute Lymph­flüssigkeit in das venöse System abgeleitet. Dank moderner Diagnostik und Mikrochir­urgie können inzwischen Lymphbahnen ab 0,3 mm Durchmesser an Venen anastomosiert werden. Die Methode eignet sich für Patienten im Stadium 2. Voraussetzung sind noch funktionsfähige Lymphbahnen und eine nicht zu weit fortgeschrittene Fibrose.

Das zweite rekonstruktive Verfahren ist die Lymphknotentransplantation, der sogenannte vaskuläre Lymphknotentransfer. Dabei werden Lymphknoten inklusive eines freien Gewebeblocks an die betroffene Extremität transferiert und dort vaskulär angeschlossen. Ein Beispiel ist das Lymphödem nach Brustkrebs, hier erfolgt eine Verlagerung von der Leiste in die Achselhöhle. Beim primären Lymphödem der unteren Extremität kann man abdominale Lymphknoten verpflanzen.

Liposuktion hilft nicht bei fibrosiertem Gewebe

Patienten im Stadium 3, der Elephantiasis, profitieren eventuell von einem gewebereduzierenden Eingriff. Die Liposuktion an der betroffenen Extremität soll Fettzellhyperplasie und Fibrose verringern. Der Eingriff funktioniert allerdings nur im fettreichen Stadium, ein komplett fibrosiertes Unterhautgewebe lässt sich kaum noch absaugen. Zur Rezidivprophylaxe muss der Operierte nach der Liposuktion lebenslang eine Kompressionsware tragen, und zwar über 24 Stunden einschließlich nachts.

Quelle: Bürgle N et al. Hessisches Ärzteblatt 2023; 77: 666-669