Wann dürfen Patienten mit KHK, Herzinsuffizienz und Klappenvitien trainieren?

Autor: Dr. Anja Braunwarth

Wenn es um Sport geht, muss man auf sein Herz hören. Wenn es um Sport geht, muss man auf sein Herz hören. © iStock/comotion_design

Ausdauersport hält das Herz gesund. Aber was gilt, wenn bereits eine kardiologische Erkrankung vorliegt? Ihre Pumpe schonen müssen jedenfalls nur wenige. Allerdings gibt es vor Trainingsbeginn einiges abzuklären.

Sportkardiologie ist ein vergleichsweise junges Fach, daher fehlt zu Krankheitsprogression oder dem Mortalitätsrisiko von Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen oder Vorbelastungen unter intensivem Training in vielen Bereichen die Evidenz, heißt es vonseiten der European Society of Cardiology. Die Fachgesellschaft hat nun die erste Leitlinie zu diesem Thema veröffentlicht.1

Übergewichtige und Hypertoniker sollten an fünf bis sieben Tagen pro Woche (≥ 30 Minuten) moderat bis intensiv aerob trainieren, erläuterte Professor Dr. Martin Halle vom Zentrum für Prävention und Sportmedizin am Klinikum rechts der Isar der TU München die generellen Empfehlungen für Vorbelastete. Ein zusätzliches Krafttraining mindestens dreimal wöchentlich kommt bei folgenden Gegebenheiten in Betracht:

  • BMI ≥ 30 kg/m2 oder einem Taillenumfang > 80 cm (Frauen) bzw. > 94 cm (Männer)
  • gut eingestellter Bluthochdruck
  • Diabetes

Patienten mit kontrollierter Hypertonie, aber hohem Risiko und/oder bereits bestehenden Organschäden halten sich in der Stärke des Krafttrainings besser zurück, mahnte der Kollege. Ist der RR schlecht eingestellt (systolisch > 160 mmHg) wird generell von hoch intensiven Übungen abgeraten, bis die Werte in besseren Bereichen liegen.

Koronare Herzkrankheit

Bei hohem KHK-Risiko oder Zufallsbefunden sollte trotz fehlender Beschwerden eine klinische Evaluation inklusive Test der maximalen Belastung erfolgen, so Professor Dr. Mats Börjesson, Center for Health and Performance der Universität Göteborg. Je nach individueller Situation dürfen Patienten mit asymptomatischem chronischem Koronarsyndrom, definiert als KHK ohne induzierbare Ischämie in der funktionellen Bildgebung oder im konventionellen Stresstest, uneingeschränkt alle Sportarten ausüben.

Besteht das asymptomatische Koronarsyndrom bereits länger, wird eine Risikostratifizierung für drohende Ereignisse unter Belastung empfohlen, bevor der Patient loslegt. Dazu gibt es einige klar definierte Hinweise (s. Kasten). Gleiches gilt für „frischere“ KHK-Patienten mit hohem Risiko.

Faktoren, die bei chronischer KHK belastungsinduzierte Ereignisse begünstigen

  • kritische Stenose (> 70 % in einer großen Koronararterie oder > 50 % im linken Hauptstamm) und/oder fraktionelle Flussreserve < 0,8 und/oder instantaneous wave-free ratio < 0,9
  • basale linksventrikuläre EF < 50 % plus Wandabnormitäten
  • induzierbare Myokardischämie unter maximaler Belastung
  • nicht-anhaltende ventrikuläre Tachykardie (NSVT), polymorphe oder stark gehäufte ventrikuläre Extrasystolen in Ruhe und unter maximaler Belastung
  • akutes Koronarsyndrom mit/ ohne perkutane Intervention oder chirurgische Revaskularisierung innerhalb der letzten zwölf Monate

Ergibt die Stratifizierung eine geringe Gefahr, kann man über die Erlaubnis zum Freizeitsport oder auch zu Wettbewerben nachdenken. Die Betroffenen sollten aber im Verlauf regelmäßig kontrolliert werden. Ist die Gefahr groß, kommen Freizeitaktivitäten unterhalb der Angina- bzw. Ischämiegrenze in Betracht. Von Wettbewerben wird abgeraten, erklärte Prof. Börjesson, es sei denn, es handelt sich um individuell geeignete Geschicklichkeitssportarten.  

Herzinsuffizienz

Herzinsuffizienten mit geringem Risiko, stabiler Funktion seit mindestens vier Wochen und NYHA-Klasse I müssen Sie den Sport nicht per se verbieten, erklärte Professor Dr. Massimo F. Piepoli, Kardiologe vom Guglielmo da Saliceto Hospital in Piacenza. Allerdings gebe es einen wesentlichen Grundsatz zu beachten: Sporteln nur in der stabilen Situation! Das setzt eine optimale Therapie voraus  – gegebenenfalls mit Schrittmacher oder Ähnlichem. Die Einschätzung erfolgt regulär jährlich sowie wenn Betroffene ihre Aktivitäten steigern wollen. Patienten mit erhaltener EF (HFpEF) dürfen moderaten Ausdauersport und dynamisches Krafttraining betreiben, in stabilem Zustand (unter Belastung) auch an Wettbewerben teilnehmen. Insuffiziente mit reduzierter oder nur mäßiger linksventrikulärer Ejektionsfraktion (HFrEF und HFmEF) profitieren von einer kardialen Reha. Bei niedrigem Risiko können sie auch an strukturierten Programmen teilnehmen oder niedrig bis moderat intensive Aktivitäten ausüben. Hochintensives Intervalltraining kommt zum Beispiel für Menschen mit niedrigem Risiko infrage, die wieder voll in aerobe beziehungsweise Ausdauersportarten einsteigen möchten. Ansons­ten richten sich die Empfehlungen nach dem individuellen Zustand. HFmEF-Patienten können dabei etwas mehr Gas geben, bei HFrEF gelten dagegen Ausdauersport und stark anstrengende Aktivitäten als nicht ratsam, egal, ob Symptome bestehen oder nicht. Nach einer Herztransplantation verbessert regelmäßiges Training, z.B. im Rahmen der kardialen Reha, den Allgemeinzustand der Patienten und die Outcomes: Mit mäßig intensivem aerobem Training und Übungen gegen Widerstände versucht man den Transplantierten auf sein früheres Niveau zurückzubringen. Ist er stabil, asymptomatisch und gut eingestellt, spricht auch nichts gegen Freizeitsport, erklärte Prof. Piepoli. Bei unkompliziertem postoperativem Verlauf wären in ausgewählten Fällen sogar wieder kompetitive Aktivitäten mit niedriger bis moderater Intensität denkbar.

Klappenerkrankungen

Für Klappenerkrankungen gilt: Betroffene sollten Sport machen! Laut Dr. Sabiha Gati, Kardiologin am Royal Brompton & Harefield NHS Foundation Trust in London, vertragen sich Aorteninsuffizienzen besser mit Training als -stenosen, für Patienten mit leichter Regurgitation gibt es daher keine Einschränkungen. Mäßige Rückflussgrade lassen sich ebenfalls mit körperlicher Aktivität in Einklang bringen, vorausgesetzt, es treten keine Beschwerden oder hämodynamischen Turbulenzen auf und die funktionelle Kapazität ist gut. Zur Überwachung eignen sich EKG, Herzecho (UKG) und Belastungstest, um Symptome, Arrhythmien, Ischämien sowie die Entwicklung von RR und Puls zu erfassen. Bei schweren Einengungen der Aortenklappe warnen die Autoren der ESC-Leitlinie vor starken Belastungen. Die bikuspide Aortenklappe und der Mitralprolaps bedürfen der genauen Evaluierung, ehe man Aussagen über die Sportfähigkeit treffen kann.

Vorhofflimmern und Long-QT-Syndrom

Bevor sich Patienten mit Vorhofflimmern auf sportliches Parkett begeben, müssen strukturelle Herzerkrankungen, Schilddrüsenfunktionsstörungen, Alkohol/Drogenabusus und andere potenzielle Ursachen der Arrhythmie abgeklärt und ggf. behandelt worden sein, betonte Professor Dr. Hein Heidbuchel­, Abteilung für Kardiologie am Universitätsklinikum Antwerpen. Betroffene müssen außerdem wissen, dass lang anhaltende Belastungen die Krankheit und Rezidive begünstigen können, das betrifft vor allem Männer im mittleren Alter. In jedem Fall sollte man die Herzfrequenz unter­ Belas­tung überwachen. Menschen ohne strukturelle Herzerkrankung oder solche, die das Vorhofflimmern gut tolerieren, brauchen zum Sport keine Antiarrhythmika. Bringen Klasse-I-Medikamente die Frequenz unter starker Belastung nicht ausreichend unter Kontrolle, sind sie als Monotherapie ungeeignet. Wer Flecainid oder Propafenon nimmt, muss zwei Halbwertszeiten abwarten, ehe er sich intensiv verausgaben darf. Das dauert bis zu zwei Tage, gibt Prof Heidbuchen­ zu bedenken. Antikoagulierte Patienten meiden zudem besser Kontaktsportarten und Aktivitäten mit hohem Verletzungsrisiko. Bei Rezidiven, symptomatischen Verläufen und/oder wenn jemand auf Antiarrhythmika verzichten möchte, wird eine Ablation empfohlen. Die Verödung des cavotrikuspidalen Isthmus kommt beim Flattern in Betracht, um eine 1:1-Überleitung zu vermeiden. Wollen sich Patienten unter Therapie mit Klasse-I-Antiarrhythmika mit dokumentiertem Flattern sehr stark auspowern, lässt sich diese Methode auch präventiv einsetzen. Zur Einnahme von Betablockern wird Patienten geraten, die unter einem Long-QT-Syndrom leiden oder Symptome haben. QT-Zeit verlängernde Medikamente gilt es für sie genauso zu meiden wie Elektrolytstörungen (Hypokaliämie, Hypomagnesiämie). Bleibt das Intervall (trotz Betablocker) > 500 ms oder liegt ein genetisch bestätigtes Long-QT-Syndrom mit Zeiten ≥ 480 ms bei Frauen und ≥ 470 ms bei Männern vor, rät das Leitliniengremium von starker Anstrengung ab, berichtete Prof. Heidbuchel. Nach einem Herzstillstand oder einer Synkope sollten Patienten auf kompetitive Aktivitäten verzichten. Für nur genotyp-positive Betroffene (QT-Zeit jeweils < 470/480 ms) fällt der Kardiologe die Entscheidung für oder gegen körperliche Aktivitäten individuell und gemeinsam mit dem Patienten. Ausschlaggebend sind geplante Sportart, Mutationstyp und die Ergebnisse vorausgegangener Untersuchungen.

* European Society of Cardiology

Quelle: 1. Pelliccia A et al. Eur Heart J 2020; ehaa605; DOI: 10.1093/eurheartj/ehaa605