Vom Speck kaschiert Wie man bei adipösen Patienten ein Lipödem erkennt und behandelt
Das Lipödem ist definiert als schmerzhafte symmetrische Fettgewebsverteilungsstörung, die zu einer Disproportion von Stamm und Extremitäten führt. Das Fett sammelt sich v. a. an den Beinen, manchmal auch an den Armen an. Kopf, Hals und Stamm bleiben ausgespart, genauso wie Hände und Füße. Bei Adipösen ist das Lipödem oft nicht gut zu erkennen, da der dicke Bauch die Disproportion häufig kaschiert, sagte Dr. Katja Mühlberg von der Abteilung für Angiologie am Universitätsklinikum Leipzig.
Ein wichtiges Diagnosekriterium für das Lipödem ist die Schmerzhaftigkeit des Fettgewebes auf Druck. Eine übermäßige Hämatomneigung gilt dagegen heute nicht mehr als Diagnosekriterium.
Waist-to-Hip-Verhältnis als Maß für die Disproportion
Viel wichtiger ist das Verhältnis von Taille zur Körpergröße (Waist-to-Height-Ratio). Es sagt mehr über eine mögliche Disproportion aus als der BMI und dient bei entsprechendem Verdacht als Objektivierung. Die Morphologie sollte zur Stadieneinteilung nicht mehr verwendet werden, da Schmerzen und Beschwerden nicht mit den früher verwendeten Stadien korrelieren.
Der Beherrschung einer Adipositas kommt bei der Behandlung des Lipödems eine hohe Bedeutung zu. So führte eine mediterrane oder eine Low-carb/high-fat-Diät mit Kalorienrestriktion nicht nur zu einer allgemeinen Gewichtsabnahme. Sie verringerte auch den Umfang von Ober- und Unterschenkeln und besserte Disproportion und Schmerz. Der Mythos, dass man mit Ernährung beim Lipödem nichts ausrichten kann, ist somit widerlegt, sagte die Expertin. Auch eine bariatrische Operation kann bei Adipositas in Erwägung gezogen werden und zumindest eine Umfangabnahme der Beine erzielen. Schmerzen bleiben danach aber oft weiter bestehen.
Wichtige Säulen der konservativen Therapie sind Kompression und Bewegung. Die Verordnung der Kompressionsklasse richtet sich dabei nicht nach einem starren Schema, sondern wird dem klinischen Befund und dem Ausmaß der Beschwerden angepasst. Auch die intermittierende pneumatische Kompression und manuelle Lymphdrainagen können angewandt werden.
Eine Liposuktion kommt infrage, wenn trotz konservativer Therapie Schmerzen persistieren oder wenn es aufgrund der Fettumverteilung zu Komplikationen kommt. Dazu gehören beispielsweise Einschränkungen der Mobilität sowie dermatologische oder orthopädische Folgeerkrankungen. Die Stadien spielen dabei keine Rolle. Bei einer Waist-to-Height-Ratio > 0,55 und einem BMI > 40 kg/m² ist die Indikation zu Liposuktion allerdings kritisch zu sehen, da in diesen Fällen die Adipositas mit großer Wahrscheinlichkeit im Vordergrund steht. Geheilt wird das Lipödem auch durch die Fettabsaugung nicht, es kommt aber zur Schmerzlinderung und Verbesserung der Lebensqualität.
Quelle: 15. Interdisziplinäres Update Gefäßmedizin