Bogenschützensyndrom Wirbelarterie in Bedrängnis

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Der Patient ist ein typischer Fall von rotatorisch bedingter Okklusion der Vertebralarterie, auch Bow-Hunter-Syndrom genannt. (Agenturfoto) Der Patient ist ein typischer Fall von rotatorisch bedingter Okklusion der Vertebralarterie, auch Bow-Hunter-Syndrom genannt. (Agenturfoto) © vahit – stock.adobe.com

Ein 59-jähriger Mann leidet schon seit zehn Monaten an einem als drehend erlebten Schwindelgefühl. Zusätzlich macht ihm eine Gangunsicherheit zu schaffen; bei einer Kopfwendung nimmt er die Umgebung nur noch verschwommen wahr.

Die Untersuchung in der konsultierten neuroendovaskulären Ambulanz ergibt, dass das Schwindelgefühl speziell bei einer Rotation nach links auftritt und sich bei einer Rückdrehung in die Neutralstellung langsam zurückbildet. Flexion und Extension des Halses führen nicht zu einer Vertigo. Die Lagerungsprüfung nach Hallpike verursacht keinen ­Nystagmus und der Romberg-Versuch verläuft negativ, berichten Dr. Anna Kühn und Kollegen von der University of Massachusetts in ihrer Fallbeschreibung.

Aufgrund dieser Konstellation vermuten die Autoren zunächst einen benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel. Doch die Epley-Manöver und vestibuläre Rehabilitationstherapie sind unwirksam, der Patient spricht auch nicht auf eine Therapie mit Meclozin an. Deshalb wird zur weiteren Abklärung eine zerebrale Angiografie veranlasst. Diese ergibt bei der Kopfdrehung nach links eine 80%ige Stenose der gleichseitigen Vertebralarterie.

Die Behandlung erfolgt neuro­chir­urgisch mit einer Kombination von anteriorer zervikaler Diskektomie und Resektion des Processus uncinatus nebst zugehörigem Osteophyten, der bei der Kopfdrehung die Vertebralarterie komprimierte. Drei Monate nach der Intervention besteht nur noch ein leichtes Schwindelgefühl, das sich langsam zurückbildet. 

Der Patient ist ein typischer Fall von rotatorisch bedingter Okklusion der Vertebralarterie, auch Bow-Hunter-Syndrom genannt – nach der Art, wie ein Jäger seinen Kopf dreht, um mit Pfeil und Bogen auf seine Beute zu zielen. Die Betroffenen leiden aufgrund einer positionsabhängigen Gefäßstenose an einer reproduzierbaren, transienten Vertigo bei Kopfdrehung oder Halsstreckung. Ursächlich sind häufig, wie in diesem Fall, Osteophyten. Seltener erfolgt die Kompression durch Diskushernien oder Tumoren. Der Nachweis erfolgt mittels zerebraler Angiografie oder CT bzw. MRT. Die Prognose ist gut. Je nach Befund kann auch auf eine Operation verzichtet werden.

Quelle: Kühn AL et al. CMAJ 2022; DOI: 10.1503/cmaj.220607