INOCA Zwischen Symptomen und frustraner Diagnostik

Autor: Manuela Arand

Das stenosezentrierte Weltbild in der Kardiologie verhindert häufig die erfolgreiche Diagnose von Ischämien ohne verengte Koronarie (INOCA). Das stenosezentrierte Weltbild in der Kardiologie verhindert häufig die erfolgreiche Diagnose von Ischämien ohne verengte Koronarie (INOCA). © Design Cells – stock.adobe.com

Wer dazu neigt, pektanginöse Symptome nicht so ernst zu nehmen, wenn die Angio keine Stenose zeigt, sollte umdenken. Auch INOCA* gefährdet Patienten. Diagnostik und Therapie sind anspruchsvoll.

Engstelle finden, Stent reinschieben, fertig – die Kardiologie macht es sich leicht mit dem stenosezentrierten Weltbild, kritisierte Professor Dr. Javier­ Escaned, Hospital Clinico San Carlos, Madrid. Doch bei jedem zweiten Patienten mit nachgewiesener Myokardischämie lässt sich keine signifikante Obstruktion ausmachen. „Wir sind es nicht gewohnt, auf die Mikrozirkulation zu schauen, obwohl sie den Löwenanteil der myo­kardialen Perfusion leistet“, meinte der Kardiologe. Viele Patienten landen so in der Endlosschleife aus persistierenden Symptomen und erfolgloser Diagnostik, zumal auch die nicht-invasiven Tests größtenteils auf die epikardialen Gefäße zielen. 

Relevanz der Störung anhand der Flussreserve abschätzen

Als Ursache der Mikrozirkulationsstörungen kommen zum einen Remodeling und Rarefizierung der Kapillaren in Betracht, die sich anhand der koronaren Flussreserve (CFR) und des mikrovaskulären Widerstands prüfen lassen. Zum anderen können vasomotorische Störungen, die ein ACh- oder Belastungstest entlarvt, der Grund sein. 

Frauen sowie Menschen mit Diabetes oder Adipositas sind besonders häufig betroffen. Bei ihnen lässt sich anhand der CFR die prognostische Relevanz der mikrozirkulären Funktionsstörung abschätzen. Patienten mit eingeschränkter CFR drohen frühe kardiovaskuläre Komplikationen. Die Prognose z.B. eines Diabeteskranken mit mikrovaskulärer Dysfunktion ist nicht besser als die eines koronarkranken Diabetespatienten. 

Therapeutisch bieten sich Kalziumantagonisten an, weil sie sowohl den Gefäßtonus als auch den myokardialen Sauerstoffbedarf reduzieren, so Prof. Escaned. Weiter gehören ACE-Hemmer, Statine und ASS an Bord, begleitet von Lebensstilempfehlungen. Je nach klinischer Situation können weitere Antianginosa wie Ranolazin oder Ivabradin dazu gegeben werden. 

Patienten mit Schmerzsymptomatik, bei denen sich keinerlei Gefäßpathologie nachweisen lässt und der Verdacht auf ein gesteigertes Schmerzempfinden naheliegt, können niedrig dosierte trizyklische Antidepressiva Besserung bringen, riet Professor Dr. Noel Bairey Merz, Cedars-Sinai Smidt Heart Institute, Los Angeles. Nach ihrer Erfahrung lässt sich die Pharmakotherapie von INOCA effektiv mit Rehabilitation, pulssynchroner externer Gegenpulsation (EECP) und hochintensivem Intervalltraining unterstützen.

Die amerikanische Kardiologin gehört zum Untersucherteam der Endpunktstudie WARRIOR, die derzeit in den USA läuft und an rund 4.400 Frauen mit INOCA prüfen soll, ob eine intensive Therapie mit hoch dosierten Statinen und ACE-Hemmern/AT1-Antagonisten kardiovaskuläre Komplikationen reduziert. Zum Vergleich dient leitliniengerechtes Risikofaktorenmanagement. Die Hälfte der Teilnehmerinnen ist bereits rekrutiert, aber der Einschluss stagniert aufgrund der Corona-Pandemie. Prof. Merz hofft aber, die Studie innerhalb von zwei Jahren abschließen zu können.

* ischemia with no obstructive coronary artery disease

Kongressbericht: ESC Congress 2021 – The Digital Experience