Schilddrüsenknoten Zur Diagnosesicherung wird noch immer zu häufig eine OP durchgeführt
Die kumulative Struma-Inzidenz liegt in Deutschland nach wie vor bei 18 %. Hauptursachen sind ein früher Jodmangel und weitere Faktoren wie familiäre Veranlagung, Rauchen und weibliches Geschlecht, schreiben Prof. Dr. Volker Fendrich und Dr. Judith Dibbern von der Klinik für Endokrine Chirurgie, Schön Klinik Hamburg Eilbek.
Einzelne oder multiple Schilddrüsenknoten werden heute durch die zunehmende Anwendung bildgebender Verfahren immer häufiger entdeckt. Im Ultraschall beträgt die Prävalenz von Schilddrüsenknoten rund 50–70 %. Nur sehr wenige Knötchen sind bösartig – in einer großen prospektiven Studie lag die Rate bei 0,7 %. Die Herausforderung besteht darin, aus der Masse der benignen Knoten die wenigen bösartigen Tumoren herauszufiltern. Schilddrüsen-OPs zur Diagnosesicherung bzw. zum Ausschluss einer malignen Veränderung werden nach Ansicht der Autoren dabei noch immer viel zu häufig durchgeführt.
Zu Beginn der Abklärung einer Knotenstruma oder eines einzelnen Schilddrüsenknotens steht die Anamnese mit Fragen nach den Beschwerden, der Jodzufuhr und Schilddrüsenerkrankungen in der Familie. Eine Inspektion und Palpation der Schilddrüse sowie die Suche nach Anzeichen einer endokrinen Orbitopathie geben weitere Hinweise. An Labordiagnostik sollte bei einer euthyreoten Knotenstruma zumindest der TSH-Wert gemessen werden. Um einen primären Hyperparathyreoidismus auszuschließen, empfiehlt sich die präoperative Bestimmung des Serumkalziums. Ein erhöhter Wert muss weiter abgeklärt werden. Die Messung des Calcitonins im Serum dient der Erkennung eines medullären Schilddrüsenkarzinoms und sollte bei allen knotigen Schilddrüsenveränderungen vor einer geplanten OP durchgeführt werden.
Welchen Stellenwert hat die Schilddrüsen-Szintigrafie?
Bei niedrig-normalen oder supprimierten TSH-Werten empfehlen die Autoren eine Szintigrafie mit 99mTc-Pertechnetat. In Regionen mit knapper Jodversorgung können heiße Schilddrüsenknoten auch bei normalem TSH-Wert szintigrafisch nachweisbar sein. Daher sollten in Gebieten mit grenzwertiger Jodversorgung multinodöse Strumen mit Knoten ab 1 cm Größe auch bei normalem TSH szintigrafisch abgeklärt werden.
System standardisiert die Befundung via Ultraschall
Eine wichtige Rolle in der Diagnostik kommt der zervikalen Sonografie zu. Da es bei der Beurteilung von Schilddrüsenknoten – je nach Untersucher – zu großen Unterschieden kommen kann, empfehlen die Autoren, das sogenannte Thyroid Imaging Reporting and Data System (TIRADS) anzuwenden. TIRADS ist ein standardisiertes Verfahren zur Beurteilung von sonografisch entdeckten Schilddrüsenknoten. Dabei erfolgt mithilfe bestimmter Kriterien eine Risikostratifizierung der Knoten in sieben Stufen. Bei den beiden höchsten TIRADS-Stufen 4 und 5 sollte eine Feinnadelpunktion zum Ausschluss eines Karzinoms durchgeführt werden.
Die Feinnadel-Punktionszytologie (FNP) gilt als sicherste Methode zur Unterscheidung von gut- und bösartigen Schilddrüsenknoten (82 % Sensitivität, 91 % Spezifität). Aber: Eindeutigen klinischen oder sonografischen Malignitätskriterien sollte immer mehr Bedeutung beigemessen werden als benignen FNP-Resultaten.
Wann muss aber nun operiert werden? Bei solitären Schilddrüsenknoten sollte ein Eingriff nur bei eindeutigem Malignitätsverdacht erfolgen, da der Anteil an bösartigen Knoten insgesamt gering ist. Gibt es keine Hinweise auf Bösartigkeit, sollte allenfalls bei sehr großen Knoten oder beim Vorliegen schwerer klinischer Symptome eine Operation in Betracht kommen. Alle anderen Knoten kann man beobachten. Diagnostische Resektionen sind möglichst zu vermeiden.
Knotenstruma – wann schneiden, wann bestrahlen?
Eine Radiojodtherapie kann auch bei der Knotenstruma mit oder ohne funktionelle Autonomie eingesetzt werden. Dabei entscheiden meist die Begleitumstände, ob operiert oder mit Radiojod behandelt wird:
- Die Operation ist zu bevorzugen bei Verdacht auf bösartige Veränderungen, wenn großen Zysten oder intrathorakale Strumen vorliegen oder Kompressionssymptome bestehen.
- Radiojod kann zum Einsatz kommen bei Schilddrüsenautonomie, bestimmten Komorbiditäten, fortgeschrittenem Patientenalter, Rezidivstrumen oder Berufsgruppen wie Lehrer, Redner oder Sänger.
Eine euthyreote Knotenstruma sollte ebenfalls bei nicht auszuräumendem Malignitätsverdacht operiert werden, wenn sie lokale Beschwerden verursacht (z.B. durch Einengung der Luftröhre) oder bei einer dystopen Lage. Alternative Behandlungsoptionen wie die Radiojodtherapie sollten ggf. mit dem Patienten besprochen werden.
Wenn einzelne Knoten ohne Malignitätshinweis reseziert werden, empfehlen die Hamburger Kollegen als Standardverfahren eine Hemithyreoidektomie. Liegt eine bilaterale Struma multinodosa vor, ist die Thyreoidektomie das bevorzugte Verfahren. Um eine postoperative Schilddrüsenunterfunktion zu vermeiden, sollte etwa drei bis vier Wochen nach dem Eingriff der TSH-Wert kontrolliert werden. Die Substitution mit Schilddrüsenhormonen muss altersadaptiert dosiert werden. Eine latente Hyperthyreose sollte bei über 70-Jährigen unbedingt vermieden werden.
Quelle: Fendrich V, Dibbern J. Hamburger Ärzteblatt 2022; 9: 12-17