Das Belastungs-EKG stirbt aus
Fast 900 000 Patienten unterzogen sich 2016 in Deutschland einer diagnostischen Herzkatheteruntersuchung, aber nur bei 48 % waren interventionelle oder herzchirurgische Konsequenzen erforderlich. Eine verbesserte präinvasive Diagnostik könnte die übrigen 52 % ohne PCI-Indikation zuverlässiger identifizieren, schreibt Dr. Rolf Dörr von der Praxisklinik Herz und Gefäße in Dresden.
Ob ein nicht-invasiver diagnostischer Test geeignet ist, entscheidet die KHK-Vortestwahrscheinlichkeit. Statistisch sind diese Tests nur bei Patienten mit Werten zwischen 15 % und 85 % aussagekräftig. Unterhalb von 15 % sind falsch-positive Ergebnisse zu häufig. Liegt die Wahrscheinlichkeit dagegen über 85 %, ist die Gefahr eines falsch-negativen Resultats zu hoch. Dann sollte gegebenenfalls direkt zur Koronarangiographie überwiesen werden.
Flächendeckende Verfügbarkeit, jahrzehntelange Erfahrung, keine Strahlenbelastung und geringer finanzieller Aufwand sprechen zwar für das Belastungs-EKG, dennoch sind die Nachteile gegenüber den bildgebenden Verfahren gravierend (s. Kasten). Die Sensitivität beim Nachweis einer stenosierenden KHK beträgt nur 45–50 %.
Nachteile des Belastungs-EKG gegenüber bildgebenden Verfahren
- häufig fehlende diagnostische Ergometrierbarkeit, v.a. bei älteren, gebrechlichen und multimorbiden Patienten
- generell geringere diagnostische Zuverlässigkeit bei Frauen
- diagnostische Aussage ist eingeschränkt bei Digitalis-, Nitrat- bzw. β-Blocker-Therapie und einer ST-Streckensenkung in Ruhe von 0-1 mm
- erst bei einer Vortestwahrscheinlichkeit ≤ 30 % kann ein negativer Befund eine KHK mit ausreichender Wahrscheinlichkeit (< 15 %) ausschließen
Leitlinien empfehlen Bildgebung als erste Wahl
Die nationale Versorgungs-Leitlinie chronische KHK von 2016 stuft Belastungs-EKG nur als diagnostische Methode zweiter Wahl ein – wenn bildgebende Verfahren lokal nicht verfügbar sind und die Vortestwahrscheinlichkeit zwischen 15 % und 30 % liegt. Die bildgebende Diagnostik wird dagegen bei Verdacht auf chronisch stabile KHK mittlerweile von nationalen sowie internationalen Leitlinien empfohlen. Denn sie haben nicht nur die höhere diagnostische Sensitivität, sondern sind auch bei nicht-ergometrierbaren Patienten möglich. Außerdem sind sie unabhängig von der diagnostischen Interpretierbarkeit des Ruhe-EKG, schreibt Dr. Dörr.Stress-Echokardiographie
Die Stress-Echokardiographie zeigt die regionale Wandbewegung im gesamten linksventrikulären Myokard unter dynamischer oder pharmakologischer Belastung (Dobutamin). Die Sensitivität beim Nachweis einer stenosierenden KHK liegt bei 80–85 % bzw. 79–83 % bei einer Spezifität von 80–88 % bzw. 82–86 %. Allerdings erfordert die 20–30-minütige Untersuchung viel Erfahrung und kann bei Patienten mit eingeschränktem Schallfenster (z.B. Adipositas, Emphysem) problematisch sein. Im Rahmen des „Kardio-Komplexes“ ist die Methode eine GKV-Leistung.Myokard-Perfusions-SPECT
Die Myokard-Perfusions-SPECT (Single Photon Emission Computed Tomography) erfolgt ebenfalls unter dynamischer oder pharmakologischer Belastung (Regadenoson, Adenosin). Sie analysiert Perfusion und Funktion im gesamten linksventrikulären Myokard. Das komplette Prozedere kann bis zu vier Stunden in Anspruch nehmen. Die Sensitivität beträgt 73–92 % bzw. 90–91 %, die Spezifität 63–87 % bzw. 75–84 %. Die Strahlendosis liegt bei Verwendung moderner Gammakameras im 1-mSv-Bereich. Eine Myokard-Perfusions-SPECT kann als GKV-Leistung abgerechnet werden.Stress-Perfusions-MRT und Dobutamin-Stress-MRT
Die Stress-Perfusions-MRT untersucht unter Belastung mit Adenosin oder Regadenoson (beide off label) die Perfusion im linksventrikulären Myokard. Das 20- bis 30-minütige Verfahren hat eine Sensitivität von 67–94 %. Die Spezifität liegt mit 61–85 % leicht darunter. Die Dobutamin-Stress-MRT bildet unter Belastung mit Dobutamin (off label) in etwa 30–40 Minuten die Wandbewegungen des linksventrikulären Myokards ab. Die Sensitivität beträgt 79–88 %, der Test ist aber zu 81–91 % spezifisch. Beide Verfahren eignen sich allerdings aufgrund starker Magnetfelder nicht bei Patienten mit implantierten metallischen Geräten und sind keine GKV-Leistung.CT-Koronarangiographie
Die CT-Angiographie ermöglicht eine anatomisch exakte morphologische Darstellung der Herzkranzgefäße. Die Sensitivität ist mit 95–99 % besser als die Spezifität (64–83 %). Nachteile sind eine mögliche Kontrastmittelallergie (Jod), limitierte Kontrastmittelmenge sowie die Strahlenbelastung. Werden moderne CT-Scanner verwendet, liegt sie allerdings etwa bei 1 mSv. Auch die CT-Angiographie ist keine GKV-Leistung.Quelle: Dörr R. Klinikarzt 2018; 47: 512-519