Synkopen

Definition

Die Synkope ist entsprechend aktueller Leitlinien definiert als vorübergehender Bewusstseinsverlust infolge einer transienten, globalen zerebralen Hypoperfusion. Charakterisiert ist die Synkope durch:

  • Rasches Einsetzen
  • Kurze Dauer
  • Vollständige Erholung

Andere Definitionen beschreiben die Synkope als plötzlich einsetzenden, spontan reversiblen Bewusstseins- und Tonusverlust infolge zerebraler Minderperfusion mit oder ohne Hinstürzen. In ca. 20% der Fälle kommt es dadurch zu Verletzungen.

Die Leitlinien unterscheiden drei Gruppen von Synkopen.

Reflexsynkopen (nerval vermittelt)

  • Vasovagal (z.B. ausgelöst durch emotionalen Stress wie Angst oder Schmerzen)
  • Situativ (Husten, Nießen, Defäkation, Miktion, nach körperlicher Belastung, postprandial etc.)
  • Karotissinus-Synkope
  • Atypische Formen (keine ersichtlichen Trigger oder atypische Präsentation)

Synkope infolge orthostatischer Hypotonie

  • Primäre autonome Dysfunktion
  • Sekundäre autonome Dysfunktion (z.B. bei Diabetes, Amyloidose, Urämie, Rückenmarkverletzungen)
  • Medikamentös induzierte orthostatische Hypotonie (Vasodilatatoren, Diuretika, Antidepressiva, Phenotiazine; Alkohol)
  • Volumenmangel (Erbrechen, Durchfall, Blutung)

Kardiogene Synkopen (kardiovaskulär)

  • Arrhythmie als primäre Ursache (Bradykardie, Tachykardie)
  • Strukturelle Erkrankungen (z.B. Herzklappenerkrankungen, akuter Herzinfarkt, Kardiomyopathie, Perikarderkrankungen etc.; außerdem: Lungenembolie, akute Aortendissektion, pulmonale Hypertonie)

ICD10-Code: R55

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Symptomatik

Synkopen sind in der Allgemeinbevölkerung nicht ungewöhnlich, rund 40% aller Menschen erleiden in ihrem Leben mindestens eine Synkope. Nur eine Minderheit der Synkopen-Patienten sucht medizinische Hilfe auf, häufig berichten die Betroffenen dann, sie seien „umgefallen“.

In einem Teil der Fälle gehen der Synkope Prodromi wie Schwindel, Schwarzwerden vor den Augen, Herzklopfen, Schweißausbruch oder Übelkeit voraus.

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Untersuchung

Zur Basis-Abklärung eines Patienten mit transientem Bewusstseinsverlust gehören:

  • Sorgfältige Anamnese und Fremdanamnese zu den Umständen der Bewusstlosigkeit; Medikamentenanamnese
  • Blutdruckmessung
  • Körperliche Untersuchung
  • 12-Kanal-EKG

Je nach Situation können weitere Untersuchungen sinnvoll sein, z.B.:

  • Karotissinusmassage bei Patienten > 40 Jahre
  • Echokardiographie bei bekannter Herzerkrankung oder Verdachtshinweisen auf eine strukturelle Herzerkrankung oder eine Synkope aus kardiovaskulärer Ursache
  • Sofortiges EKG-Monitoring bei Verdacht auf arrhythmogene Synkope
  • Orthostase-Belastung (Steh-Test oder Kipptischuntersuchung) bei Synkope im Stehen oder Verdacht auf eine Reflexsynkope
  • Andere Untersuchungen wie eine neurologische Abklärung oder Laboruntersuchungen sind nur bei Verdacht auf einen nicht-synkopalen transienten Bewusstseinsverlust indiziert.

Verdachtsdiagnose nach initialer Abklärung

Es gibt verschiedene klinische Merkmale, die im Rahmen der initialen Abklärung eine Diagnose nahelegen.

Hinweise aus eine Reflex-Synkope:

  • Keine Herzerkrankung
  • Lange Anamnese rezidivierender Synkopen
  • Auftreten nach einem plötzlichen, unerwarteten unerfreulichen Anblick, Geräusch, Geruch oder Schmerz
  • Langes Stehen oder überfüllter, warmer Raum
  • Übelkeit, Erbrechen im Zusammenhang mit der Synkope
  • Auftreten während oder nach der Mahlzeit
  • Bei Kopfdrehung oder Druck auf den Karotissinus (Rasieren, enger Kragen etc.)
  • Auftreten nach Belastung

Hinweise auf eine Synkope infolge einer orthostatischen Hypotonie

  • Auftreten nach dem Aufstehen
  • Zeitlicher Zusammenhang mit Beginn oder Wechsel der Dosierung vasodilatativer Medikamente, die zu einer Hypotension führen
  • Langes Stehen, insbesondere in überfüllten, warmen Räumen
  • Vorliegen einer autonomen Neuropathie oder eines M. Parkinson
  • Stehen nach Belastung

Hinweise auf eine kardiovaskuläre Synkope:

  • Vorliegen einer bestimmten strukturellen Herzerkrankung
  • Positive Familienanamnese hinsichtlich plötzlichem Herztod oder Ionenkanalerkrankung
  • Auftreten während Belastung oder im Liegen
  • Auffälliges EKG
  • Plötzlich einsetzende Palpitationen unmittelbar gefolgt von einer Synkope
  • Bestimmte EKG-Befunde, die eine arrhythmogene Ursache nahelegen

Risikoeinschätzung

Die Leitlinienautoren nennen folgende Kriterien eines kurzfristig hohen Risikos, die eine sofortige Klinikeinweisung oder eine intensivierte Abklärung erfordern:

  • Ausgeprägte strukturelle oder koronare Herzerkrankung (Herzinsuffizienz, niedrige Auswurffraktion oder früherer Herzinfarkt)
  • Klinische oder EKG-Merkmale, die eine arrhythmogene Synkope vermuten lassen (z.B. Synkope während körperlicher Belastung oder im Liegen, Palpitationen zum Zeitpunkt der Synkope, positive Familienanamnese für plötzlichen Herztod, nichtanhaltende Kammertachykardie, bifaszikulärer Block oder andere intraventrikuläre Leitungsanomalien mit einer QRS-Dauer ≥ 120 ms, inadäquate Sinusbradykardie, verlängertes oder verkürztes QT-Intervall u.a.)
  • Wichtige Komorbiditäten (ausgeprägte Anämie, Elektrolytstörungen)
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Labor

Laboruntersuchungen sind nur bei Verdacht auf nicht-synkopalen transienten Bewusstseinsverlust indiziert.

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Differenzialdiagnostik

Differenzialdiagnostisch kommen andere Ursachen eines Bewusstseinsverlusts infrage, beispielsweise:

  • Hypoxie
  • Hyperventilation
  • Epileptischer Anfall
  • Transitorische ischämische Attacke
  • Dissoziativ-psychogene Anfälle

Eine genaue Schilderung des Gesamtablaufs (Fremdanamnese) ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig.

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Pharmakotherapie und nichtinvasive Therapie

Therapie der Reflexsynkope 

  • Erläuterung der Diagnose, Erklärung des Rezidivrisikos
  • Bei allen Patienten mit Prodromi: isometrische mechanische Manöver erklären (kräftige Muskelanspannung)
  • Evtl. Stehtraining
  • Midodrin kann indiziert sein bei Patienten mit vasovagalen Synkopen, die auf nichtmedikamentöse Maßnahmen nicht angesprochen haben

Therapie der orthostatischen Hypotonie 

  • Adäquate Volumen- und Salzzufuhr sicherstellen
  • Falls erforderlich, sollte Midodrin als begleitende Medikation verabreicht werden
  • Falls erforderlich, sollte Fludrocortison als begleitende Medikation verabreicht werden
  • Isometrische mechanische Manöver können indiziert sein (Anspannen großer Muskelgruppen)
  • Abdominelle Kompression und/oder Stützstrümpfe zur Reduktion des venösen Poolings können indiziert sein
  • Schlafen mit erhöhtem Oberkörper (> 10°) zur Volumenretention kann indiziert sein

Therapie bei Synkopen aufgrund kardialer Arrhythmien

  • Synkopen aufgrund von Herzrhythmusstörungen müssen entsprechend der zugrundeliegenden Ursache behandelt werden.
  • Eine medikamentöse antiarrhythmische Therapie ist indiziert – auch zur Frequenzkontrolle – wenn die Synkopen durch das plötzliche Auftreten von tachykardem Vorhofflimmern verursacht wurden.
  • Antiarrhythmika sollten bei bestimmten Patienten mit supraventrikulärer oder Kammertachykardie erwogen werden, wenn eine Katheterablation nicht möglich ist oder erfolglos war.
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Invasive und Interventionelle Therapie

Therapie der Reflexsynkope

Eine Schrittmacherstimulation sollte in bestimmten Situationen erwogen werden, z.B. bei Patienten mit dominierend kardioinhibitorischer Karotissinus-Synkope oder bei über 40-jährigen Patienten mit häufig rezidivierenden Reflexsynkopen und dokumentierter spontaner kardioinhibitorischer Antwort während eines Monitorings

Therapie bei Synkope aufgrund kardialer Arrhythmie

  • Schrittmacherimplantation: Ist z.B. bei bestimmten Sinusknotenerkrankungen indiziert
  • Katheterablation: Ist angezeigt bei Patienten mit Symptom-Rhythmus-Korrelation zwischen Synkope und supraventrikulärer oder Kammertachykardie bei fehlender struktureller Herzerkrankung
  • ICD-Implantation: Ist u.a. indiziert bei Patienten mit dokumentierter Kammertachykardie und struktureller Herzerkrankung
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Prävention

Menschen, die wiederholt vasovagale Synkopen erleben, sollten lernen, Vorboten der Synkope wie Schwitzen oder Schwindelgefühl rechtzeitig zu erkennen und einer Synkope durch rasches Setzen/Hinlegen gegenzusteuern. Hilfreich sind auch isometrische Übungen wie Kreuzen der Beine im Stehen und Anspannen der Bauch- und Gesäßmuskulatur oder der Jendrassik-Handgriff (Finger der beiden Hände ineinander verhaken und beide Arme kräftig nach außen ziehen). Kompressionsstrümpfe oder –hosen können zur Vermeidung orthostatisch bedingter Synkopen beitragen.

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Notfallmanagement

Etwa jeder fünfte Sturz im Zusammenhang mit einer Synkope führt zu Verletzungen wie Platzwunden oder Knochenbrüchen, die entsprechend behandelt werden müssen.

Leitlinien
  1. Moya A et al.: Guidelines for the diagnosis and management of syncope (version 2009). European Heart Journal 2009; 30: 2631-2671
  2. Pocket-Leitlinie: Diagnostik und Therapie von Synkopen (2009), herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (www.dgk.org)
  3. Herold G et al.: Innere Medizin 2018. Eigenverlag, Köln 2018

 

 

Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie e.V. (DGPK):
Synkopen im Kindes- und Jugendalter

Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN):
Synkopen

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