Infraschall Wie sich niederfrequenter Schall auf die Gesundheit auswirken kann
Unter Infraschall versteht man niederfrequenten Schall (≤ 20 Hertz) mit einer großen Wellenlänge unterhalb der medianen Hörschwelle. Natürliche Quellen von Infraschall sind beispielsweise Erdbeben, Meereswellen, Meteoriten und Wind. Große Tiere wie Elefanten, Giraffen und Bartenwale erzeugen ebenfalls Infraschall und können so über Kilometer hinweg kommunizieren. Künstliche Emissionsquellen sind u.a. Sprengungen, große Industriemaschinen, Generatoren, große Fahrzeuge, Ventilatoren, Windkraftanlagen und sehr lange Orgelpfeifen.
Infraschall zu messen ist schwierig, schreibt Dr. Julius Vahl von der Klinik für HNO-Heilkunde und Kopf-Hals-Chirurgie am Universitätsklinikum Ulm. Für das Bestimmen der Frequenz in Hertz (Hz) und des Schalldruckpegels in Dezibel (dB) benötigt man spezielle, auf den Tieftonbereich kalibrierte Mikrofone. Zudem müssen zur Differenzierung der Infraschallquellen von Störgeräuschen (z.B. durch Wind) die Sensoren aufwendig abgeschirmt werden. Mögliche Anwendungsbereiche des Infraschallmonitorings sind z.B. die Früherkennung von Naturkatastrophen wie Erdrutsche, Lawinen und Erdbeben oder die Detektion von nuklearen Explosionen.
Vibrotaktile Rezeptoren können Schall wahrnehmen
Auch wenn die Hörschwelle bei den meisten Menschen bei etwa 20 Hz liegt, gibt es durchaus Personen mit einer ausgeprägten Tieftonsensitivität, die selbst 2–4 Hz noch hören können. Auch das individuelle Lautstärkeempfinden spielt dabei eine Rolle. Je lauter die tiefen Töne, umso größer die Wahrnehmungswahrscheinlichkeit. Möglicherweise kann der Infraschall zudem über vibrotaktile Sinnesrezeptoren wahrgenommen werden, sodass ein Gesamteindruck entsteht.
Sehr hohe Druckpegel des Infraschalls können auch bei normalem oder vermindertem Hörvermögen zu Ohrenschmerzen führen. Bei Frequenzen von 2 Hz trifft dies etwa bei 165 dB zu, bei 20 Hz bereits ab 145 dB. Liegen die Werte über 140 dB, ist mit Innenohrschädigungen inklusive Tinnitus, mit Nystagmus und Gleichgewichtsstörungen zu rechnen. Die Differenz zwischen Hör- und Schmerzschwelle ist im Tieftonbereich geringer.
Zu den gesundheitlichen Auswirkungen auf andere Organsysteme gibt es beim Menschen nur sehr wenige Untersuchungen. Ab 180 dB wurde vereinzelt von platzenden Alveolen berichtet. Zum Teil ist auch bei geringeren Lautstärken eine „vibroakustische Erkrankung“ beschrieben, die mit Symptomen wie Lethargie, Konzentrationsstörungen, Unsicherheitsgefühl, Stress, Atemstörungen, Blutdruckanstieg und Missempfindungen einhergehen kann. Vor allem in der Luftfahrt und Schwerindustrie scheinen solche Fälle aufzutreten.
Darüber hinaus gibt es zahlreiche Befunde aus Tierversuchen, die natürlich nicht eins zu eins auf den Menschen übertragbar sind. Bei Ratten wurden im Zusammenhang mit höheren dB-Werten u.a. eine Erhöhung der Herzfrequenz, Myokardschädigungen, perivaskuläre Koronarsklerose, eine Destabilisierung der Blut-Retina-Schranke und neuronale Inflammationsprozesse beschrieben. Zum pathogenen Potenzial beim Menschen besteht noch erheblicher Forschungsbedarf, was viel Raum für Spekulationen und Ängste lässt. Die in den Tierversuchen verwendeten Schallpegel kommen im normalen Leben so gut wie nicht vor. Trotzdem sollten mögliche negative Auswirkungen weiter untersucht und entsprechende Beschwerden nicht vorschnell als psychosomatisch eingestuft werden, schreibt Dr. Vahl.
Einheitliche Richtlinien für unbedenkliche Infraschallemissionen findet man weder in Deutschland noch auf internationaler Ebene. Zum Teil gibt es zwar Arbeitsschutzverordnungen dazu. Die sind aber laut Ansicht der Autoren nur unzureichend ausgestaltet. Ein Problemfeld stellen in diesem Zusammenhang auch Windenergieanlagen dar, von denen sich Infraschallwellen weitgehend ungebremst ausbreiten können. Der Schalldruckpegel liegt bei klassischen Turbinen etwa bei 60–70 dB – kurzfristige Abweichungen sind aber möglich.
Einsatz als Chemosensitizer bei Krebs denkbar
Neben einer möglichen Gesundheitsgefährdung wird auch ein therapeutisches Potenzial des Infraschalls diskutiert. Erste Pilotprojekte gibt es in der Schlafmedizin, wo versucht wird, mit Niederfrequenztönen gezielt die Tiefschlafphasen zu verbessern. In-vitro-Versuche weisen darauf hin, dass Infraschall die Membranstabilität von Tumorzellen verändert und so als Chemosensitizer wirken könnte.
Quelle: Vahl JM et al. HNO 2022; 70: 921-930; DOI: 10.1007/s00106-022-01237-y