Koronare Herzkrankheit
Die koronare Herzkrankheit (KHK) ist die Manifestation der Arteriosklerose in den Herzkranzarterien. Sie führt häufig zu einem Missverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und Sauerstoffangebot im Herzmuskel und manifestiert sich typischerweise als Angina pectoris. Die KHK geht mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität einher. Je nach Intensität und Häufigkeit von Angina-pectoris-Beschwerden und Belastungsdyspnoe ist die Lebensqualität der betroffenen Patienten eingeschränkt.
Stabile Angina pectoris:
- Regelmäßig durch bestimmte Faktoren (z.B. körperliche Belastung) induzierbare Angina pectoris, die gut auf Nitrate anspricht.
Instabile Angina pectoris:
- Primär instabile Angina pectoris: Jede Erstangina.
- Sekundär instabile Angina: Wenn Häufigkeit, Schwere und Dauer der Stenokardien zunehmen; Ruhe-Angina; Postinfarkt-Angina; steigender Bedarf an antianginösen Medikamenten.
ICD10-Code: I20-I25
Leitsymptom der Koronarinsuffizienz ist der vorwiegend retrosternale Thoraxschmerz (Angina pectoris, Stenokardie) infolge einer reversiblen Myokardischämie. Ausgelöst oder verschlechtert wird die Angina pectoris häufig durch:
- Körperliche Belastung
- Emotionalen Stress
- Mahlzeiten
- Kalte Außentemperaturen
Die Schmerzen können zum Hals, Kinn oder Unterkiefer ausstrahlen oder in den linken Arm und die linke Schulter (selten in den rechten Arm). Meist lassen die Schmerzen in Ruhe innerhalb von 5 bis 15 Minuten oder nach Nitro-Einnahme innerhalb weniger Minuten nach.
Cave: Der akute Thoraxschmerz als Leitsymptom kann bei Frauen, Patienten über 75 Jahren, bei Patienten mit Diabetes oder Niereninsuffizienz und bei Herztransplantierten/Herzoperierten fehlen! Stattdessen berichten die Patienten häufig über unspezifische Symptome wie Atemnot, Schwindel, Übelkeit oder Schmerzen in der Magengegend. Einige wenige Patienten mit Koronarstenosen haben nur schmerzlose Ischämien, insbesondere Diabetiker und Raucher.
Eine typische Angina pectoris liegt vor, wenn alle drei der folgenden Kriterien erfüllt sind:
- Retrosternale Beschwerden von kurzer Dauer
- Auslösung durch körperliche oder psychische Belastung
- Rückgang in Ruhe oder/und innerhalb von wenigen Minuten nach Nitrat-Applikation
Wenn nur zwei dieser Merkmale erfüllt sind, spricht man von einer atypischen Angina pectoris. Falls nur einer oder keiner dieser drei Punkte zutrifft, handelt es sich um eine nicht-anginöse thorakale Symptomatik.
Anamnese und körperliche Untersuchung
- Übergewicht/Adipositas?
- Xanthelasmen?
- Blutdruck?
- Arterielle Durchblutungsstörungen? (Fußpulse, Strömungsgeräusch über A. carotis)
- Hinweise auf extrakardiale Ursache der Brustschmerzen, z.B. am Bewegungsapparat?
Zur Einschätzung der Wahrscheinlichkeit einer zugrundeliegenden KHK bei Brustschmerzpatienten stehen verschiedene Scores zur Verfügung. Für die hausärztliche Versorgung wird z.B. der Marburger Herz-Score empfohlen. Der Umfang der weiteren Diagnostik orientiert sich an der Vortestwahrscheinlichkeit.
Ruhe-EKG
Das Ruhe-EKG ist auch bei schwerer KHK in ca. 50% der Fälle unauffällig, sofern kein Infarkt abgelaufen ist.
Echokardiographie
Patienten, bei denen Anamnese und Befund für die Verdachtsdiagnose KHK sprechen, sollten eine echokardiographische Untersuchung erhalten. Mithilfe dieser Untersuchung können regionale Wandbewegungsstörungen nachgewiesen und andere Angina-Ursachen wie Aortenstenose oder hypertrophe Kardiomyopathie ausgeschlossen werden. Zudem lässt sich die systolische und diastolische Funktion bestimmen.
Ischämie-Diagnostik
- Belastungs-EKG (durch dynamische Belastung wird eine Steigerung des Herzzeitvolumens induziert. Liegt eine signifikante KHK vor, kommt es zur Ischämie das Myokards mit entsprechenden ST-Veränderungen)
- Langzeit-EKG (Erfassung ischämiebedingter ST-Senkungen und Rhythmusstörungen unter Alltagsbedingungen)
- Belastungtests in Kombination mit Bildgebung (Stressechokardiographie, Stress-MRT mit Dobutamin, nuklearmedizinische Diagnostik in Kombination mit Belastungstests)
Bildgebende Verfahren zur Beurteilung der Koronararterien
- Koronarangiographie (Goldstandard)
- Mehrschicht-Spiral-CT, Dual-Source-CT
- MR-Angiographie
- Cholesterin; falls erhöht, zusätzlich HDL und LDL
- Nüchtern-BZ, HbA1c, oraler Glukosetoleranztest
- Blutbild mit Hb-Wert, Leukozyten
- Bei gesicherter KHK oder Atherosklerose evtl. Lp(a), Homocystein, Serum-Kreatinin
- Präzipitierende Faktoren: Anämie, Schilddrüsenwerte
- Bei Instabilität kardiale Marker bestimmen
Bei Brustschmerzen kommen grundsätzlich zahlreiche kardiale und nichtkardiale Ursachen in Frage. Lediglich in 20 bis 25% sind unklare Brustschmerzen kardial bedingt. An möglichen Ursachen des Brustschmerzes nennt die aktuelle Nationale Versorgungsleitlinie:
- Chronische KHK (8-11%)
- Akutes Koronarsyndrom (2-4%)
- Brustwandsyndrom (43-47%)
- Psychogene Ursachen (10-12%)
- Atemwegserkrankungen (10-12%)
- Ösophageale Ursachen (4-7%)
- Hypertensive Krise (1-4%)
- Rhythmusstörungen (1-2%)
- Lungenembolie (< 0,5%)
- Aortenstenose (< 0,5%)
- Myo-/Perikarditis (< 0,5%)
- Kardiomyopathie (< 0,5%)
- Aortendissektion (< 0,5%)
Bei allen KHK-Patienten sollen Risikofaktoren einer Arteriosklerose behandelt werden (Rauchstopp, Gewichtsnormalisierung, Mittelmeerkost, körperliche Aktivität, Stressmanagement, Optimierung der Lipidwerte).
Die medikamentöse Basistherapie soll einen Herzinfarkt verhindern. Zur Basistherapie werden Acetylsalicylsäure (ASS), Betablocker und Statine eingesetzt. ACE-Hemmer werden verabreicht, wenn ein Bluthochdruck, Diabetes oder/und eine Herzinsuffizienz vorliegt.
Zur antianginösen Behandlung werden folgende Wirkstoffe gegeben:
- Betablocker (senken den Sauerstoffbedarf des Myokards, indem sie den Blutdruck und die Herzfrequenz unter Belastung senken)
- Nitrate (bewirken eine Vasoldilatation, dadurch sinken der venöse Rückfluss, die Herzarbeit und der kardiale Sauerstoffverbrauch)
- Ivabradin (wirkt antiischämisch durch Senkung der Herzfrequenz)
- Ranolazin (Zusatzmedikament, wenn die o.g. antianginösen Substanzen keine zufriedenstellende Wirkung zeigen)
Bei einer konservativ nicht ausreichend behandelbaren Symptomatik (Angina pectoris) soll dem Patienten bei geeigneter Morphologie eine Revaskularisation angeboten werden. An Revaskularisationsverfahren stehen die perkutane Koronarintervention (PCI) und die Bypass-Operation zur Verfügung.
Die konsequente Umsetzung präventiver Maßnahmen bessert Leistungsfähigkeit und Prognose der KHK-Patienten deutlich. Dabei kommt nicht-medikamentösen Behandlungsstrategien eine wichtige Rolle zu:
- Ernährungsumstellung (Mittelmeerkost)
- Gewichtsreduktion
- Regelmäßiges körperliches Training
Diese Maßnahmen stellen auch die Basis einer fettmodifizierenden Therapie dar. Eine medikamentöse Behandlung (Statin) ist eine sinnvolle Ergänzung bei Fettstoffwechselstörungen. Bei allen KHK-Patienten mit Hypertonie soll der Blutdruck regelmäßig kontrolliert und behandelt werden.
Patienten mit KHK und Diabetes mellitus sind Hochrisikopatienten, die ein besonders strenges Risikofaktoren-Management benötigen (normoglykämische Blutzuckereinstellung, Blutdrucksenkung, Senkung der Blutlipide, Gewichtsreduktion). Rauchen ist für KHK-Patienten besonders riskant, daher ist eine komplette Nikotinabstinenz für sie extrem wichtig.
Während die stabile Angina pectoris ambulant behandelt werden kann (s. oben), ist das akute Koronarsyndrom eine absolute Indikation zur Klinikeinweisung mit Arztbegleitung (Notarztwagen), da ein erhöhtes Infarktrisiko besteht und schwerwiegende Rhythmusstörungen bzw. hämodynamische Komplikationen drohen.
1. Nationale Versorgungsleitlinie „Chronische KHK“. Langfassung, 4. Auflage 2016; online verfügbar unter http://www.leitlinien.de/nvl/khk, zuletzt abgerufen am 22.09.2017
2. Herold G et al.: Innere Medizin 2017. Eigenverlag, Köln 2017
3. Stierle U (Hrsg.): Klinikleitfaden Kardiologie. 6. Aufl., Elsevier, München 2017
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