Schmerzen mit System erfassen Wie bei geriatrischen Patientinnen und Patienten vorzugehen ist

Autor: Birgit Maronde

Nicht immer ist es bei geriatrischen Patientinnen und Patienten offensichtlich, in welchem Bereich des Körpers sie der Schmerz plagt. Nicht immer ist es bei geriatrischen Patientinnen und Patienten offensichtlich, in welchem Bereich des Körpers sie der Schmerz plagt. © sebra – stock.adobe.com

Schmerzen bei geriatrischen Patientinnen und Patienten zu erkennen und richtig einzuordnen, ist gar nicht so einfach. Mit dem Ziel, die Versorgung der oft Hochbetagten zu verbessern, wird gerade die Leitlinie GeriPain erarbeitet. Sie sieht einen 11-Punkte-Plan für Screening und Assessment vor. 

Menschen im höheren und hohen Lebensalter sind meist multimorbide, was ihr Risiko erhöht, unter chronischen Schmerzen zu leiden. Dennoch werden sie in puncto Analgesie häufig unter-, über- oder fehlversorgt, konstatierte Melina Hendlmeier von der Deutschen Schmerzgesellschaft, Berlin. Die Leitlinie GeriPain will künftig dazu beitragen, die Situation für die betroffenen Patientinnen und Patienten zu verbessern. Was Screening und Assessment angeht, besteht bereits ein Konsens, berichtete die Pflegewissenschaftlerin Prof. Dr. Erika Sirsch von der Universitätsmedizin Essen. Einig sind sich die Leitlinienexpertinnen und -experten über die folgenden elf Punkte:

  1. Gibt es Hinweise auf Schmerzen? Diese Frage sollte innerhalb von 24 Stunden nach dem Erstkontakt der Betroffenen mit dem Gesundheitswesen (z. B. in Notaufnahme, Ambulanz, Praxis oder Altenheim) oder bei einem akuten Anlass beantwortet werden. Auf die Aussagen der Kranken ist allerdings nicht immer Verlass, weil sie beispielsweise dement oder im Delir sind. Manche verneinen Schmerzen, zeigen aber ein schmerzvermeidendes Verhalten, erinnerte Prof. Sirsch.
  2. Fällt das Screening positiv aus, ist zeitnah ein systematisches Assessment der Schmerzen sinnvoll („Sollte“-Empfehlung).
  3. Liegen akute Schmerzen vor, wird angemessen analgetisch behandelt. Dies gilt auch dann, wenn das Assessment bis dahin nur unvollständig erfolgt ist („Sollte“-Empfehlung).
  4. Für das systematische Erfassen und Beurteilen der Schmerzen sollen zunächst die Betroffenen gefragt und ggf. in weiteren Schritten Fremdeinschätzungen eingeholt werden.
  5. Schmerzanamnese und -medikation sowie mögliche Komorbiditäten sind zu ermitteln. Das Gleiche gilt für die verschiedenen Schmerzdimensionen inkl. der (non-, para-)verbalen Schmerzäußerungen („Soll“-Empfehlung).
  6. Die Untersuchung findet sowohl in Ruhe- als auch in Aktivitätssituationen statt („Soll“-Empfehlung).
  7. Um die Lokalisation der Schmerzen zu erfassen, sollte man Körperskizzen, Tafeln oder Karten nutzen.
  8. Die Leitliniengruppe rät zur zusätzlichen systematischen Fremdeinschätzung von Schmerzen bei einer manifesten oder vermuteten kognitiven Beeinträchtigung der Erkrankten („Soll“-Empfehlung).
  9. Es ist sinnvoll, im Gespräch Worte und Begriffe zu verwenden, die die Patientin bzw. der Patient selbst nutzt. („Soll“-Empfehlung). Die fachlich korrekte Aufforderung, Schmerzen auf einer numerischen Analogskala einzuordnen, verstehen viele der Kranken nicht mehr und geben dann eventuell irgendetwas an, warnte Prof. Sirsch. Das Sprachverständnis sei oft geringer als man glaube. Dennoch dürfe man nicht in eine diskreditierende Babysprache verfallen.
  10. Falls notwendig wird nach dem Assessment ein interprofessioneller Behandlungsplan erstellt („Soll“-Empfehlung). Diese Forderung klingt banal, räumte die Pflegewissenschaftlerin ein. Aber wie eine Analyse aus der stationären Altenhilfe zeige, bleiben Screening und Schmerzassessment derzeit noch viel zu oft ohne Konsequenzen.
  11. Bei geriatrischen Patientinnen und Patienten mit manifesten Schmerzen bzw. bekannter Schmerzproblematik und/oder entsprechender Therapie rät das Autorenteam der Leitlinie zur Verlaufskontrolle („Soll“-Empfehlung). Eine suffiziente Schmerzbehandlung basiert immer auf Schmerzassessment und Verlaufsbeobachtung, betonte Prof. Sirsch.

Geriatrisch schon ab 60

Ob eine Patientin oder ein Patient als geriatrisch bezeichnet werden kann, hängt vom Lebensalter der Betroffenen und vom Vorhandensein einer geriatrietypischen Multimorbidität ab. Ist diese stark ausgeprägt, können bereits 60-Jährige als geriatrisch gelten. Die meisten Menschen ab 70 und alle ab dem 80. Geburtstag gehören in diese Kategorie, erläuterte Melina Hendlmeier von der Deutschen Schmerzgesellschaft, Berlin.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht