Takotsubo-Syndrom
Das Takotsubo-Syndrom ist ein akutes und meist reversibles Herzinsuffizienz-Syndrom, dem häufig – aber nicht immer – ein emotionaler oder physischer Stress vorausgeht. Typisch ist eine vorübergehende Wandbewegungsstörung des links- oder rechtsventrikulären Myokards. Eine Koronarstenose, die die vorübergehende linksventrikuläre Dysfunktion erklären könnte, liegt nicht vor.
Für das Syndrom gibt es zahlreiche Synonyme wie Stress-Kardiomyopathie, Broken-Heart-Syndrome, Apical Ballooning Syndrome oder Katecholamin-Kardiomyopathie. Die Bezeichnung „Takotsubo“ leitet sich von dem japanischen Begriff für „Tintenfischfalle“ ab, da die typische enddiastolische Form des linken Ventrikels mit apikaler Ballonierung an einen solchen traditionellen japanischen Tonkrug erinnert. Das Takotsubo-Syndrom betrifft überwiegend postmenopausale Frauen.
Die Ätiologie des Syndroms ist nicht abschließend geklärt. Diskutiert werden u.a. Koronarspasmen und eine katecholaminassoziierte mikrovaskuläre Dysfunktion.
ICD10-Code: I42.8
Das klinische Erscheinungsbild erinnert an ein akutes Koronarsyndrom: Takotsubo-Patienten klagen über akute Thoraxschmerzen, Atemnot und Palpitationen. In schwereren Fällen kommt es zu Präsynkopen oder Synkopen aufgrund ventrikulärer Tachyarrhythmien oder zum kardiogenen Schock. In vielen Fällen berichten Patienten über eine vorausgegangene psychische oder physische Belastungssituation, die Betroffenen zeigen oft eine vermehrte Angstsymptomatik.
Das Takotsubo-Syndrom wurde bisher als relativ gutartige Erkrankung mit rascher Wiederherstellung der linksventrikulären Funktion angesehen. Doch zeigen neuere Untersuchungen, dass etwa 52% der Patienten Komplikationen entwickeln .
- EKG-Auffälligkeiten liegen in der Akutphase bei über 95% der Takotsubo-Patienten vor. Zunächst (< 12 h) kommt es zur ST-Segment-Hebung oder –Senkung, zu einem neu aufgetretenen Linksschenkelblock oder manchmal zu Q-Wellen. 24 bis 48 Stunden nach Beginn der Symptomatik treten T-Wellen-Veränderungen und eine signifikante QT-Verlängerung auf.
- Koronarangiographie: In der Regel normale epikardiale Koronararterien ohne Nachweis einer Stenosierung. Ist ein Koronarverschluss als Ursache der Beschwerden ausgeschlossen, sollte sich möglichst eine Ventrikulographie anschließen, in der die Wandbewegungsstörung (Hypokinese des apikalen und mittleren Bereichs) nachgewiesen werden kann.
- Echokardiographie: In der Akutphase ist ein ausgedehnter dysfunktionaler Myokardbereich nachweisbar, der über das Versorgungsgebiet einer Koronararterie hinausgeht.
Weitere diagnostische Verfahren wie kardiales MRT, kardiale CT-Angiographie und eventuell eine Radionukliduntersuchung oder eine Myokard-Perfusionsszintigraphie können im Einzelfall erforderlich werden.
- Das kardiale Troponin (gemessen mit herkömmlichen Assays) ist bei über 90% der Takotsubo-Patienten erhöht. Doch sind die kardialen Marker Troponin und Creatinkinase im Verhältnis zur Ventrikelläsion oft nur mäßig erhöht.
- In der Akutphase sind die kardialen natriuretischen Peptide BNP oder NT-proBNP fast immer erhöht, oft auf extrem hohe Werte, die eng mit der ventrikulären Wandbewegungsstörung korrelieren. BNP und NT-proBNP scheinen aussagekräftiger als der Troponinwert zu sein.
Akutes Koronarsyndrom auf der Basis einer KHK, Phäochromozytom, hypertroph-obstruierende Kardiomyopathie (HOCM).
Bisher gibt es keine randomisierten klinischen Studien, die spezifische Therapieempfehlungen bei Takotsubo-Syndrom stützen. Daher erfolgt die stationäre Behandlung der betroffenen Patienten supportiv und symptomorientiert und zielt darauf ab, Komplikationen möglichst zu verhindern. In leichten Fällen kann abgewartet oder kurzfristig medikamentös behandelt werden.
In der Akutphase steht die medikamentöse Behandlung der akuten Ventrikelfunktionsstörung mit Betablockern, ACE-Hemmern und ggf. Aldosteronantagonisten im Vordergrund. Nach erfolgreicher Akuttherapie sollten psychosomatische Aspekte beachtet werden.
Wenn eine Verschlechterung des Takotsubo-Syndroms auftritt und der Patient ein geringes Herzzeitvolumen, einen kardiogenen Schock und ein progredientes Multiorganversagen entwickelt, sollte ein Experte hinzugezogen und die Möglichkeit einer extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) oder eines Left Ventricular Assist Device (LVAD, „Kunstherz“) als Brückentherapie diskutiert werden, denn es bestehen gute Chancen, dass sich die Ventrikelfunktion vollständig erholt.
Derzeit gibt es keine evidenzbasierten Optionen zur Verhinderung von Takotsubo-Rezidiven. Auch bei Patienten unter Betablockertherapie wurden Rezidive beobachtet. Dennoch profitieren bestimmte Patientengruppen wahrscheinlich von einer Betablockertherapie, beispielsweise solche mit ständig erhöhtem Sympathikotonus sowie Patienten mit anhaltender kardialer Symptomatik, persistierender Angstsymptomatik oder mit rezidivierendem Takotsubo-Syndrom.
Bei einigen Patienten mit Takotsubo-Syndrom sind Angstzustände nicht selten. Zwar ist der Benefit einer psychologischen Beratung oder einer Verhaltenstherapie noch nicht nachgewiesen, doch bei Patienten, die unter psychischer Belastung wiederholt ein Takotsubo-Syndrom erleiden, könnten diese Verfahren möglicherweise sinnvoll sein. Das gilt auch, wenn eine Angststörung nachgewiesen ist.
In der Akutphase entwickeln nicht wenige Patienten mit Takotsubo-Syndrom Komplikationen wie akute Herzinsuffizienz, Obstruktion der linksventrikulären Ausflussbahn, Arrhythmien, Perikarderguss oder kardiogener Schock, die entsprechend behandelt werden müssen.
- Lyon AR et al.: Current state of knowledge on Takotsubo syndrome: a position statement from the task force on Takotsubo syndrome of the Heart Failure Association of the European Society of Cardiology. European Journal of Heart Failure 2016; 18: 8-27
- Templin C et al.: Clinical Features and Outcomes of Takotsubo (Stress) Cardiomyopathy. New England Journal of Medicine 2016; 373: 929-938
- Herold G et al.: Innere Medizin 2017. Eigenverlag, Köln 2017
- Stierle U (Hrsg.): Klinikleitfaden Kardiologie. 6. Aufl., Elsevier, München 2017
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