Lymphödem von Lipödem unterscheiden
Nicht immer steckt hinter dauerhaft geschwollenen Beinen eine chronisch-venöse Insuffizienz oder Insuffizienzen von Herz, Leber oder Niere. Zwei kniffelige Differenzialdiagnosen stellen das Lipödem und das Lymphödem dar, schreiben die plastischen Chirurgen um Dr. Daniel Schiltz, Universitätsklinikum Regensburg. Das überwiegend bei Frauen auftretende Lipödem hängt i.d.R. von der Ernährung ab und beginnt meist in Phasen einer hormonellen Umstellung wie Pubertät oder Schwangerschaft. Rund 60 % berichten über eine familiäre Disposition.
Betroffene klagen – abgesehen von der psychischen Belastung durch den entstellenden Charakter – über eingeschränkte Beweglichkeit und Körperpflege sowie über Spannungsgefühl und dumpfe bis stechende Schmerzen. Das Gewebe reagiert auf Berührungen empfindlich und neigt vor allem in fortgeschrittenen Stadien zu Hämatomen.
Von konservativer Therapie nicht zu viel erwarten
Die Erkrankung wird in fünf Stadien eingeteilt, befallen sind symmetrisch meist Hüfte, Ober- und Unterschenkel – isoliert oder kombiniert –, seltener die Oberarme. Als typisch gilt der Kalibersprung („Kragenbildung“) der disproportionalen Fettgewebszunahme zur angrenzenden gesunden Körperregion. Anfangs ist die Haut noch glatt, später verdickt und verhärtet, es tauchen kleine Knoten und mit der Zeit auch Fettwülste auf. In fortgeschrittenen Stadien kommt durch den lokalen Zirkulationsstau oftmals noch ein Lymphödem dazu und es resultiert der Mischtyp des „Lipo-Lymphödems“. Die Diagnose erfolgt klinisch, die apparative Diagnostik z.B. per MRT dient lediglich dem Ausschluss von Differenzialdiagnosen.
Zunächst müssen Patienten den Lebensstil anpassen, um das Gewicht zu reduzieren. Zusätzlich kommt die Komplexe Physikalische Entstauungstherapie mit manueller Lymphdrainage und anschließender Kompression mit Wäsche der Klasse II zum Einsatz. Allzu hoch sollten die Erwartungen an die konservative Behandlung allerdings nicht sein, so die Erfahrung der Experten. Nachhaltiger wirken operative Optionen und Liposuktion, die nach sechs Monaten frustraner konservativer Therapie erwogen werden können.
Lymphödem bleibt glatt und bildet keinen „Kragen“
Anders als das Lipödem mit seiner krankhaft vermehrten Zahl von Adipozyten basiert das Lymphödem auf einer chronisch-entzündlichen Erkrankung des Interstitiums. Das primäre, anlagebedingte Lymphödem imponiert in der Regel beidseitig und manifestiert sich schon im Kindes- und Jugendalter. Sekundäre Lymphödeme entstehen meist einseitig auf dem Boden von Traumata, Tumoren oder internistischen Erkrankungen.
Die Patienten berichten über ein lokales Spannungsgefühl, in späteren Stadien auch über leichte Schmerzen, die vor allem bei Lokalisation an den Beinen am Abend bzw. nach körperlicher Belastung zunehmen. Hilfreich zur Lipödem-Abgrenzung: Fuß und Knöchel sind meist mitbetroffen, das Stemmer-Zeichen ist positiv und zumindest in Stadium I und II lässt sich eine „stehende Delle“ provozieren (s. Abb.). Die Haut bleibt glatt, eine „Kragenbildung“ fehlt.
Wie beim Lipödem schreitet die Erkrankung voran, das zunächst weiche Ödem verhärtet langsam und bildet sich auch beim Hochlagern nicht mehr zurück, der „Dellenversuch“ verläuft negativ. Im Rahmen der zunehmenden Fibrosierung lagern sich zusätzlich Adipozyten ein, sodass in späteren Stadien wie beim Lipödem ein gemischtes „Lymph-Lipödem“ entstehen kann.
Bildgebende Verfahren wie die Funktionslymphszinitgraphie, Sonographie oder Lymphographie unterstützen die Diagnosesicherung in Stadium 0 oder bei abdomineller bzw. intrathorakaler Beteiligung sowie zur OP-Planung.
Auch beim Lymphödem kommt standardmäßig eine Komplexe Physikalische Entstauungstherapie zum Einsatz sowie Hautpflege, manuelle Lymphdrainage und Kompressionstherapie, ergänzt durch entstauungsfördernde Bewegungstherapie. Falls die Behandlung nach sechs Monaten keine Linderung verschafft, kann man auf eine OP zurückgreifen. Dank moderner lymphchirurgischer Technologien, wie dem freien vaskularisierten Lymphknotentransfer, erzielt die Variante zunehmend bessere Ergebnisse, die Autoren bewerten sie als vielversprechend. Bei fortgeschrittenen Stadien entfernt die Liposuktion sekundäre Fettgewebewucherungen.
Quelle Text und Abb.: Schiltz D et al. internistische praxis 2019; 61: 187-195 © Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage GmbH & Co. KG, Kulmbach