Myokardischämie Stress fürs Herz
Akuter psychischer Stress kann bei Patienten mit stabiler KHK eine Minderdurchblutung des Myokards auslösen. Dieses Phänomen hat eine große prognostische Relevanz im Hinblick auf das zukünftige Herzinfarkt- und Sterberisiko der Betroffenen, berichtet Dr. Viola Vaccarino vom Department of Epidemiology an der Emory University in Atlanta. Gemeinsam mit ihren Kollegen analysierte sie Daten von 918 Patienten mit einer stabilen KHK (Durchschnittsalter 60 Jahre, 34 % Frauen), die zu Studienzwecken sowohl einen konventionellen Ischämietest (Ergometer- bzw. pharmakologische Belastung) als auch einen psychischen Provokationstest absolviert hatten. Letzterer bestand darin, vor einem Publikum eine Rede zu halten, für deren Vorbereitung die Teilnehmer zwei Minuten Zeit hatten. Die Myokardperfusion erfassten die Forscher jeweils mittels SPECT (Single Photon Emission Computed Tomography) in Ruhe und unter Belastung.
Bei jedem Zehnten psychische und körperliche Auslöser
Eine psychisch induzierte Myokardischämie beobachteten sie bei 16 % und eine konventionell induzierte bei 31 % der Probanden. Bei jedem Zehnten fielen beide Stresstests positiv aus.
Im Verlauf der im Mittel fünfjährigen Nachbeobachtungszeit erlitten die Patienten mit pathologischem emotionalem Provokationstest im Vergleich zu denjenigen mit negativem Ergebnis mehr als doppelt so häufig den primären Studienendpunkt, die Kombination aus Herz-Keislauf-Tod und Myokardinfarkt (adjustierte Hazard Ratio 2,5).
Das höchste Risiko im Vergleich zu Patienten ohne pathologische Provokationstests hatten dabei die Personen mit sowohl psychisch als auch konventionell induzierbarer Myokardischämie (HR 3,8), gefolgt von den Personen mit alleiniger psychischer Ischämiekomponente (HR 2,0). Eine ausschließlich durch körperliche Belastung auslösbare Ischämie erhöhte dagegen die Gefahr für zukünftige kardiovaskuläre Ereignisse nicht.
Der seelisch und der physisch getriggerten Myokardischämie liegen vermutlich unterschiedliche Pathomechanismen zugrunde, erläutern Dr. Paco Bravo und Dr. Thomas Cappola von der University of Pennsylvania Perelman School of Medicine in Philadelphia in einem Kommentar. Im ersten Fall dominiert wohl eine koronare Endotheldysfunktion, im zweiten spielt vermutlich eine Kombination aus einer endothelunabhängigen Vasoreaktivität, einer Endotheldysfunktion, einer Koronaratherosklerose und eines erhöhten myokardialen Sauerstoffbedarfs eine Rolle. Welchen klinischen Nutzen diese Beobachtungen haben, beispielsweise im Hinblick auf das Screening von Risikopopulationen sowie unter therapeutischen Gesichtspunkten, sollte nun in künftigen Studien geprüft werden.
Quellen:
1. Vaccarino V et al. JAMA 2021; 326: 1818-1828; DOI: 10.1001/jama.2021.17649
2. Bravo PE, Cappola TP. JAMA 2021; 326: 1803-1804; DOI: 10.1001/jama.2021.18766