Gastrale Tumore Zusammenspiel von Helicobacter und Genvarianten lässt das Risiko steigen
Helicobacter pylori gilt als Karzinogen der Gruppe 1 für die Entwicklung gastraler Tumoren. In der Überwachung und Prävention spielen pathogene Varianten von Krebsgenen in der Keimbahn eine zentrale Rolle. So ist CDH1 etwa ein Risikogen für das hereditäre diffuse Magenkarzinom, schreiben Kolleg:innen um Dr. Dr. Yoshiaki Usui, RIKEN Center for Integrative Medical Sciences, Yokohama.1
Darüber hinaus können u.a. BRCA1/2-Alterationen das Risiko erhöhen; sie sind aber kein Bestandteil von Screeningempfehlungen. Es gibt Hinweise darauf, dass die Eradikation von H. pylori die Inzidenz von Magenkrebs verringert – und zwar auch das von erblich vorbelasteten Personen.
Japanische Forschende um Dr. Usui fanden in ihrer neuen Studie nicht nur weitere hereditäre Risikogene, die das bisherige Verständnis der gastralen Karzinogenese auf den Kopf stellen; vielmehr entdeckten sie ein Zusammenspiel zwischen pathogenen Varianten in Genen für die homologe Rekombination und einer Infektion mit H. pylori, das einen Erklärungsansatz liefert, wie die durch das Bakterium verursachten DNA-Schäden zur Tumorentstehung beitragen.
Basis waren die Daten von 10.426 Magenkrebspatient:innen und 38.153 Kontrollen aus der BioBank Japan, die hinsichtlich pathogener Varianten in 27 Krebsprädispositionsgenen und gastralem Karzinomrisiko analysiert wurden. Die Forschenden evaluierten darüber hinaus den kombinierten Effekt aus pathogenen Varianten und H.-pylori-Infektionsstatus und berechneten das kumulative Risiko in einer Gruppe von 1.433 Erkrankten und 5.997 Kontrollen des HERPACC.
Betroffene deutlich jünger bei Diagnose
Pathogene Keimbahnvariationen von neun Genen – APC, ATM, BRCA1/2, CDH1, MLH1, MSH2/6 und PALB2 – erwiesen sich als mit dem Risiko für gastrale Tumoren assoziiert. Mit steigendem Alter zum Zeitpunkt der Diagnose verringerte sich der Anteil der Träger:innen. Personen mit einer pathogenen Variante in APC, CDH1 oder MLH1 waren bei Diagnosestellung median mehr als zehn Jahre jünger als Nicht-Träger:innen.
In der HERPACC-Population entdeckten die Forschenden 74 unterschiedliche pathogene Varianten in den neun Risikogenen. 88,9 % der Träger:innen und 86,4 % der Nicht-Träger:innen waren mit H. pylori infiziert. Dabei gab es Interaktionen zwischen Infektion und pathogenen Varianten in Genen für die homologe Rekombination. Das relative übermäßige Risiko aufgrund der Interaktion bezifferten die Wissenschaftler:innen mit 16,01.
Als ein möglicher Mechanismus komme die durch das Bakterium verursachte genomische Instabilität infrage, die aufgrund einer verringerten DNA-Reparatur nicht behoben werden kann. Die Daten legen nahe, dass die Evaluation und Eradikation von H. pylori bei Träger:innen pathogener Varianten in Genen für die homologe Rekombination besonders wichtig ist, so die Forschenden.
Blick auf das Lebenszeitrisiko
Das kumulative Magenkrebsrisiko betrug bei 85-jährigen Personen ohne Infektion, unabhängig vom Trägerstatus, weniger als 5 %. Demgegenüber hatten Menschen mit H.-pylori-Infektion und einer pathogenen Variante mit 45,5 % vs. 14,4 % ein höheres kumulatives Risiko für gastrale Tumoren als Menschen mit Infektion, aber ohne pathogene Varianten.
Wichtiger Treiber der Karzinogenese
Bisher ging man davon aus, dass hereditäre Keimbahnmutationen, z.B. in CDH1 oder MLH1, nur für 1–3 % der gastralen Krebsfälle verantwortlich sind, schreiben Prof. Dr. Anne Müller und Dr. Jiazhuo He von der Universität Zürich in ihrem Editorial.2 Die Hypothese, dass Magenkarzinomen meist keine erbliche Komponente zugrunde liegt, werde aufgrund der vorliegenden Studie infrage gestellt. Die durch H. pylori verursachten DNA-Schäden sind, sofern sie nicht (korrekt) repariert werden, ein wichtiger Treiber der gastralen Karzinogenese.
Dank der neuen Daten beginne man nun endlich zu verstehen, wie die DNA-Schäden durch H. pylori zur malignen Transformation beitragen: und zwar im Kontext einer hereditären homologen Rekombinationsdefizienz. Dies sei ein Beispiel einer „Multihit“-Karzinogenese, für die zwei oder mehr „hits“ für die Krebsentstehung benötigt werden, resümieren die Kommentatorinnen.
Quellen:
1. Usui Y et al. N Engl J Med 2023; 388: 1181-1190; DOI: 10.1056/NEJMoa2211807
2. Müller A, He J. N Engl J Med 2023; 388: 1225-1229; DOI: 10.1056/NEJMe2215503