Diagnostik Synkope braucht keine Hightech
Einem kurzzeitigen Bewusstseinsverlust (transient loss of consciousness, TLOC) können viele Ursachen zugrunde liegen. Es ist aber nicht sinnvoll, von vornherein alle kardiologischen, neurologischen oder anderen potenziellen Synkopen-Ursachen abzuklären, mahnte Professor Dr. Rolf Diehl von der Klinik für Neurologie am Alfried Krupp Krankenhaus in Essen. Die meisten Untersuchungen würden am Ende ein normales Ergebnis zeigen und es könne bei umfangreicher Diagnostik ohne konkrete Verdachtsmomente auch zu falsch-positiven Befunden kommen – mit womöglich negativen Folgen für Patienten.
Prof. Diehl empfahl, drei Grundsätze zur TLOC- bzw. Synkopendiagnostik zu beachten:
- ein hypothesenorientiertes (algorithmisches) Vorgehen
- Basisdiagnostik vor Zusatzdiagnostik
- eine pathophysiologisch orientierte Abklärung und Therapie
Die Basisdiagnostik reiche oft zur Ohnmachtsabklärung aus, meinte der Referent und nannte als wesentliche Elemente Anamnese, körperliche Untersuchung, 12-Kanal-EKG und aktiven Stehtest.
Die Definition der Synkope
Als Stehtest genügt ein vereinfachter Schellong
In der Anamnese müssen natürlich Begleit -bzw. Vorerkrankungen, Medikamente, psychosoziale Stressoren und die Familiengeschichte erfasst werden. Die Befragung sollte dann weiter eruieren, was vor dem TLOC war, ob es potenzielle Auslöser gab, und ob der Ohnmacht Sensationen vorangingen. Hilfreich sind zudem Angaben zur Anfallsseminologie (motorische Entäußerungen, Augen geschlossen oder nicht, Hautkolorit) und dazu, wie rasch der Patient das Bewusstsein wiedererlangte. Schließlich sollte man noch besondere fremdanamnestische Beobachtungen in der postiktalen Phase abklären. Als aktiver Stehtest genügt ein vereinfachter Schellong-Test. Es werden Blutdruck und Puls im Liegen (nach zehn Minuten) und in der ersten, dritten und gegebenenfalls fünften Minute nach dem Aufrichten gemessen. Das Liegen für die vorherige körperliche Untersuchung mit EKG kann für die zehn Minuten schon mitgezählt werden, erklärte Prof. Diehl – so werde der Test in der Praxis praktikabler. Normalerweise kommt es bei dem Test nach dem Aufstehen zu einem kurzzeitigen Blutdruckabfall um etwa 20 mmHg systolisch und 10 mmHg diastolisch. Parallel steigt der Puls um weniger als 30 Schläge pro Minute an. Bei der orthostatischen Hypotension hält der Blutdruckabfall dagegen länger an, der Puls steigt nicht oder kaum. Umgekehrt sieht man beim posturalen Tachykardiesyndrom einen anhaltenden Pulsanstieg von mehr als 30 Schlägen/Minute, während sich der Blutdruck nach einem kurzen Abfall wie bei gesunden Personen wieder normalisiert und nicht dauerhaft abfällt. Die meist jungen, häufig weiblichen Patienten mit posturalem Tachykardiesyndrom berichten, dass ihnen flau und schwindelig wird. Die weitere Diagnostik erfolgt gezielt nach der vermuteten Ursache. Für kardiale Synkopen sprechen anamnestisch berichtete kardiale Erkrankungen in der Familie wie ein plötzlicher Herztod, ein körperlicher Befund mit Hinweis auf eine Herzerkrankung oder Lungenembolie und im EKG akute Ischämiezeichen oder ein Hinweis für eine passende Arrhythmie. In diesem Fall sollte gezielt die kardiologische Abklärung erfolgen, ggf. mit Koronarangiographie, Echokardiographie o.ä.Blutdruck im Sturzflug
Bei Epilepsieverdacht sind EEG und MRT sinnvoll
Auf eine Epilepsie weisen in der Anamnese Auren, synchrone motorische Entäußerungen und eine langsame Reorientierung bei fehlendem Befund in der körperlichen Untersuchung, im EKG und im aktiven Stehtest hin. In diesen Fällen ergeben EEG und Kernspintomographie, ggf. auch eine Duplexsonographie Sinn zur weiteren Abklärung. Auf einen dissoziativen Anfall deuten hin: fehlende Hinweise auf organische Korrelate in Anamnese, EKG und aktivem Stehtest, eine lange Ohnmacht (> 5 Minuten), geschlossene Augen im Anfall, zahlreiche frustrane Abklärungen, bizarre Körperhaltungen und – ganz typisch, so Prof. Diehl – Anfälle vor Zeugen. EEG und MRT sind nützlich, um den Patienten zu beruhigen, dass keine organische Ursache vorliegt. Eine autonome Zusatzdiagnostik – zum Beispiel kontinuierliche Blutdruck-/Pulsmessung, Check der Herzratenvariabilität, Baroreflextest, Valsalvatest – kann helfen, Synkopen von neurogenen Pathomechanismen abzugrenzen.Quelle: 94. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie – Live. Interaktiv. Digital