Schichtarbeit Zu später Stund wird’s ungesund

Autor: Dr. Susanne Meinrenken

Unter Schichtarbeit leidet häufig die Ernährung. Auch im Klinikalltag ist Essen oft Nebensache. Unter Schichtarbeit leidet häufig die Ernährung. Auch im Klinikalltag ist Essen oft Nebensache. © Syda Productions – stock.adobe.com

Früh-, Spät- und Nachtschichten können den Tag-Nacht-Rhythmus ordentlich durcheinander bringen. So eine Störung der inneren Uhr birgt viele gesundheitliche Risiken. Eine wichtige Rolle spielt die Ernährung. Gezielte Interventionen können helfen und vorbeugen.

Schon 2019 arbeiteten in Deutschland 16 % der Erwerbstätigen im Schichtdienst. Vor allem im Gesundheitssystem wird der Bedarf an Schichtarbeitenden mit dem demografischen Wandel laut Prognosen zunehmen. Die damit verbundenen gesundheitlichen Veränderungen beschreiben ­Elina ­Hemling­ und Prof. Dr. ­Sandra ­Pahr-Hosbach, Internationale Hochschule in Bad Reichenhall.

Freizeitaktivitäten bleiben oft auf der Strecke

Schichtdienst wirkt sich auf verschiedene Faktoren aus. Dazu zählen unter anderem Alter, Gewicht, Konsumverhalten und körperliche Aktivität. Diese Form der Arbeit bringt aber auch Besonderheiten in Bezug auf Arbeits- und Pausenzeiten sowie Belastung mit sich. Schichtarbeitende finden zudem seltener Zeit für soziale oder Freizeitaktivitäten oder Fortbildungsmaßnahmen. Die möglichen gesundheitlichen Folgen sind vielfältig. Sie reichen von Krebserkrankungen, psychischen Störungen und gastrointestinalen Erkrankungen bis hin zu einem metabolischen Syndrom.

Eine gesundheitsfördernde Ernährung hat großes ungenutztes Potenzial, so die Autorinnen. Dazu fehle es jedoch an einem Überblick über die Essgewohnheiten von Schichtarbeitenden. Aufgrund der begrenzten Datenlage führten die Wissenschaftlerinnen Interviews mit sieben Frauen aus Berufen im Gesundheits- oder Sozialwesen und befragten sie hinsichtlich ihrer Ernährungsgewohnheiten. Sie arbeiteten seit 1,5 bis zu 42 Jahren in verschiedenen Schichten, drei von ihnen im Nachtdienst. Die Schichtarbeiterinnen waren zwischen 24 und 61 Jahre alt.

Grundsätzlich führte die Schichtarbeit, v. a. die Nachtschicht, zu unregelmäßigen Mahlzeiten. Häufig wurden zwei bis drei Hauptmahlzeiten und mehrere Zwischenmahlzeiten verzehrt. Vier Teilnehmerinnen hatten seit Beginn ihrer Schichtarbeit bis zu 25 kg zugenommen – drei waren sogar übergewichtig bzw. adipös. Fünf Befragte nahmen regelmäßig Obst, Gemüse und ballaststoffreiche Nahrungsmittel zu sich, während die anderen beiden oft Fertiggerichte aßen. Fünf Frauen trieben wöchtenlich Sport. 

In Pausenräumen sind gesunde Snacks Mangelware

Im Zuge der Nachtschicht aßen die Frauen oft leichtere Speisen wie Obst oder Joghurt aufgrund der besseren Verträglichkeit und des geringeren Hungergefühls. Auch brachten Kolleginnen etwas für alle mit oder es wurde z. B. Pizza bestellt, um gemeinsam zu essen. Vor einer Spätschicht gesund zu kochen fiel den Befragten leichter als ausgelaugt nach einem Spät- oder Frühdienst. Unbeeindruckt von der Arbeitszeit präsentierte sich das Snackverhalten der Frauen. Zudem waren die Snacks in den Pausenräumen in den meisten Fällen eher ungesund. Stress, Zeitdruck und zu kurze Pausen prägten die Schichten. Mahlzeiten wurden häufig unterbrochen – die Hand wanderte hier sehr schnell in Richtung der Süßigkeiten, auch als Belohnung. 

Grundsätzlich bestehe insbesondere zu Ernährungsempfehlungen in der Nachtschicht noch viel Forschungsbedarf. Alle Frauen gaben an, während der Ausbildung nichts über gesundes Essverhalten speziell im Schichtdienst gelernt zu haben. Die meisten wünschten sich aber entsprechende Informationen. Die Autorinnen schlagen daher Fortbildungen, Empfehlungen sowie persönliche Ernährungsberatungen vor, um die Situation zu verbessern. 

Auch Rezepttipps könnten sich für Schichtarbeitende als hilfreich erweisen, da selbst kochen meist eher gesund ausfällt. Auch von betrieblicher Seite kann und muss etwas kommen – attraktive Angebote gesunder Mahlzeiten dürften eine positive Wirkung entfalten. 

Die Süßigkeiten in den Pausenräumen könne man mit gesunden Snacks substituieren. Und unter dem Dach eines geordneten ­betrieblichen Gesundheitsmanagements würden auch Angebote zur Stressbewältigung und für mehr sportliche Aktivität wirksam sein, schließen die Autorinnen.

Quelle: Hemling E, Pahr-Hosbach S. Ernaehrungs ­Umschau international 2024; 9: 112-118