Harnwegsinfektion Wenn Rückfall auf Rückfall folgt

Autor: Dr. Anne Benckendorff

Harnwegsinfekte sollten zunächst möglichst abseits von Antibiotika therapiert werden. Harnwegsinfekte sollten zunächst möglichst abseits von Antibiotika therapiert werden. © Siniehina – stock.adobe.com

Bei Harnwegsinfekten sind Antibiotika die effektivsten Therapeutika. Um aber der weiteren Zunahme resistenter Bakterien vorzubeugen, sollten zunächst die nicht-antibiotischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden.

Harnwegsinfekte zählen zu den häufigsten bakteriellen Infektionen überhaupt. Von einer unkomplizierten Harnwegsinfektion (HWI) kann man ausgehen, wenn keine anatomischen oder funktionellen Ursachen, keine begleitenden Nierenfunktionsstörungen und keine weiteren Komorbiditäten vorliegen, die eine HWI begünstigen. Von einer rezidivierenden HWI spricht man 

  •    bei zwei symptomatischen Episoden innerhalb von sechs Monaten  oder

  •   bei drei symptomatischen Episoden im Laufe von zwölf Monaten.

Die rezidivierende HWI erfordert eine klare Strate zur Propgiehy­laxe weiterer Infektionen,  schreiben ­Daniel ­Klußmann und Prof. Dr. ­Florian ­Wagenlehner von der Klinik und Poliklinik für Urologie an der Justus-Liebig-Universität ­Gießen. 

Beerensäfte verhindern aufsteigende Infektionen

Zunächst sollte eine ausführliche Beratung mit Verhaltensempfehlungen zu Miktion, Genital- und Sexualhygiene erfolgen, aber auch zu Maßnahmen zur Immunstimulation, sportlicher Aktivität und Ernährung. Wichtig ist eine ausreichende, aber nicht zu hohe Trinkmenge, betonen die Autoren. So ist belegt, dass etwa 1,5 l Flüssigkeit pro Tag die Rezidive im Vergleich zu einer deutlich geringeren Menge signifikant verhindert. Von Vorteil sind Fruchtsäfte, insbesondere aus Beeren, da die darin enthaltenen Flavonole die Darmflora verändern und so aufsteigenden Infektionen vorbeugen können.

Häufige Sexualkontakte sowie bestimmte Verhütungsmethoden wie Intravaginal-Ovula, spermizid­beschichtete Diaphragmen und Kondome können die Rezidivrate deutlich erhöhen. Trotz widersprüchlicher Angaben in der Lite­ra­tur dürfte es sinnvoll sein, die Harnblase nach dem Koitus zu entleeren. Insgesamt empfiehlt es sich, auf eine regelmäßige und entspannte Miktion zu achten, denn nachgewiesenermaßen ist die Rate an Harnwegs­infektionen bei Patienten mit Miktionsstörungen erhöht. Übertriebene Intimhygiene allerdings schädigt das protektive Milieu aus Laktobazillen und antimikrobiellen Peptiden. 

Als Beispiel für orale Immunstimulation bei rezidivierenden HWI führen die beiden Autoren ein Produkt aus den Zellbestandteilen uropathogener E. ­coli des Stammes ­OM-89 an. Metanalysen zufolge soll das Präparat die Rezidivrate um 39 % gegenüber Placebo senken. Zur par­enteralen Immunstimulation injiziert man den Betroffenen inaktivierte Keime spezifizierter Enterobakterien in den Oberarm, insgesamt drei Dosen alle 1–2 Wochen. Dies soll die Anzahl an Durchbruchsinfektionen senken. Auch Akupunktur zeige positive protektive Effekte bei rezidivierenden HWI.

D-Mannose hemmt die Fimbrien von E. ­coli und damit die Adhä­sion der Bakterien am Blasenepithel. Belegt sind ­den Autoren zufolge die guten Effekte bei Einnahme von 2 ­g Mannose pro Tag. Weitere Optionen zur Senkung der Rezidivrate bieten Phytotherapeutika aus Bärentraubenblättern, Kapuzinerkressekraut oder Meerrettichwurzel. Bei post­menopausalen Frauen kann eine lokale Östrogensubstitution wirksam sein, die auf die vaginale Atrophie abzielt, die Besiedlung mit Uropathogenen verringert und den vaginalen ­pH-Wert senkt.

Bleiben all diese Maßnahmen erfolglos, kann man bei hohem Leidensdruck eine antibiotische Langzeitprophylaxe mit einem Viertel bis Sechstel der therapeutischen Dosis des Antibio­tikums über 3–6 Monate starten. Stehen die rezidivierenden HWI mit Geschlechtsverkehr in Zusammenhang, kommt die postkoitale Einmalprävention infrage.

Quelle: Klußmann D, Wagenlehner F. Dtsch Med Wochenschr 2022; 147: 1140-1145; DOI: 10.1055/a-1866-9470